Die Abenteuer des Schwarzen Gerard. Karl May

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Die Abenteuer des Schwarzen Gerard - Karl May


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sich so fest auf seinen Mund, als ob sie nicht wieder von ihm lassen könnte. Dann bat sie:

      »Denke an mich, Gerard!« – »Gewiß, Emilia.« – »Sehr oft?« – »Sehr!« – »Und schone dich! Ich würde vor Gram sterben, wenn ich erführe, daß du deinen schweren Aufgaben erlegen bist. Wann kommst du wieder?« – »Das weiß ich nicht, denke aber, so bald wie möglich. Also gute Nacht!«

      Er verließ das Zimmer auf demselben Weg, den er gekommen war, um sich von der alten Gärtnerin, die ihn zu empfangen pflegte, gegen die Mönchskutte sein Gewehr wieder einzutauschen. Er ahnte nicht, daß er einer schweren Gefahr geradezu in die Hände lief.

      7. Kapitel.

      Vorhin, als Gerard sich durch die Vorpostenkette geschlichen hatte, war er sehr nahe an einem der Posten vorübergekommen. Dieser hatte ein leises Geräusch gehört und dann gelauscht, ohne etwas Weiteres zu vernehmen.

      »Fast war es, als ob jemand hier vorübergegangen wäre«, sagte der Posten zu sich. »Es wird wohl irgendein Tier gewesen sein.«

      Er schritt leise auf und ab, und nach einiger Zeit kam ihm die Lust, eine Zigarette zu rauchen. Die Franzosen befanden sich ja im Land der Zigaretten; sie selbst sind zudem große Liebhaber dieses Genusses und gaben sich demselben ohne Ausnahme hin. Selbst wenn ein Posten einmal rauchte, wurde gern ein Auge zugedrückt. Der Mann zog also eine Zigarette und Feuerzeug hervor. Da, beim Schein des Hölzchens war es ihm, als ob in dem zu einem Graben aufgeworfenen Land einige tiefe Fußspuren seien. Er bückte sich und leuchtete hin.

      »Ah, richtig«, murmelte er. »Diese Spuren sind noch ganz frisch. Der Kerl ist hier vorübergekommen. Wer mag es gewesen sein?«

      Er brannte nacheinander mehrere Zündhölzer an und sah nun ganz deutlich die Richtung, die der Mann genommen hatte.

      »Dieser Kerl hat sich zwischen uns hindurch und in die Stadt geschlichen«, brummte er. »Er hat also etwas Gefährliches vorgehabt, und ich muß diese Geschichte sogleich melden.«

      Er rief den nächsten Posten an und teilte ihm mit, was er bemerkt hatte. Diese Meldung ging von Mann zu Mann bis zu dem Offizier, der sie sofort dem Kommandanten übermittelte. Dieser nahm die Sache ernst, er kommandierte hier auf dem äußersten Posten der französischen Machtentfaltung und begab sich daher sofort unter gehöriger Bedeckung an Ort und Stelle, um seine Maßregeln zu treffen.

      »Erzähle!« gebot er dem Soldaten. – »Ich hörte ein Geräusch –« begann dieser. – »Und riefst nicht an?« unterbrach ihn der Kommandant – »Es war nur so leise wie von einer Maus, ich konnte nicht denken, daß es von einem Menschen hergerührt habe«, entschuldigte sich der Mann. – »Und dann?« – »Dann kam mir doch der Gedanke, einmal nachzusehen. Der Boden ist hier weich. War es ein Mensch gewesen, so hatte er sicherlich Spuren hinterlassen. Ich zündete ein Hölzchen an und fand die Fährte!« – »Gut! Deine anfängliche Nachlässigkeit soll dir verziehen sein, weil du sie wiedergutgemacht hast. Brenne die Laternen an.«

      Dies geschah, und nun konnte man die ganze Fährte bis dahin verfolgen, wo sie auf festem Boden verlief.

      »Der Kerl ist in der Stadt, aber noch nicht wieder heraus«, sagte der Kommandant. »Wo es ihm gelungen ist, hineinzukommen, wird er auch wieder herauszukommen versuchen. Ihr bleibt alle hier. Sobald er kommt, ergreift ihr ihn, ohne ihn vorher anzurufen. Aber legt euch auf die Erde nieder, die Leute dieser Gegend sind erfahrene Kerle. Wenn er kommt und ihr steht, könnte er euch sehen. Ich werde unterdessen den übrigen Außenposten die größte Vorsicht anbefehlen.«

      Er ging. Es waren fünfzehn Mann, die er zurückgelassen hatte, alle bewaffnet, also mehr als genug, um einen einzigen zu ergreifen, der noch dazu ahnungslos in die Falle lief.

      Die Soldaten lagen lautlos an der Erde und warteten. Stunde um Stunde verging. Schon glaubten sie, daß der, den sie erwarteten, die Stadt gar nicht verlassen werde oder sie bereits an einer anderen Stelle verlassen habe; da ließ sich ein leises Geräusch hören, als ob Erdbrocken von einer Stiefelsohle geschleudert würden.

      »Er kommt. Aufgepaßt!« flüsterte der Anführer.

      Im nächsten Augenblick sahen sie eine Gestalt, die leise und vorsichtig vorüber wollte; in demselben Moment aber lag diese Gestalt auch bereits an der Erde, und dreißig Fäuste waren bemüht, sie festzuhalten.

      »Donnerwetter«, sagte der Mann in französischer Sprache, »was wollt ihr denn von mir?« – »Dich selbst«, antwortete der Anführer. – »Ah, seht zu, ob ihr mich bekommt.«

      Er machte eine gewaltige Anstrengung loszukommen, aber es gelang nicht; es waren zu viele, die auf ihm lagen.

      Gerard, denn dieser war es natürlich, sah ein, daß er sich fügen müsse. Die Waffen wollte er nicht gebrauchen, da dies seine spätere Lage nur verschlimmern konnte. Ging er freiwillig mit, so war noch alles zu hoffen. Übrigens war es dunkel, er konnte seine Gegner nicht zählen, und es schien ihm die Anzahl weit höher, als sie eigentlich war. Darum sagte er:

      »So laßt doch ab, ihr Leute. Ich will ja gar nicht fliehen. Ich habe gar keine Veranlassung, mich vor euch zu verbergen.« – »Oho«, entgegnete der Anführer. »Soeben sagtest du noch, wir sollten zusehen, ob wir dich bekommen würden. Brennt die Laternen an und leuchtet her!«

      Es wurde Licht gemacht, und nun besahen die Franzosen sich den Mann.

      »Ah, er ist bewaffnet. Nehmt ihm die Waffen ab und bindet ihn.«

      Einer der Soldaten nahm Gerards Gürtel ab und schnallte dem Gefangenen damit beide Hände an den Leib, glaubend, daß diese Maßregel genüge.

      Aber ein erfahrener Präriejäger weiß jeden Umstand zu benutzen. Als man ihm den Gürtel um den Leib und die Arme legte, preßte er dieselben nicht etwa fest an, sondern er hielt sie möglichst weit ab, so daß die Fessel nicht ganz schloß. Zudem hatte man, um seiner Hände sicher zu sein, den Gürtel nicht um die Brust und die Oberarme, sondern um die Unterarme gelegt so daß es Gerard leichter wurde, die Arme zu bewegen. Bereits als er von der Erde aufstehen mußte, fühlte er, daß es ihm vielleicht mit einem angestrengten Ruck gelingen würde, den rechten Arm aus dem Gürtel zu reißen, und dann ging der linke ja von selbst heraus.

      »Wer bist du?« fragte der Anführer ihn verhören. – »Ein Vaquero«, antwortete er. – »Du siehst nicht so aus. Woher?« – »Von Chiricote.«

      Chiricote liegt nur wenige Stunden von Chihuahua entfernt

      »Was wolltest du in der Stadt?« – »Meine Braut besuchen.« – »Warum kamst du nicht auf dem richtigen Weg?« – »Bist du nicht auch verstohlen zu deinem Mädchen gegangen?« – »Kerl, nenne mich nicht du, sonst bekommst du meinen Kolben zu kosten.« – »Ich nenne einen jeden ganz so, wie er mich nennt« – »Aber ich bin ein Soldat des Kaisers! Übrigens sprichst du ein verteufelt gutes Pariser Französisch. Wie kommt das?« – »Sehr einfach, weil ich Pariser bin.« – »Und Vaquero in Chiricote? Das kommt mir verdächtig vor. Der Herr Kommandant mag sehen, was er aus dir machen kann. Vorwärts!« – »Ja, zum Kommandanten, denn ich glaube selbst, daß du nichts aus mir machen kannst«, antwortete Gerard. – »Hund!«

      Der Soldat holte mit dem Kolben aus; da aber trat Gerard einen Schritt auf ihn zu und rief:

      »Wage es, zu schlagen oder zu stoßen, so soll dich der Teufel holen!« – »Ah, Mann, du scheinst mir kein gewöhnlicher Vaquero zu sein!« – »Möglich!« – »Gut, wir bringen dich zur Wache, da soll es sich zeigen. Vorwärts!«

      Der Marsch begann. Es war dunkel, und wenn es Gerard gelang, einen Arm freizubekommen, so war es möglich, zu entspringen, aber er hätte seine Waffen zurücklassen müssen, und diese waren ihm ans Herz gewachsen. Seine alte Doppelbüchse hatte ihn lange Jahre begleitet, sie hatte ihn ernährt und beschützt. Sollte er sie aufgeben? Nein. Der Präriemann hält auf seine Büchse ebensoviel, wie auf sich selbst. Gerard ließ sich also fortführen, ohne einen Fluchtversuch zu machen. Er hoffte, daß sich schon irgendein Ausweg finden lassen


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