Astrologie. 100 Seiten. Karl-Heinz Göttert

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Kultur, in die auch »östliche« Lehren einflossen. Damit traf Astronomie auf Astrologie, wobei es durchaus zur Abwehr kam – in Rom wurden 139 v. Chr. die Astrologie treibenden »Chaldäer«, womit die Babylonier gemeint waren, ausgewiesen. Weil in Rom jedoch immer schon die Zukunft an Zeichen abgelesen wurde, bei der Leberschau wie im Hinblick auf die Deutung des Vogelflugs, wurde irgendwann auch die Zeichenwelt des Ostens attraktiv und begierig aufgenommen. Plinius der Ältere berichtet in der frühen Kaiserzeit, also im 1. Jahrhundert n. Chr., von einer entsprechenden Mode, die er scharf ablehnte. Schon Cicero, der erfolglose Verteidiger der alten Republik gegen Caesar, schrieb ein kleines Buch Über die Wahrsagung im Allgemeinen, bei der auch die astrologische Form im Besonderen eine Rolle spielt – und verurteilt sie.

      Cicero argumentiert dabei als Intellektueller, der sich für den Staat verantwortlich sieht, und stellt die Frage, ob die Wahrsagerei eigentlich rational sei oder ob das Weltreich Rom allmählich dem »Aberglauben alter Weiber« verfalle.

      Für die Wahrsagerei spricht: Es gibt erstens zahlreiche Fälle von Prophezeiungen, die sich erfüllt haben. Es liegt zweitens nahe, dass sich die Götter um die Welt, die sie geschaffen haben, auch kümmern und die Menschen mit »Zeichen« versorgen. Weiter: In der Medizin urteilt man ebenfalls aufgrund von »Zeichen« wie etwa dem geröteten Gesicht bei Fieber. Auch jeder Seefahrer schaut nach dem Himmel, um in den Wolken ein sich ankündigendes Gewitter auszumachen.

      Gegen die Wahrsagerei spricht: Zeichen am Körper entwickeln sich nicht per Zufall, und auch das Aufkommen eines Sturms folgt »natürlichen« Gründen. Wahrsagung aber stützt sich immer auf »zufällige« Zeichen, die sich in der Regel bloßer Analogie verdanken. Witzig fragt Cicero, ob man sich Sorgen um den Staat machen müsse, wenn Mäuse in der Bibliothek ein Exemplar von Platons Staat angeknabbert hätten. Genauso zufällig aber erscheint ihm die Geburt von Menschen unter Sternbildern und Planeten. Und überhaupt: Wieso sollen unendlich weit entfernte Himmelskörper ein Leben prägen können? Wieso sollen die gleichzeitig Geborenen ein gleiches Geschick haben, wo doch an jedem Ort der Erde die Sterne samt ihren Aspekten anders erscheinen? Das Ganze endet im Stoßseufzer: »Welch unglaublicher Wahnsinn!«

      Diese und weitere Kritik wie etwa die sehr einschlägige von Aulus Gellius in den Attischen Nächten im 2. Jahrhundert n. Chr. hätte es jedoch nicht gegeben, wenn die Astrologie nicht überall verbreitet gewesen wäre. Erste Bücher fassten die Lehren zusammen, zum Beispiel die Astronomica von Marcus Manilius zur Zeit von Kaiser Augustus. Längst hatten die philosophischen Schulen das Thema aufgegriffen. In der auf Platon zurückgehenden Akademie (der Cicero angehörte) war man skeptisch eingestellt, in der konkurrierenden Stoa dagegen feierte man die Ordnung im Kosmos als Grund einer Lehre von der Sympathie auch unter den Menschen – mit begeistertem Zuspruch zur Astrologie, deren Lehre geradezu als Beweis dafür galt, dass es Götter gibt. Es bedurfte lediglich einer Persönlichkeit, die die Astrologie nicht nur mit ihren Verfahren darstellte, sondern diese Verfahren überzeugend begründete. Diese Persönlichkeit kam mit Claudius Ptolemäus, der im 2. Jahrhundert n. Chr. in Alexandria, immer noch einem Epizentrum des Hellenismus, lehrte.

      Claudius Ptolemäus. Neuzeitliches Idealporträt

      Eine philosophische Begründung der Astrologie

      Man kennt Ptolemäus heute in erster Linie als den Begründer des »ptolemäischen« Weltbildes: der Lehre von der Mittelpunktstellung der Erde im Kosmos. Und man weiß natürlich, dass diese Lehre falsch war – wusste es in Einzelfällen auch schon damals. Ptolemäus’ Zeitgenosse Aristarch nämlich hatte eindrucksvoll begründet, dass nicht die Erde, sondern die Sonne im Zentrum steht – und handelte sich damit eine Anklage wegen Gottlosigkeit ein. Damit war das Problem für mehr als 1000 Jahre erledigt, bis zu Kopernikus und dessen Begründung des bis heute gültigen »kopernikanischen« Weltbildes, das bekanntlich ebenfalls die Autoritäten alarmierte: in diesem Fall die Kirche, die Probleme mit der Bibel sah.

      Aber zurück zu Ptolemäus. Dieser Gelehrte war in erster Linie Mathematiker, hatte seine astronomische Theorie entsprechend auf Mathematik gebaut: in seinem Werk Almagest. Es fußt auf der Kugelgestalt der Erde (im Gegensatz zur älteren Scheibentheorie) in einem kugelförmigen Kosmos, wie es schon Aristoteles beschrieben hatte. Danach bewegten sich die Sterne gewissermaßen auf konzentrischen kristallinen Schalen, waren an sie »angeheftet«. Um die Erde waren dies zunächst die »inneren Planeten« Mond, Merkur und Venus, es folgte die Sonne in der Mitte, danach die »äußeren Planeten« Mars, Jupiter, Saturn. Ganz außen gab es eine letzte Schale mit den Sternen, die sich in Sternbildern zusammenfassen ließen.

      Das ptolemäische System mit der Erde im Zentrum

      Das eigentliche Problem bei diesem Modell stellten die Planeten dar. Sie umrunden die Erde aufgrund ihrer unterschiedlichen Entfernung in unterschiedlicher Zeit. Der Mond benötigt ungefähr 28 Tage, die Sonne ein Jahr, Saturn als der letzte Planet ca. 29 Jahre. Aber das war nicht das einzige Problem. Die inneren Planeten umkreisen die Erde so, dass sie Tag für Tag regelmäßig weiterrücken – wer an einem Abend zum Mond aufschaut, findet ihn am nächsten Abend ein Stück weiter, bis er nach den 28 Tagen wieder dieselbe Stelle einnimmt. Die äußeren Planeten rücken ebenfalls weiter, kehren aber plötzlich wieder zurück, um dann die alte Bewegung weiterzuführen (natürlich nur scheinbar, weil wir sie von einer Erde aus beobachten, die sich selbst mitdreht). Aristoteles hatte dafür die Theorie, dass diese Planeten nicht an einer einzigen Sphäre angeheftet sind, sondern von einer schnelleren zu einer langsameren »springen«. Das wurde sehr kompliziert, führte zu einem Rechnen mit 55 Sphären. Ptolemäus fand eine mathematisch befriedigendere Lösung, indem er von einer Art Schleifenbewegung ausging: Die Planeten führen auf ihrer (leicht »deferenten«, also gegenüber dem Mittelpunkt leicht verschobenen) Bahn kleine Kreise aus, die sich um eigene Mittelpunkte drehen, genannt »Epizyklen«, woraus sich die Vorwärts- und Rückwärtsbewegung erklärt. Tatsächlich ließ sich damit sehr gut rechnen.

      Darstellung von Deferent und Epizykel nach Ptolemäus

      Während Ptolemäus in seinem der Astronomie gewidmeten Almagest den Kosmos also letztlich »falsch« konzipierte, hatte er bezüglich der Geographie in seiner Geographia bessere Voraussetzungen. Zwar entlehnte er die Berechnung des Erdumfangs nicht seinem Zeitgenossen Eratosthenes mit dem fast exakten Ergebnis, sondern übernahm dieses von Poseidonios, der auf wenig mehr als die Hälfte gekommen war – was noch Kolumbus zu seinem übertriebenen Optimismus hinsichtlich einer Erreichung von China bei einer Fahrt nach Westen führen sollte. Aber Ptolemäus arbeitete mit einem Nullmeridian, den er durch die kanarischen Inseln legte, führte die Einteilung nach 360 Grad Länge sowie jeweils 90 Grad nördlicher und südlicher Breite ein und spekulierte sogar über einen Subkontinent mit Namen »Terra australis«.

      Man sieht also, mit welchem Kaliber man es zu tun bekommt, wenn man sich an das Metier macht, mit dem Ptolemäus letztlich am bekanntesten geworden ist: mit der Astrologie, als Buch ausgeführt in der Tetrabiblos (griechisch für »Viererbuch«). Man kann durchaus von der »Bibel« der Astrologie sprechen. Und dieses Werk beschäftigt sich nicht nur mit der »Technik«, sondern bietet eine Begründung in Zeiten, in denen die Astrologie längst unter Druck stand. Denn genau damit beginnt Ptolemäus, mit der Antwort auf Einwände. Die Astrologie habe es zwar nicht mit exakten und unumstößlichen Tatsachen zu tun, aber dies gelte auch für die Philosophie. Es liege jedoch auf der Hand, dass es himmlische Kräfte gebe, die auf Erden wirksam sind und an denen niemand jemals gezweifelt hat: das Wachstum der Pflanzen zum Beispiel. Und es gebe weitere Hinweise, die wenigstens von den Kennern nicht bestritten würden: die Abhängigkeit der Gezeiten vom Mond, sogar Reaktionen im Pflanzenreich wie das Schwellen und Strotzen bei zunehmendem, das Abnehmen und Verdorren bei abnehmendem Mond.

      Wieso also sollte es nicht mehr von diesen Wirkungen geben, auch wenn sie im Einzelnen nicht sicher sind? Im Übrigen richteten sich die Schiffe auf See nach Anzeichen für Regen und Wind, auch wenn die


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