LEICHENSCHMAUS. Christina Unger

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LEICHENSCHMAUS - Christina Unger


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Frau Burkhardt zurückkam, stellte sie den Einkaufswagen im Vorzimmer ab und ging Gertrud ins Wohnzimmer voran: »Ich bringe nur schnell den Mantel ins Badezimmer«, sagte sie. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Tee oder Kaffee?«

      Gertrud überlegte. »Tee, aber nur, wenn ich keine Umstände mache.«

      Während Frau Burkhardt enteilte, ließ Gertrud Klampfl ihre flinken Augen über die gediegene Einrichtung wandern – alles nur vom Feinsten. Kunstdrucke dekorierten die Wände, ein flauschiger Teppich zierte einen teuren Parkettboden, auf dem eine große Sitzlandschaft stand. Über einem Esstisch mit acht Stühlen hing ein schwarzweißes Gemälde von Wien, das mindestens zwei Meter lang und eineinhalb Meter hoch war. Erstaunt stellte Gertrud fest, dass darauf die Leute noch in Pferdekutschen fuhren. Vor dem Panoramafenster an der gegenüberliegenden Seite des Raums stand eine Zimmerlinde in Hydrokultur, und von da, wo Gertrud stand, blickte sie in eine ultramoderne Küche. Eine schwungvolle Wendeltreppe aus hellem Holz führte in den ersten Stock, wo sicherlich die Schlafzimmer lagen.

      Gertrud zog die Mundwinkel herab. Sie dachte an ihre Einzimmerwohnung mit Kochnische und einem Bad, so winzig, dass sie sich aufs Klo setzen musste, wenn sie duschen wollte – und das für vierhundertneunzig Euro im Monat! Von ihrer Rente blieben ihr genau vierhundertsiebzig Euro zum Überleben.

      Ihre trüben Gedanken wurden von der Hausherrin unterbrochen, die ins Wohnzimmer trat, um nach ihr zu sehen. »Bitte nehmen Sie Platz! Das Teewasser muss gleich heiß sein. Ich bin sofort wieder zurück und dann plaudern wir ein wenig, ja?«

      Gertruds Blick kreiste weiter durch das Zimmer. In der Wohnlandschaft kam sie sich irgendwie verloren vor, außerdem fürchtete sie, den hellen Stoff der Couch schmutzig zu machen. Also hockte sie sich auf einen Sessel am äußersten Ende des Esstischs.

      Mit einem Tablett, auf dem ein schneeweißes Teeservice aus feinstem Porzellan stand, kehrte Frau Burkhardt ins Wohnzimmer zurück. »Wollen Sie es sich nicht auf der Couch bequem machen?«, fragte sie und blieb unschlüssig in der Mitte des Raums stehen. »Dort ist es doch viel gemütlicher.«

      Gertrud erhob sich nur zögernd, denn die geschmackvolle Eleganz in diesem Haus erschlug sie fast.

      Frau Burkhardt stellte das Tablett auf dem Couchtisch ab und füllte Tee in die Tassen. Gertrud Klampfl ließ sich so vorsichtig auf dem Rand der Couch nieder, dass ihr halber Hintern in der Luft schwebte. Mit Kennerblick registrierte sie sofort, dass die Kekse in dem Schüsselchen keineswegs selbstgemacht, sondern teuer eingekauft waren. Draußen zuckte ein Blitz über den Himmel und für einen Augenblick begann das Licht im Haus zu flackern.

      »Sehr schön haben Sie es hier«, sagte Gertrud schließlich bewundernd.

      Frau Burkhardt senkte bescheiden den Kopf. »Es macht uns auch viel Freude hier zu wohnen. Ursprünglich kommen wir ja aus Wien, das Haus haben wir vor zwölf Jahren gekauft und seitdem muss mein Mann jeden Tag nach Wien pendeln. Er ist Historiker im Wiener Stadt- und Landesarchiv.«

      Gertrud lauschte ehrfürchtig. »Sind Sie auch berufstätig?«, fragte sie.

      »Ich arbeite in Mödling für einen Geschichtsverlag. Mein Mann und ich haben uns ja schon mit achtzehn beziehungsweise zwanzig während des Geschichtsstudiums kennengelernt.« Und lachend fügte sie hinzu: »Das war’s dann. Seitdem waren wir keinen Tag getrennt.«

      Gertrud nickte feierlich. »Liebe auf den ersten Blick!«

      Frau Burkhardt wurde ein wenig verlegen. Sie wusste, dass ihr eigenes Glück von anderen nicht immer neidlos aufgenommen wurde.

      Gertrud Klampfl beobachtete sie neugierig. Sie war eine wirklich attraktive Erscheinung. Langbeinig und von schlanker Gestalt, mit schmalen Hüften, straffem Busen und kornblumenblauen Augen.

      »Schön, wenn die Liebe so einschlägt zwischen Mann und Frau«, seufzte sie ein wenig säuerlich. »Mir war das leider nicht vergönnt.«

      »Das tut mir leid. Leben Sie allein?«

      »Ja. In dem heruntergekommenen Mietshaus am Ende der Straße. Dort hab ich eine Vierzig-Quadratmeter-Wohnung für vierhundertneunzig Euro im Monat.«

      »Das ist unverschämt teuer«, rief Frau Burkhardt und fühlte sich unbehaglich, weil sie selbst in einem schönen Haus leben durfte.

      »Ich bin ja schon in der Rente«, berichtete Gertrud offenherzig, »und bekomm grad mal neunhundertsechzig Euro im Monat, obwohl ich fünfunddreißig Jahre geschuftet hab.«

      Frau Burkhardt blickte ihr Gegenüber betreten an und suchte nach den passenden Worten.

      »Aber vor kurzem hab ich beschlossen, mir eine Nebenbeschäftigung zu suchen. Ab sechzig darf man das ja, ohne dass einem diese Halsabschneider von Politiker auch noch die Rente kürzen. Jetzt such ich eine Stelle, wo ich wenigstens für ein paar Stunden in der Woche arbeiten darf und mir nebenher was dazuverdiene. Alles andere ist ja kein Leben!«

      Frau Burkhardt durchzuckte ein plötzlicher Gedanke. Seit Jahren schon hatte sie versucht, eine Haushaltshilfe zu finden. Bisher aber waren die Vorstelligen nicht vertrauenswürdig genug gewesen oder so schlampig, dass sie sie wieder wegschicken musste. Mit dem großen Haus, zwei Kindern und ihrer Verlagsarbeit fühlte sie sich schon seit längerem überlastet. Warum also nicht Frau Klampfl eine Chance geben? Sie schien eine ordentliche Person zu sein und wohnte nur wenige hundert Meter entfernt. Eigentlich ideal.

      »Hm«, begann sie, »ich suche seit längerem eine nette Frau, die mir beim Saubermachen hilft. Ich meine, wenn Ihnen diese Arbeit nicht zu …« Sie suchte nach den richtigen Worten, schließlich wollte sie Frau Klampfl nicht beleidigen. Vielleicht war Putzen und dergleichen niedere Tätigkeiten ja nicht das, was sie sich vorgestellt hatte. Aber ihre Sorge schien unbegründet. Frau Klampfl war Feuer und Flamme.

      »Damit würden Sie mir eine große Freude machen!«, rief sie. »Ich versichere Ihnen, dass ich eine ehrliche und reinliche Person bin.«

      »Und Sie finden putzen und so was in der Art nicht zu … zu gewöhnlich? Ich meine …«

      »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen! Ich putze richtig gern. In meiner kleinen Wohnung gibt‘s eh nix zu tun.«

      Frau Burkhardt lächelte erfreut. »Tja, wenn Sie das so sehen …«

      »Ich kann Ihnen auch beim Kochen behilflich sein. Ich hab früher als Köchin bei der Caritas gearbeitet. Ich wasche und ich bügle. Putz nix die Fenster, gibt’s bei mir nicht! Ich mach alles.«

      Frau Burkhardt erschrak fast ein wenig über diesen Enthusiasmus. »Wenn Sie zehn Stunden in der Woche kommen für zehn Euro die Stunde, wäre das für Sie akzeptabel?« Sie sah ihr Gegenüber unsicher an, aber mehr konnte sie sich schlicht nicht leisten.

      »Sie würden mich zum glücklichsten Menschen machen!«, rief Gertrud. »Ich kann Ihnen versprechen, dass Sie zufrieden sein werden.«

      Frau Burkhardt streckte Gertrud spontan die Hand hin. »Ich heiße Carla«, lächelte sie.

      Gertruds Finger umklammerten die dargebotene Hand. »Und ich bin die Gertrud«, erwiderte sie dankbar.

      Gertrud Klampfl schöpft Argwohn

      Aus dem Vorzimmer drangen polternde Geräusche herein, dann betrat ein Mädchen das Wohnzimmer. »Hi, Mami!«

      Beim Anblick von Frau Burkhardts Tochter zuckte Gertrud Klampfl zusammen. Klatschnasse blauschwarz gefärbte Haare, auf Vampir geschminkte Augen und viel Metall im Gesicht. Über die tätowierten Handgelenke tropfte Regenwasser direkt auf den schönen Teppich, und Gertrud musste gegen das akut auftretende Bedürfnis ankämpfen, augenblicklich aufzustehen und den Teppich trockenzuwischen. Nur mit eisernem Willen krallte sie sich an der Couch fest.

      »Stefanie«, sagte Carla Burkhardt mit leiser und sanfter Stimme, denn jetzt musste sie ihrer Tochter die traurige Nachricht vom Tod ihres Katers beibringen. »Das ist Frau Gertrud.«

      »Hi!«, sagte Stefanie.

      »Frau Gertrud wird


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