Die Kunst, sich zu verlieren. Rebecca Solnit

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Die Kunst, sich zu verlieren - Rebecca Solnit


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des Terrains, das wir durchmessen, und mit den Jahren des Reisens. Wenn Kummer und Schönheit zusammengehören, dann bringt die Reife vielleicht nicht das mit sich, was Nabhan »Abstraktion« nennt, sondern ein ästhetisches Bewusstsein, das die Verluste, die die Zeit bringt, teilweise wettmacht und uns Schönheit in der Ferne finden lässt.

      Antelope Island kam näher und näher, wurde größer und klarer, aber schließlich kam ein Punkt, an dem es nicht mehr weiterging. Oder es wäre vielleicht doch gegangen, hätte allerdings bedeutet, in dem See schwimmen zu müssen, der selbst unter normalen Umständen sehr viel salziger als das Meer ist und in dem während jener Trockenperiode das Salz extrem konzentriert gewesen sein muss. Ich kann mir auch eine andere Variante jenes Ausflugs vorstellen, wo ich mich ausgezogen hätte und losgeschwommen wäre, mir den Rücken verbrannt und mich wie ein Korken auf und ab bewegt hätte, bis hin zur Insel, aber ich habe keine Ahnung, was ich dort nach meiner Ankunft getan hätte. Und ich bin mir nicht sicher, ob die Insel überhaupt dazu bestimmt war, dass man dort ankam, denn aus der Nähe hätte sich ihr glühendes Gold in Buschwerk und Erde aufgelöst.

      Als ich so weit gegangen war, wie ich konnte, blickte ich nach unten, und die bogenförmigen Ränder von Land und Wasser verloren ihren Maßstab und sahen aus wie die Welt aus dem Flugzeug. Flüge verbinden normalerweise Städte miteinander, doch dazwischen liegen die unbetretenen Gegenden, denen man nur ungefähre Namen geben kann: irgendwo in Neufundland, irgendwo in Nebraska oder den Dakotas. Von oben am Himmel, aus einer Höhe von mehreren Kilometern betrachtet, sieht das Land aus wie eine Landkarte von sich selbst, allerdings ohne all die Bezugspunkte, ohne die Karten keinen Sinn ergeben. Die Altwasserseen und Tafelberge, die man durchs Fenster sieht, sind anonym, unergründbar, eine Landkarte ohne Wörter. Ich habe festgestellt, dass der Wunsch, das Flugzeug würde auf einem von ihnen notlanden, unter denjenigen, die arbeitshalber von Stadt zu Stadt fliegen, weitverbreitet ist. Diese namenlosen Gegenden erwecken den Wunsch, verloren zu sein, weit weg zu sein, den Wunsch nach jenem melancholischen Wunder, das das Blau der Ferne darstellt. Und als ich an jenem Tag am Great Salt Lake auf meine Füße hinabblickte, da schienen selbst meine Füße weit weg zu sein, in diesem maßstablosen Terrain, wo sich das Nahe und das Ferne ineinander verschränkten, wo Pfützen Meere waren und Sandrippen Bergketten.

      Ich ging zurück, die Insel hinter mir und vor mir der ruinenhafte Salt Palace, wo mein Wagen auf mich wartete, zurück in die Welt des alltäglichen Durcheinanders. Doch in der Nähe meines Ausgangspunkts wartete in jener Landschaft noch eine Überraschung auf mich: eine Reihe von kleinen Einbuchtungen, wo das Wasser verdunstet war und sich Salzkristalle gebildet hatten. Eine war ein Rosenteppich, eine ein Strohhaufen, eine ein Schneeflockenfeld, alle aus schlammigem Salz, doch als ich versuchte, einen kleinen Strauß der hellbraunen Rosen abzuschneiden, um ihn mit nach Hause zu nehmen, büßten sie sofort an Schönheit ein. Manche Dinge besitzen wir nur so lange, wie sie verloren bleiben, manche Dinge sind nur so lange nicht verloren, wie sie in der Ferne sind.

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