Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac


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das Wort ›Ha­sel­nuß‹ fal­len las­sen, dar­in ist al­les ent­hal­ten. Das Nuß­öl ist das ein­zi­ge, das eine Wir­kung auf das Haar aus­übt, dar­an hat noch kein Par­fü­me­rie­haus ge­dacht. Beim An­blick des Sti­ches von Hero und Le­an­der habe ich mir ge­sagt: Wenn die Al­ten so­viel Öl für ihr Haar ver­brauch­ten, so muß­ten sie ir­gend­ei­nen Grund da­für ha­ben, denn die Al­ten blei­ben die Al­ten, trotz al­ler mo­der­nen Prä­ten­tio­nen, dar­in stim­me ich Boi­le­aus An­sicht über die Al­ten bei. Hier­von bin ich aus­ge­gan­gen und auf das Nuß­öl ge­kom­men, dank dem klei­nen Bian­chon, dem Stu­den­ten der Me­di­zin, dei­nem Ver­wand­ten; der hat mir er­zählt, daß sei­ne Schul­ka­me­ra­den Nuß­öl ge­brauch­ten, um ih­ren Bart schnel­ler wach­sen zu las­sen. Es fehlt uns nur noch die Be­stä­ti­gung des be­rühm­ten Herrn Vau­que­lin. Wenn er uns die Sa­che klar ge­macht hat, wer­den wir auch das Pub­li­kum nicht be­trü­gen. Ich war eben in der Markt­hal­le bei ei­ner Nuß­händ­le­rin, um erst mal das Grund­ma­te­ri­al zu ha­ben; und jetzt wer­de ich gleich vor ei­nem der größ­ten Ge­lehr­ten Frank­reichs ste­hen und von ihm er­fah­ren, wie wir die Quint­es­senz dar­aus zie­hen. Die Sprich­wör­ter sind nicht so tö­richt, die Ge­gen­sät­ze be­rüh­ren sich wirk­lich. Siehst du, mein Jun­ge, der Han­del ist das Bin­de­glied zwi­schen den ve­ge­ta­bi­li­schen Er­zeug­nis­sen und der Wis­sen­schaft. An­ge­li­ka Ma­dou sam­melt die Früch­te, Herr Vau­que­lin zeigt, wie man den Ex­trakt dar­aus macht, und wir ver­kau­fen dann eine Es­senz. Die Nüs­se kos­ten fünf Sous das Pfund, Herr Vau­que­lin wird ih­ren Wert ver­hun­dert­fa­chen und wir leis­ten viel­leicht der Mensch­heit einen Dienst, denn da die Ei­tel­keit den Men­schen große Qual be­rei­tet, ist ein gu­tes Kos­me­ti­kum eine Wohl­tat.«

      Die an­däch­ti­ge Be­wun­de­rung, mit der Po­pi­not dem Va­ter Cäsa­ri­nes zu­hör­te, sta­chel­te Bi­rot­te­aus Be­red­sam­keit noch mehr an, der sich in den wil­des­ten Phra­sen, die ein Bour­geois er­den­ken kann, er­ging.

      »Sei recht ehr­er­bie­tig, An­selm,« sag­te er, als sie in die Stra­ße ein­bo­gen, in der Vau­que­lin wohn­te, »wir wer­den gleich in das Hei­lig­tum der Wis­sen­schaft ein­tre­ten. Stel­le das Bild so, daß man es sieht, aber nicht zu auf­fäl­lig, auf einen Stuhl im Eß­zim­mer. Wenn ich nur nicht bei dem, was ich zu sa­gen habe, den Fa­den ver­lie­re«, rief Bi­rot­teau naiv aus. »Die­ser Mann, Po­pi­not, wirkt auf mich wie ein Che­mi­ka­le, der Ton sei­ner Stim­me ver­ur­sacht mir eine in­ne­re Hit­ze und be­wirkt so­gar eine leich­te Ko­lik bei mir. Er ist mein Wohl­tä­ter, und in we­ni­gen Au­gen­bli­cken wird er auch der dei­ni­ge sein, An­selm.«

      Die­se Wor­te lie­ßen Po­pi­not er­schau­ern, der wie auf Ei­ern ging und mit un­ru­hi­ger Mie­ne die Mau­ern an­starr­te. Herr Vau­que­lin war in sei­nem Ar­beits­zim­mer, als man Bi­rot­teau an­mel­de­te. Der Aka­de­mi­ker, der den Par­füm­händ­ler als Bei­ge­ord­ne­ten und sehr in Gunst ste­hen­den Mann kann­te, nahm den Be­such an.

      »Sie ha­ben mich also doch nicht ver­ges­sen, ob­wohl Sie ein großer Mann ge­wor­den sind?« sag­te der Ge­lehr­te, »aber vom Che­mi­ker zum Par­füm­fa­bri­kan­ten ist ja nur ein Schritt.«

      »Ach, ver­ehr­ter Herr, zwi­schen ei­nem Ge­nie wie Sie und ei­nem sim­plen Mann wie ich liegt ein un­end­li­cher Zwi­schen­raum. Was Sie mein Groß­sein nen­nen, das habe ich ja Ih­nen zu ver­dan­ken, und das wer­de ich we­der in die­ser noch in je­ner Welt ver­ges­sen.«

      »Oh, in je­ner sind wir ja, wie es heißt, alle gleich, die Kö­ni­ge und die Schuh­fli­cker.«

      »Das heißt, wenn die Kö­ni­ge und die Schuh­fli­cker from­me Men­schen ge­we­sen sind«, sag­te Bi­rot­teau.

      »Ist das Ihr Sohn?« sag­te Vau­que­lin und be­trach­te­te den klei­nen Po­pi­not, der ver­blüfft war, daß er in dem Ar­beits­zim­mer, wo er Un­ge­heu­er­lich­kei­ten, rie­si­ge Ma­schi­nen, flüch­ti­ge Me­tal­le, be­leb­te Stof­fe, zu fin­den ge­glaubt hat­te, gar nichts Un­ge­wöhn­li­ches sah.

      »Nein, Herr Vau­que­lin, aber ein jun­ger Mensch, den ich lieb habe und der sich an Ihre Güte, die Ihrem Ge­nie gleich­kommt, wen­det; und ist die nicht un­be­grenzt?« sag­te er mit schlau­er Mie­ne. »Wir kom­men, um ein zwei­tes Mal Ihren Rat zu er­bit­ten, nach ei­nem Zwi­schen­raum von sech­zehn Jah­ren, und zwar in be­zug auf einen wich­ti­gen Ge­gen­stand, über den ich so un­wis­send bin wie ein Par­füm­händ­ler.«

      »Und wel­cher ist das?«

      »Ich weiß, daß die Haar­un­ter­su­chun­gen Ihre Näch­te in An­spruch neh­men und daß Sie mit der Ana­ly­se der Haa­re be­schäf­tigt sind; aber wäh­rend Sie sich da­mit um Ihres Ruh­mes wil­len be­fas­sen, be­fas­se ich mich da­mit des Ge­schäfts we­gen.«

      »Also, mein ver­ehr­ter Herr Bi­rot­teau, was wün­schen Sie von mir? Eine Ana­ly­se des Haars?« Er griff nach ei­nem klei­nen Stück Pa­pier. »Ich wer­de in der Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten über die­sen Ge­gen­stand einen Vor­trag hal­ten. Das Haar be­steht aus ei­ner ziem­lich großen Quan­ti­tät Schleim, ei­nem klei­nen Quan­tum wei­ßen Öls, ei­ner großen Men­ge schwarz­grü­nen Öls, Ei­sen, ei­ni­gen Spu­ren Man­gan­säu­re, phos­phor­sau­rem Kalk, ei­nem ganz klei­nen Quan­tum koh­lensau­ren Kal­kes, Kie­sel­er­de und viel Schwe­fel. Die ver­schie­de­nen Ver­hält­nis­se, in de­nen die­se Stof­fe zu­ein­an­der ste­hen, be­din­gen die Far­be der Haa­re. So ent­hal­ten die ro­ten viel mehr schwarz­grü­nes Öl als die an­dern.«

      Cäsar und Po­pi­not mach­ten so große Au­gen, daß sie zum La­chen reiz­ten.

      »Neun Be­stand­tei­le«, rief Bi­rot­teau aus. »Wie? In ei­nem Haa­re ste­cken Me­tal­le und Öle? Wenn Sie, ein Mann, den ich so hoch ver­eh­re, mir das nicht sag­ten, wür­de ich es nicht glau­ben. Das ist ja au­ßer­ge­wöhn­lich! Gott ist groß, Herr Vau­que­lin.«

      »Das Haar ist das Pro­dukt ei­nes balg­ar­ti­gen Or­gans,« fuhr der große Che­mi­ker fort, »eine Art an bei­den En­den of­fe­ner Ta­sche; an dem einen Ende hängt sie mit den Ner­ven und den Ge­fäßen zu­sam­men, aus dem an­dern sprießt das Haar her­vor. Nach der An­sicht ei­ni­ger mei­ner ge­lehr­ten Kol­le­gen, un­ter ih­nen Herr von Blain­ville, ist das Haar ein von die­ser Ta­sche oder Gruft ab­ge­sto­ße­ner to­ter Teil, den eine breii­ge Ma­te­rie aus­füllt.«

      »So, wie wenn Schweiß in ei­nem Stock wäre«, rief Po­pi­not aus. Der Par­füm­händ­ler gab ihm einen leich­ten Tritt auf die Ha­cke.

      Vau­que­lin muß­te über Po­pi­nots Ver­gleich lä­cheln. »Er ist nicht un­be­gabt, nicht wahr?« sag­te Cäsar und blick­te Po­pi­not an. »Aber ver­ehr­ter Herr, wenn das Haar ein tot­ge­bor­nes Ding ist, dann kann man es doch nicht wie­der le­ben­dig ma­chen und dann sind wir ver­lo­ren! Mein Pro­spekt ist dann Un­sinn; Sie ah­nen nicht, wie merk­wür­dig das Pub­li­kum ist, man kann nicht kom­men und ihm sa­gen …« »Daß es Mist auf dem Kop­fe hat«, sag­te Po­pi­not, der Vau­que­lin noch ein­mal zum La­chen brin­gen woll­te.

      »Luf­ti­ge Ka­ta­kom­ben«, ant­wor­te­te ihm der Che­mi­ker, der auf den Scherz ein­ging.

      »Und die Nüs­se, die ich schon ge­kauft habe!« klag­te Bi­rot­teau, der an sei­nen ge­schäft­li­chen Ver­lust dach­te. »Aber wes­halb ver­kauft man denn …«

      »Be­ru­hi­gen Sie sich,« sag­te Vau­que­lin lä­chelnd, »ich sehe, es han­delt sich hier um ir­gend­ein ge­hei­mes Re­zept, das Aus­fal­len


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