Zukunft gestalten: JETZT. Jakob von Uexküll

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Zukunft gestalten: JETZT - Jakob von Uexküll


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aus dem kindischen Traum von einer globalen Konsumkultur, der permanenten Unreife, Unzufriedenheit und Unverantwortlichkeit.

      Die alten Israeliten hatten das Wort hochma für die Wissenschaft des Herzens, für die Fähigkeit zu fühlen und zu handeln, als ob die Zukunft von jedem von uns abhängen würde. Im alten Athen wurde der politisch engagierte Bürger ein „Polites“ genannt. Wer nicht am öffentlich-politischen Leben teilnahm, wurde als ein „Idiotes“ bezeichnet.

      Ohne uns kollektiv politisch zu engagieren, ob lokal, regional, national oder international, wird es nicht gehen.

      Wie schnell unsere Zivilisation zusammenbrechen kann, zeigte sich in New Orleans nach dem Hurrikan Katrina, als die abgeworfenen Trinkwasservorräte von kräftigen Männern ausgetrunken wurden, während Kinder, Frauen und alte Menschen leer ausgingen.

      Unsere Kinder erwarten, dass wir jetzt aktiv werden. Eine Journalistin bei der konservativen Londoner Sunday Times schrieb, als der neue UN-Klimabericht erschien, habe kein Erwachsener sie darauf angesprochen, wohl aber ihr 9-jähriger Sohn.

      Die Grundfrage ist heute nicht, wie viel Menschlichkeit, wie viel Umwelt und Kultur wir uns ökonomisch leisten können, sondern welches ökonomische System wir uns menschlich, ökologisch und kulturell leisten können. Die Wachstumsraten, auf denen unser derzeitiger Lebensstandard beruht, sind auf einem enormen Schuldenberg gebaut, der zu Lasten unserer Umwelt und zukünftiger Generationen geht. Wir haben seit Jahrzehnten viel mehr Forderungen gegenüber zukünftigem Wohlstand aufgebaut, als wir tatsächlich Wohlstand geschaffen haben. Hier wird es auch bei uns einen großen Schuldenschnitt geben müssen.

      Finanz-Experten schätzen, dass 80 % der Werte von Investment-Fonds auf der Erwartung zukünftiger Kapitalflüsse basiert. Eine Klimakatastrophe wird diese Werte schnell vernichten.

       Was können wir tun? Einige Anregungen:

      1.Glauben Sie nicht, dass Sie die Welt nicht verändern können: Die Welt verändert sich täglich und Sie wissen nur noch nicht, welche Rolle Sie dabei spielen können. Informieren Sie sich daher über Lösungen, z. B. auf den Webseiten vom World Future Council und Right Livelihood Award (Alternativer Nobelpreis). Setzen Sie sich privat und öffentlich für ihre Umsetzung und Verbreitung ein, z. B. für eine Vertretung der Rechte zukünftiger Generationen auf allen Ebenen, und dafür, dass Schüler, Studenten und besonders Absolventen von Business-Schulen, Ökonomen und Kandidaten für politische Ämter „eco-literacy“, d. h. eine ökologische Bildung vorweisen müssen.

      2.Lernen Sie, wie Geld geschaffen wird: Im Mittelalter wurden Machtdiskussionen mit der Kirche nur auf Latein geführt. Heute müssen wir Finanz-Latein lernen, denn in einer Welt, die von Geld regiert wird, machen wir uns machtlos, wenn wir auf diesem Gebiet nicht mitreden können.

      3.Wagen Sie auch Konflikte: Jesus hat mit den Geldwechslern im Tempel bekanntlich nicht verhandelt, er hat sie hinausgeworfen.

      4.Lassen Sie sich nicht abschrecken, wenn Sie die neuen Medien nicht beherrschen: Ich hielt in Berlin eine Rede vor Jugendlichen aus 36 Ländern und bekam anschließend ein sehr positives Echo. Eine ältere Teilnehmerin sagte daraufhin erstaunt: „Aber Sie waren doch der Einzige, der kein PowerPoint benutzt hat!“

      5.Bereiten Sie sich auf die bevorstehende moralische Weltrevolution vor, vergleichbar mit der Abschaffung der Sklaverei, auf der unsere damalige Wirtschaft basierte. Die kommende nachhaltige Weltordnung wird sehr vielfältig sein, denn es gibt keine Grenzen menschlichen Lernens, wie der Club of Rome schon vor 40 Jahren schrieb.

      Vor noch gar nicht langer Zeit musste man in Deutschland Leben riskieren, um Krieg und Barbarei zu überwinden und die Zukunft seiner Kinder zu sichern. Heute werden uns keine solchen Opfer abverlangt! Die Risiken für unsere gemeinsame Zukunft sind jetzt anderer Art. Aber sie verlangen ein Umdenken, neue Bündnisse und Partnerschaften. Der World Future Council ist ein solches Bündnis von Vertretern der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, der Politik, der Wissenschaften und der Kunst.

      •Die drohenden unumkehrbaren „tipping-points“, die jetzt alle unsere Errungenschaften und Pläne gefährden, verlangen engagiertes Handeln, wenn wir nicht wollen, dass unsere Kinder und Enkel uns als egoistische Verbrecher bzw. Ignoranten sehen werden, die die Risiken nicht begriffen hatten. Denn geschmolzene Gletscher kann man nicht mehr reparieren und für Trinkwasser gibt es keinen Ersatz.

      •Die Ewiggestrigen, die ihre Privilegien auch auf Kosten unserer Kinder bewahren wollen, haben mit ihren Spenden u. a. dafür gesorgt, dass im mächtigen US-Senat jetzt der Umwelt-Ausschuss einen Vorsitzenden hat, der Klimawissenschaftler mit Bibelzitaten zu widerlegen versucht, und einen Senats-Präsidenten, dessen Motto „Gewehre, Freiheit und Kohle“ ist – in dieser Reihenfolge!

      •Unsere Kinder vertrauen darauf, dass wir jetzt ernst machen. Unser Handeln wird zeigen, ob wir dieses Vertrauen verdienen oder verraten werden, wie in Ruanda vor 20 Jahren, wo auf dem Gedenkstein für einen ermordeten 10-Jährigen, der Arzt werden wollte, seine letzten herzzerreißenden Worte stehen: „Die UNO wird kommen und uns retten!“

      10. World Future Forum 2017 in Bregenz: weltweit führende Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur erarbeiten Lösungsstrategien für die Probleme unserer Zeit.

       Die Zukunft gestalten

      Wir stehen zurzeit vor noch nie dagewesenen Herausforderungen. Das Ende unseres bewohnbaren Planeten ist möglich, wenn nicht umgesteuert wird. Das würde allen nachfolgenden Generationen die Lebensgrundlage rauben.

      Diese apokalyptische Realität wird weitgehend geleugnet. Es ist aber eine Tatsache, dass für den Temperaturanstieg, der das Schmelzen der Permafrostböden und die Freisetzung von Methan-Hydrat in den Meeren bewirkt die gegenwärtige Politik verantwortlich ist. Das droht, unsere Erde unbewohnbar zu machen, wie Forschungsergebnisse belegen, die auch z. B. vom British Government Met Office (dem Meteorologie-Institut der britischen Regierung) bei der Klimakonferenz in Paris präsentiert wurden.

      Unser Wohlstand, unsere Sicherheit, Kultur und Identität würde aber schon lange vorher in sich zusammenfallen.

      Ein Europa, das unfähig ist, mit ein paar Millionen Kriegsflüchtlingen fertigzuwerden, wird unter der Masse von zehn oder vielleicht Hunderten von Millionen Klimaflüchtlingen schnell zusammenbrechen.

      Paul Krugman, Kolumnist der New York Times, beschrieb kürzlich in seiner Kolumne das Schreckensszenario des Klimawandels und fragte dann, was denn nun wirklich in diesem Jahr der US-Wahl auf dem Spiel stünde? „Nun, unter anderem das Schicksal unseres Planeten.“

      Eine Studie der US-Akademie der Wissenschaften kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass die Forderung, Wirtschaftswachstum und CO2-Anstieg vom Ressourcen-Verbrauch zu entkoppeln, auf falschen Berechnungen beruhten, weil das Rohmaterial zur Herstellung von Produkten zu gering veranschlagt worden sei (The Guardian, 25.11.2015).

      Warum wurde nicht längst ein Not-Bündnis gebildet, die alles Menschenmögliche tut, um den Kurs zu ändern und, wo noch möglich, rückgängig zu machen?

      Warum gibt es noch keinen Gesamtüberblick über die Risiken und Gefahren, warum wurde noch keine gemeinsame Strategie erarbeitet? Das sind Fragen, die ich oft – vor allem von jungen Leuten – höre. Für sie stellt die Arbeit des Weltzukunftsrates und die Arbeit der seit 1980 zahlreichen Preisträger des Right Livelihood Award, des Alternativen Nobelpreises, einen Funken Hoffnung dar.

      Inzwischen ist der Weltzukunftsrat weit bekannter als noch vor ein paar Jahren. Seine Mitglieder vermitteln ein vorbildliches und ganzheitliches Engagement und verfügen über außerordentliche Überzeugungskraft. Sie haben das Gespür für die Themen der Zukunft wie


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