Seewölfe - Piraten der Weltmeere 669. Sean Beaufort

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 669 - Sean Beaufort


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aufgestiegen, weil er bis zum heutigen Tag das Vertrauen des Maharadschas nicht enttäuscht hatte.

      Aber die gewaltige Menge der edlen Metalle änderte nach und nach seine Einstellung. Der Maharadscha hatte auf seine Weise das Land ausgeplündert. Es war nur gerecht, wenn das Schiff der Fremden geplündert wurde. Und zwar von einem indischen Kapitän.

      Es war noch nicht lange her, daß die Fremden ihr Schiff vom Uferkai abgestoßen und Segel gesetzt hatten.

      Der nachdenkliche Blick des Schreibers ruhte auf den Flanken des Bava-Malang, dem Berg, der Bombay überragte. Die Nachmittagssonne lag auf dem riesigen, kantigen Felsmassiv, das aus der Masse der Baumwipfel herauswuchs wie eine Klippe aus dem Meer.

      „Ja. Bei allen Göttern“, sagte Allai entschlossen. „Ich werde es diesem Fürsten heimzahlen.“

      Er selbst – und je länger er über den Schatz nachdachte, desto deutlicher hörte er das Klingeln von Gold in seiner Hand – wollte seinen Teil an der Beute. Er nickte wieder, um sich selbst Mut zu machen. Dann ging er hinaus in den langen Korridor, der in kühlem Halbdunkel lag.

      Hinter den Haremsmauern kicherten die Frauen.

      Ein Wächter, der am oberen Ende der langen Treppe stand, nickte dem Schreiber zu und fragte: „Bist du etwa schon fertig mit den geheimen Schriften, Durzu?“

      „Ich muß in die Stadt. Die Arbeit läuft mir nicht davon. Man kann auch beim Licht der Lampen schreiben.“

      „Man kann sogar nachts arbeiten“, stimmte der Palastwächter zu und sah dem Schreiber nach, der mit klatschenden Sandalen und wehendem Hüfttuch die Stufen hinuntereilte.

      Durzu Allai huschte in den Schatten des Bogenganges, lief an der Wand aus flachen, verschiedenfarbigen Ziegeln entlang und unter die glänzenden, feuchten Blätter der Bäume.

      Einige Männer grüßten ihn unterwürfig. Er nickte ihnen zerstreut zu und hastete durch die glühende Hitze des Nachmittags. Auch der Schatten brachte keine Abkühlung. Bei jedem Schritt fielen Schweißtropfen von seiner Stirn.

      Die Wache am Tor erkannte ihn, grüßte und ließ ihn hinaus, ohne zu fragen. Als er den Schutz des Gartens verlassen hatte und über die staubige Straße ging, wurde die Hitze schier unerträglich, wie ihm schien. Er war die Schwüle nicht mehr gewohnt, seit er im Palast arbeitete und wohnte.

      Die breite Straße zwischen Palast und Hafengegend war, wie fast zu jeder Stunde des Tages, überfüllt. Durch das Gedränge trotteten Rinder mit weit ausladendem Gehörn. Affen sprangen auf einigen Dächern herum und schnatterten aufgeregt. Jeder Schritt wirbelte eine kleine Staubwolke auf. Aus den Hauseingängen und unter den Säulendächern wehte der Geruch heißen Öls und frischer Chapattis hervor.

      Karrenräder walzten mit lautem Knirschen über Stein und Kies. Von allen Seiten ertönte das Geschrei der Esel. Durzu Allai ging unter den Dächern an den Mauern entlang und versuchte, dem Menschenstrom zu entgehen. Hin und wieder erkannte ihn jemand, oder er grüßte einen Händler, sprach kurz mit Handwerkern, die für den Palast arbeiteten, trank einen Schluck Wasser von einem Wasserverkäufer.

      „Du hast es wieder eilig, Durzu!“ rief ihm der Koch nach, der mit seinen Gehilfen im Laden eines Gewürzhändlers stand.

      Allai erwiderte kurz: „Nicht immer, aber heute.“

      Durzu zwang sich, freundlich zurückzuwinken. Zu viele Gedanken rasten plötzlich durch seinen Kopf. Er merkte plötzlich, daß er sich – für jeden Einwohner Bombays deutlich zu sehen – auf einem gefährlichen Weg befand. Jeder würde sagen können, wohin er geeilt war.

      Schwitzend blieb er stehen und fühlte ein Zittern der Schwäche in den Knien. Er lehnte sich gegen eine gekalkte Mauer und richtete seinen Blick auf das Menschengewimmel des Platzes.

      „Du bist dumm, Durzu Allai“, murmelte er im Selbstgespräch. „Ausgerechnet der erste Geheimschreiber rennt durch die Stadt, wie von Dämonen gehetzt.“

      Er schaute nach dem Stand der Sonne. Noch vier Stunden bis zur kurzen Dämmerung.

      „Ich habe genug Zeit.“

      Er bog die Schultern zurück, wischte den Schweiß von der Stirn und ging langsam weiter, um den Platz herum bis zu den steinernen Bänken in der Nähe des Brunnens. Der kleine Junge, der im Schlamm neben dem Brunnen spielte, grinste den Schreiber an.

      Durzu wartete und versuchte, diesmal in aller Ruhe, sein Vorhaben noch einmal zu überdenken.

      Er dachte an den Zorn des Maharadschas, wenn er den Plan aufdeckte oder die Nachrichten eintrafen. Er versuchte sich vorzustellen, wie er selbst entwischte, wohin er flüchtete, und wo er sich verbergen konnte – mit einer unübersehbar großen Menge Silber und Gold, als einer der reichsten Männer des riesengroßen Landes.

      Schließlich, als ein Windstoß die schlimmste Hitze vertrieb und Staub in die Richtung des Hafens wirbelte, kaufte sich Durzu einen Brotfladen mit einer Füllung aus Fleisch und Gemüse, streute rotes Gewürz darüber und aß in aller Ruhe.

      Seine Gedanken waren nun klar. Er wartete ab, bis sich ein Fenster nach dem anderen erhellte, bis Fackeln und Öllampen entlang der Straße brannten. Dann ging er, während sich die Straßen leerten, auf Umwegen zum Hafen.

      Bombay war der wichtigste Seehafen der Westküste. Die Halbinsel, auf der sich die Stadt erhob, ragte weit ins Meer hinaus. Der Hafen lag an der östlichen Seite des Landvorsprunges.

      Abseits der Handelsschiffe, an einem Nebensteg, erkannte Durzu den hohen Mast und den zweiten, kürzeren einer Dhau. Zwei trübselige Funzeln brannten und beleuchteten kleine Teile des dunklen Decks. Im Halbschatten lagen einige halbnackte Männer auf ihren Decken und schienen zu schlafen.

      Vorsichtig tastete sich Allai über den Steg und hörte an den Pfählen und an der Bordwand der Dhau das Wasser gluckern und plätschern. Der Gezeitenstrom hatte seine Richtung geändert und lief wieder auf. Es stank nach fauligem Wasser, nach den treibenden Abfällen und aus dem Rumpf der Dhau.

      Über dem Ruder bemerkte der Geheimschreiber den geschnitzten Ochsenschädel mit den geschwungenen Hörnern.

      Vor fünf Jahren noch waren Teile des Schnitzwerks vergoldet gewesen. Frische Farben hatten gestrahlt und dem halb plastischen Kopf ein wütendes, böses Aussehen verliehen. Aus dem Ochsenmaul wuchsen gekrümmte Dämonenzähne. Aber die Blicke, die einst Blitze geschleudert hatten, waren stumpf und grau. Nicht anders als der Rest des Schiffes.

      „Narfo?“ fragte Durzu halblaut.

      Achtern bewegte sich einer der Schläfer und richtete sich auf. Seine Augen spähten über das Schanzkleid.

      „Was willst du, prächtiger Fremdling?“ fragte eine heisere Stimme ärgerlich zurück.

      Durzu schob sich weiter in den Bereich des Lichtes und versuchte, in dem Gesicht des Mannes mehr zu sehen als dunkle Haut, das Weiße der Augen und die Lücken in den Zahnreihen.

      „Bist du Narfo, der ‚Böse Büffel‘? Dann wirst du mich kennen“, erwiderte Allai ärgerlich.

      „Tatsächlich“, sagte Narfo mit seiner heiseren Stimme. „Der große Mann aus dem Palast. Der Schreiber. Du willst meine Männer und mich zu einem Gastmahl einladen, wie?“ Unverhüllter Sarkasmus klang aus den Worten des Kapitäns.

      Allai langte nach dem Schanzkleid und entgegnete ruhig: „Du hast keine Rupie mehr, nicht wahr?“

      „So schlimm war’s schon lange nicht mehr“, knurrte der Kapitän. „Keine Beute, keine Fracht, nicht mal die Hoffnung auf eine schöne kleine Räuberei.“

      „Wirklich? Hunger? Durst?“

      Allai kannte den Kapitän der „Böser Büffel“ gut genug, um seine Niedergeschlagenheit verstehen zu können. Sie nannten ihn Narfo, Böser Büffel oder einfach nur Büffel. Auch für den Maharadscha war er schon gesegelt, aber es war für ihn und seine Mannschaft wohl wirklich eine schlechte Zeit. Die Dhau roch regelrecht nach Untätigkeit, nach faulendem Dreck in der Bilge.

      Allai


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