Die unvollendete Geliebte. Elisabeth-Joe Harriet
Читать онлайн книгу.Elisabeth-Joe Harriet
Die unvollendete Geliebte
ELISABETH-JOE HARRIET
Die
unvollendete
Geliebte
OLGA WAISSNIX &
ARTHUR SCHNITZLER
Mit 23 Abbildungen
Amalthea
»Nie red ich mit einem Frauenzimmer so gescheidt wie mit der.«
»Am ungetrübtesten finde ich mein Wesen immer noch in meinen Briefen an Olga wieder, gewissermaßen auch in den ihren.«
Arthur Schnitzler über Olga Waissnix
Besuchen Sie uns im Internet unter: www.amalthea.at
© 2015 by Amalthea Signum Verlag, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Elisabeth Pirker, OFFBEAT
Umschlagabbildungen: Porträt Arthur Schnitzler (vorne)
© IMAGNO/Austrian Archives, Porträt Olga Waissnix (vorne)
und Briefe (hinten) aus: »Liebe, die starb vor der Zeit.
Ein Briefwechsel«. Wien u. a. 1970
Herstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH,
Heimstetten
ISBN 978-3-85002-907-0
eISBN 978-3-902998-68-2
Vorwort
Im Sommer 2013 begann ich mich mit Olga Waissnix erstmals intensiv auseinanderzusetzen, als ich sie in meinem Kammerstück am Thalhof in Reichenau, dem Originalschauplatz, darstellte. Das Interesse des Publikums an dieser im Zusammenhang mit Arthur Schnitzler bekannten, aber den Menschen ansonsten wenig vertrauten Person war äußerst groß, weswegen ich mich entschied, eine Biografie über Olga Waissnix zu verfassen.
Olga Waissnix verzauberte ihre Umwelt nicht nur durch ihre Schönheit, ihre Eleganz und ihren Charme. Sie war für eine Dame des 19. Jahrhunderts äußerst gebildet, belesen, eloquent, tiefsinnig und klug. Diese besondere Mischung hatte vor Arthur Schnitzler bereits Peter Altenberg in ihren Bann gezogen.
Den Lebensweg dieser Frau in den Mittelpunkt zu stellen und sie aus dem Schatten Schnitzlers herauszuheben, ist allein deswegen unerlässlich, weil es ohne Olga Waissnix diesen heute so berühmten Schriftsteller und Dramatiker nicht gäbe. Sie war es, die an sein Talent geglaubt, ihm jedes Mal Rückhalt gegeben und Mut gemacht hat, wenn er an sich zweifelte und aufgeben wollte. Keiner anderen Frau in seinem Leben hat Schnitzler so vertraut und sein Innerstes offenbart wie ihr. Umgekehrt ist es Arthur Schnitzler zu verdanken, dass es überhaupt etwas von Olga Waissnix zu erzählen gibt. Hätte er nicht ihren gesamten Briefwechsel aufgehoben, ausführlich vom Beginn ihrer Liebe in seinen Erinnerungen Jugend in Wien erzählt und viele Tagebucheintragungen über sie gemacht, wäre sie eine leere Namenshülle geblieben. Der Eindruck, den diese Frau auf Schnitzler gemacht hat, war so groß, dass sie Vorbild so mancher Figur seiner Werke und zum Inhalt von Gedichten wurde.
Was Olga Waissnix und Arthur Schnitzler neben ihrer Beziehung verband, waren ihre Väter. Beide wurden 1835 in der k. k. Provinz geboren, kamen nach Wien, arbeiteten sich hoch, machten Karriere und wurden zu angesehenen Großbürgern. Für ihre Erstgeborenen waren diese Männer Überväter, denen zuliebe sowohl Olga als auch Arthur ein Leben führten, das sie nicht wollten. Arthur Schnitzler schaffte es, nach dem Tod seines
Vaters und mit Hilfe von Olga Waissnix, einen neuen Lebensweg einzuschlagen. Olga zerbrach an ihrem, ihrer Meinung nach, unerfüllten Leben, erkrankte und starb einen Tag nach ihrem 35. Geburtstag.
Die Lebensgeschichte der Olga Waissnix, die Liebe und die sich entwickelnde Freundschaft zwischen ihr und Arthur Schnitzler sowie die Zeit, in der sie lebten und litten, ist Thema dieses Buches.
Am Anfang jedes Kapitels findet sich ein Zitat aus der Feder von Olga Waissnix.
Durch bisher unbekannte Dokumente wie die Geburtsmatrikel oder Sterbebescheinigung von Olga Waissnix können nun endlich Rückschlüsse auf ihre Herkunft, ihr Leben und Sterben gezogen werden.
Klosterneuburg, im Februar 2015
Die Familie Schneider
Kindheit und Jugend der Olga Waissnix
»Als Kinder werden schon alle natürlichen Regungen in uns erstickt, Convenienz, Etiquette, guter Ruf, das sind die Popanze, mit denen man uns immer schreckt.«
Vom niederösterreichischen Unterretzbach bei Retz, wo die Hauerfamilie Schneider einen Weinhandel betrieb, begab sich Anton Schneider des Öfteren nach Wien, um Gasthöfe und Wirtshäuser mit seinen Weinen zu beliefern. Begleitet wurde er dabei von seinem 1835 geborenen Sohn Ludwig, der in die Fußstapfen des Vaters treten und den Beruf des Weinhändlers erlernen sollte. Ludwig fühlte sich vom Leben und Treiben der pulsierenden Großstadt Wien mächtig angezogen und tat seinem Vater bald kund, dass er in Wien bleiben und dort sein Glück versuchen wolle. Einer der Kunden der Schneiders war der Wirt des Gasthauses »Zum Haidvogel« hinter der Peterskirche beim Graben, bei dem Ludwig wohnte, sich vom Piccolo zum Zahlkellner hocharbeitete, eisern sparte und sehr geschickt jede Gelegenheit nutzte, um Kontakte zu knüpfen. Er war das, was man heute einen grandiosen Netzwerker nennt. Sein Ziel war es, in einer vornehmen Gaststätte oder einem Hotel zu arbeiten. Als die Stelle eines Zahlkellners in den Restaurants des Gloggnitzer-Raaber Bahnhofs, des späteren Südbahn- und heute neuen Hauptbahnhofs, frei wurde, nahm er diese sofort an und schaffte es 1862, Pächter dieser Restaurantbetriebe zu werden.
Was dem geschäftstüchtigen Ludwig Schneider noch fehlte, war eine Frau an seiner Seite, die ihm die Küche führen konnte. Ein Jahr vorher hatte er die in einem Hotel in der Renngasse als Köchin arbeitende Franziska Schamberger kennen- und lieben gelernt. Auch sie stammte aus einer Weinhauerfamilie, in Bisamberg, war drei Jahre älter als Ludwig und fand großen Gefallen an dem ehrgeizigen Zahlkellner. Als sie ihm im Frühjahr 1862 gestand, dass sie schwanger sei, wurde am 29. April 1862 in der Peterskirche geheiratet. Ludwig Schneiders Trauzeuge war der Sohn des Wirts vom Gasthof »Zum Haidvogel«, mit dem er sich angefreundet hatte. Statt Flitterwochen harrte der beiden viel Arbeit, galt es doch, in das neben dem Südbahnhof gelegene Wohnhaus Südbahnhof Nr. 5 zu übersiedeln und die Restaurants zu übernehmen. Bereits sieben Monate später, am Montag, dem 3. November 1862, wurde ihre erste Tochter, Olga Cäcilie, geboren.
Was war das für eine Zeit, in die Olga Schneider geboren wurde? Ruhig ging es damals in Wien nicht zu, denn die Stadt war eine Riesenbaustelle und sollte endlich mit den Vororten zusammenwachsen. Am 25. Dezember 1857 gab die amtliche Wiener Zeitung die Stadterweiterungspläne von Kaiser Franz Joseph bekannt, im Zuge derer die Stadtmauer fallen und an deren Stelle eine Prachtstraße mit öffentlichen Gebäuden entstehen sollte. Den Burggarten, das Burgtor und den Volksgarten samt Theseus-Tempel gab es bereits, die Votivkirche befand sich zu diesem Zeitpunkt in Bau.
1858 verordnet Kaiser Franz Joseph weiters: »Jener Teil, der durch die Auflassung der Fortifikationen gewonnenen Areale und Glacisgründe, der nicht einer anderwertigen Bestimmung vorbehalten wird, ist als Baugrund zu verwenden und der daraus gewonnene Erlös hat zur Bildung eines Baufonds zu dienen, aus welchem die dem Staatsschatz erwachsenden Auslagen, insbesondere auch die Kosten der Herstellung der öffentlichen Gebäude, bestritten werden sollen.«
Die Baugründe entlang der geplanten Ringstraße waren horrend teuer und die Käufer verpflichtet, innerhalb eines Jahres mit dem Hausbau zu beginnen und ihn spätestens nach vier Jahren abzuschließen. Das Aussehen der neuen Gebäude musste dem repräsentativen Standort entsprechen. Bei diesen Auflagen samt den hohen Kosten ging der Verkauf der privaten Baugründe nur sehr schleppend voran, und die kaiserliche Verwaltung musste sich 1859 einen Anreiz für potenzielle Käufer einfallen lassen.