Sie kannten Richard Strauss. Christoph Wagner-Trenkwitz
Читать онлайн книгу.ich Dir nicht sagen, als daß ich Dich innig um Verzeihung bitte, der ganze Auftritt ist mir in traurigster Erinnerung und ich flehe Dich an, mich nur desto lieber zu haben, denn ich bin das bedauernswerteste Geschöpf und ganz trostlos, Dich so betrübt zu haben. Mein süßer Mann, wenn Du wüßtest, was Du mir bist und wie ruhelos ich ohne Dich bin, es fehlt mir das Licht zum Leben und zu allem die Freude, wenn Du nicht da bist, ich bin unendlich traurig und tief verstimmt, warum bin ich so elend schlecht gegen Dich? Wenn Du nur wüßtest wie ich darüber alteriert bin, mein geliebter, lieber Richard; den ganzen Tag denke ich darüber nach und hoffe auf Besserung.
Wie gut und edel bist Du stets gegen mich und wie schlecht benehme ich mich, mir schaudert vor mir, am liebsten möchte ich sterben, dann wärst Du von mir befreit und mir wäre es leichter. Mein bester Richard, ich wollte ich wäre anders und Du deshalb glücklicher mit mir.
Bei dem herrlichen Wetter war Bübchen vorm. und nachm. spazieren gefahren, unser lieber kleiner Spatz, er muß sich erst an die Neue gewöhnen. Adieu für heute, Liebster! Tausend Küsse auf Deinen treuen, guten Mund und die lieben Augen.
Deine Bi
Die Zeiten der berufsbedingten Trennung waren für Richard Strauss und Pauline mindestens so »ungenießbar« wie der Gesundheitstee, mit dem sie ihn ausgestattet hat.
Charlottenburg, 2. Sept. 99
Geliebtes Bauxerl!
So sitze ich denn in meiner Einsamkeit recht trübselig, komponiere und saufe Deinen schlechten Tee, trotzdem er eigentlich ungenießbar ist, was mir aber noch nie so sehr aufgefallen ist, wie diesmal. Im Theater der alte Trödel. [...]
Oder im gleichen Sinne, eine Woche später:
Mein liebes süßes B!
Meiner Jubiläumskarte von heute mittag muß ich noch ein paar Zeilen nachsenden, um Dir zu sagen, daß so ein Hochzeitstag solo doch eine recht ungemütliche Sache ist. Wenn ich auch den ganzen Tag an der Arbeit sitze, fürs eigentliche Leben braucht man eben doch seine lieben Plagegeister, und wenn man nun das gemütliche, schöne Familienleben gewöhnt ist, wie ich – und wenn man sich so lieb hat wie wir zwei uns und unseren herrlichen Buben, da wird einem die Solistenherrlichkeit recht sauer. [...]
Pauline, bald wieder selbstbewusster, kündigt an, den Ehemann beim Wiedersehen auf Distanz halten zu wollen:
Marquartstein, 26. 9. 99
Meine liebste, verlassene Maus!
Heute abend Deinen lieben Brief von gestern Montag 24. ds. freundlichst dankend erhalten; für Deine schlechte Laune kann ich aber wirklich nichts, mein Gutester, ich finde, daß ich und Bubi hier in dem angenehmen Besitztum wirklich den Sommer in der herrlichen Luft ausnützen müssen. [...]
Ich komme nach München am 13. oder 14. und bitte Dich inständigst, lieber Richard, mich nicht mit Deinen Zärtlichkeiten zu quälen, Du weißt, wie zuwider mir das ist und daß es mich einfach krank macht. Ich habe mich jetzt so herrlich erholt, daß ich meine Gesundheit und Stimme nicht gleich wieder aufs Spiel setzen möchte. [...]
Nun gute Nacht, mein liebster guter Richard, sei innigst umarmt und abgebusselt vom netten Buberl von Deinem gesunden, kopfwehbefreiten
Bauxerl
Richard, ganz Bildungsbürger, versucht sein »liebes liebes Bauxerl« durch literarisches Lob bei Laune zu halten:
Dienstag 3. Okt. 1899 ½ 3 Uhr
Mein liebes liebes Bauxerl!
Soeben beim Mittagsmahl Deinen so sehr reizenden Brief vorgefunden und möchte Dir vor Allem ein Kapitallob spenden, daß Du so fleißig und daß Du so hübsch und interessant schreibst; Du hast im Stil wirklich hübsche Fortschritte gemacht! Die gute Lektüre, die ich Dir stets vorsetze, schlägt gute Früchte, daß ich lauter so schöne Briefe zu lesen bekomme! Bravo mein liebes liebes Bauxerl! [...]
... doch sie durchschaut ihn:
Nachmittag ¾ 2 Uhr 5. 10. 99
Liebster Richard!
Heute früh Deinen lieben Brief vom 3.ds. höchlichst erfreut und erstaunt über Deine Elogen betreff meinen Stil; oh Du Schlaumeier, jetzt willst Du mir schmeicheln, um mich in gehobene Laune zu versetzen; ich wüßte nämlich nicht, was ich so besonderes geschrieben hätte. [...]
Am Beginn des folgenden Briefes geriert sich der 37-Jährige ganz als Zukunftsmusiker und Festspiel-Bedürftiger à la Richard Wagner – dann wieder ist er ganz der Privatmann, dem Pauline in ihrem vorangegangenen Brief »Kleiderluxus« vorgeworfen hat.
Prag, 8. Oktober 1901
Also heut, geliebtes Pauxerl, war die erste [»Guntram«-] Probe: von 10 bis 15.30!
Eigentlich war’s fürchterlich: aber in Anbetracht der hiesigen Mittel und daß das tolle Werk eigentlich, wie ich immer mehr einsehe, an einem Normaltheater wegen seiner blödsinnigen, hirnverbrannten Schwierigkeiten absolut unmöglich ist – wars beinahe ein Wunder! Guntram ging eigentlich nur an einem Festspielhaus mit hundert Mann Orchester und dann erst in 50 Jahren, denn vorher ist das Musikohr dafür noch nicht reif. [...]
Schade, daß Du nicht da bist – an solchen Schlachttagen bräuchte man mehr als je tröstlichen Zuspruch, da man den anderen Leuten gegenüber doch immer mehr oder minder Komödie der Gutmütigkeit spielen muß.
Daß ich Kleiderluxus treibe, finde ich großartig, ich der alles trägt bis die Fetzen herunter hängen, der sich mit seinen geflickten Hosen vor der Hausdienerin im Hotel geniert, der bis jetzt lauter Kleider (Frack, schwarzer Rock etc.) von München her noch getragen hat. Jetzt endlich ging’s gar nicht mehr: na wir wollen einmal unsere beiderseitigen Kleiderrechnungen in den letzten drei Jahren vergleichen! Ich würde Dir raten, lieber nicht!
Schluß für heute! Tausend Grüße und Küsse – wärst Du doch hier – Dir und Bubi, Grüße an die Eltern
Dein R.
Wenig später bricht wieder der Streit um den spätsommerlichen Aufenthaltsort Paulines los (Berlin oder Marquartstein?), den er mit demonstrativem Selbstmitleid und rüden Tönen führt. Doch auch Pauline zeigt eine erstaunliche Vehemenz, sie gibt dem Genie – um es mit einem Ausdruck aus dem Skat zu formulieren – »Kontra«.
Charlottenburg, 21. September 1901
Liebe Paula!
Ihr tut Euch ja recht leid; also bis in den Oktober wollt Ihr [in Marquartstein] bleiben? Das sind ja schöne Aussichten, und ich? Von der Schwiegermutter aus Marquartstein rausgeschmissen, von Weib und Kind verlassen, an mich denkt natürlich niemand. [...] Ich habe diese ganze Quängelei so dick satt, wie ich es Dir gar nicht sagen kann! Wir können ja auch in Berlin bleiben und im Grunewald spazieren gehen!
Der Teufel hol die ganze ekelhafte Wirtschaft! Also ich bitte mir aus, daß Ihr nächsten Donnerstag zu Hause seid – nicht länger mehr die armen geplagten Schwiegereltern abfresst, Handtücher abnützt, Bettwäsche ruiniert etc.
Hier ist’s auch hübsch, Bubi wird sich im zoologischen Garten noch sehr gut amüsieren, man kann heute auf dem Balkon sitzen – kurz und gut: es ist genug und definitiv Schluss für alle Zeiten. Mir ist nunmehr die Geduld gerissen! Das Haus ist nicht feucht! Nein! Bitte befühl mal die Wände auf der Nordseite.
... liebes Kind, hab ein Einsehen und komme bald. Brauchst Du noch Geld? Soll ich Dir noch 100 Mark oder mehr schicken? Lebe wohl für heute und denk auch ab und zu mal an die Wünsche Deines Dich herzlich grüssenden Mannes. Bin sowieso mißvergnügt, weil mir nichts einfällt: nun auch noch der ganze Verwandtentratsch!
R!
Marquartstein, 12. Okt. 01
Lieber Richard!
Soeben Deine Karte vom Freitag. – Ich möchte wissen, warum ich und das Kind die ganze Zeit in Berlin sitzen sollten, wo Du immer unterwegs sein mußt. Ich bin froh und dankbar und vergnügt, daß ich hier so gut sein kann und Du mißgönnst es einem. Daß Du ein Egoist bist, hast Du nicht gestohlen, ich bin nun auch so geworden und befinde