Audiovisuelles Übersetzen. Heike E. Jüngst

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Audiovisuelles Übersetzen - Heike E. Jüngst


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einsetzt oder aufhört, mit einer Markierung auf der Filmrolle versehen (Hinderer 2009: 377). Die Zeit dazwischen wurde berechnet, und nach dieser Zeit wurde festgelegt, wie lang die Untertitel werden durften. Der Untertitler bekam das DialogbuchDialogbuch und diese Zeitliste und musste nun eine für die Untertitelung geeignete Übersetzung anfertigen. Oft bekam er den Film nicht einmal zu sehen. Der Übersetzer übersetzte, und der fertige Text wurde wiederum von einem Techniker oder einer Sekretärin eingegeben (vgl. Nagel 2009: 86 und Ivarsson / Carroll 1998: 11). Die Untertitel wurden dann weiterbearbeitet.

      Bevor es digitale UntertitelUntertiteldigitale Untertitel gab, die man nach Belieben ein- und ausblenden kann, gab es auch keine Möglichkeit, die Untertitel einfach mit einer beliebigen DialogspurDialogspur in einer beliebigen anderen Sprache zu kombinieren. Der Film wurde mit einer Tonspur und einer einzigen dazugehörigen Untertitelversion geliefert. Heute kann man auf DVDs und oft auch im Internet im Prinzip jede vorhandene Tonspur mit jeder vorhandenen UntertitelspurUntertitelspur kombinieren. UntertitelungsprogrammeUntertitelungsprogramm speichern die Untertitel als separate Datei, unabhängig vom Film. Das spart auch Speicherplatz.

      In den 1990er Jahren veränderte sich das Bild des reinen Synchronisationslandes Deutschland. Dies lag vor allem an wirtschaftlichen Erwägungen. Nagel erwähnt die Problematik von Fördergeldern für Festivals und auch die dort entstehenden Kosten, die dazu führen, dass auf Festivals überdurchschnittlich oft untertitelt wird (Nagel 2009: 35). Schließlich kostet eine SynchronisationSynchronisation deutlich mehr als eine Untertitelung. Mit einer untertitelten Fassung kann man auch im Fernsehen einen Probelauf wagen, bevor man Geld in die Synchronfassung steckt. Die Übersetzer werden aber auch hier schlecht bezahlt:

      DVDs mit Untertiteln in zehn Sprachen werden von US-amerikanischen Firmen produziert, die Freiberufler in aller Welt zu Spotthonoraren beauftragen. Lektorat: wozu?, denkt man sich dort. Sauberes Timing, also ein den jeweiligen Sprachstrukturen, Textmengen und Schnitten angepasstes Ein- und Ausblenden der Untertitel, das die Übersetzung erst lesbar macht: Fehlanzeige … Das Ganze einmal in Zahlen ausgedrückt: Statt einer wie früher und bei manchen Auftraggebern immer noch üblichen Preisspanne von zehn bis fünfzehn Euro pro Filmminute bezahlen die großen deutschen Untertitelungsfirmen in der Regel nur noch fünf bis sechs Euro. Und Agenturen aus dem Ausland suchen Übersetzer, die den Job für umgerechnet 1,70 Euro übernehmen. (Püschel 2013)2

      Wenn Sie nachher selbst untertiteln, werden Sie sehen, wie viele Untertitel in eine Filmminute passen. Es sind mehr als man erwartet.

      Suchen Sie im Internet nach deutschsprachigen Untertitelungsfirmen. Welche Dienstleistungen bieten sie an, wie unterscheiden sie sich? Suchen Sie dann nach Untertitelungsfirmen in den Ländern Ihrer B- und C-Sprache. Wie sieht dort der Markt für Untertitelungen aus?

      1. Auf welchen Sendern findet man heute die meisten untertitelten Sendungen? Woran mag das liegen? Welche Ausgangssprachen werden im deutschen Fernsehen untertitelt?

      Leider gibt es zum Thema Untertitelung nicht die große Menge an bunten Anekdoten, wie sie zu den Themen Synchronisation und Filmdolmetschen existieren.

      2.3 Arbeitsablauf

      Ob arbeitsteilig oder nicht: Die grundlegenden Arbeitsschritte wie SpottingSpotting, SplittingSplitting und Textbearbeitung jeder ArtTextbearbeitung gehören zur Untertitelung dazu. Sie alle werden im Lauf dieses Kapitels erläutert und mit Übungen erarbeitet; was fehlt, finden Sie in Kapitel 7. Gottlieb fasst die Fertigkeiten, die man beim Untertiteln benötigt, elegant zusammen. Der Untertitler braucht:

      … das musikalische Ohr eines Dolmetschers, die nüchterne Urteilsfähigkeit eines Nachrichtenredakteurs und den Sinn eines Designers für Ästhetik … Um die Untertitel auch synchron mit dem Leinwandgeschehen zu präsentieren, braucht er überdies die sichere Hand eines Chirurgen und das Zeitgefühl eines Schlagzeugers. (Gottlieb 2002: 211)

      2.3.1 Neue Arbeitsbedingungen

      Unabhängig von den Aufgaben, die Untertitler haben können, haben sich neue Arbeitsfelder und Arbeitsbedingungen aufgetan. Gleichzeitig hat die Geschwindigkeit der automatischen Übersetzungsprogramme den Turnaround für Humanübersetzer beschleunigt. Beispielhaft kann man das an StreamingdienstenStreamingdienst wie Netflix sehen, wo einzelne Serienepisoden manchmal in 24 Stunden untertitelt werden müssen und zu diesem Zweck in Abschnitte unterteilt und an mehrere Übersetzer verteilt werden (Information von Allison Smith von Netflix auf der Languages and the Media 2018). Die betreffenden Firmen geben übrigens keine Informationen zur Bezahlung von Übersetzern heraus. Viele Kunden der Streamingdienste möchten zumindest die englischsprachigen Serien im Original sehen, sei es, um ihre Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern, sei es, um an den unter hohem Zeitdruck entstandenen Untertiteln herumzumeckern. Dabei muss man allerdings anmerken, dass manche Streamingdienste nicht darauf achten, ob sie Profis einstellen, sondern einen seltsamen Sprachtest durchführen, auf dessen Basis man als Übersetzer bei ihnen arbeiten darf. Als Qualitätsmanagement kann man das nicht bezeichnen. Es ist aber schwer vorherzusagen, wie lange die derzeitige Praxis anhält.

      Die Verlagerung der Übersetzerarbeit, auch hier meist der Untertitler-Arbeit, in die Cloud, ist ebenfalls eine neue Entwicklung. Untertitler, die für Arbeitgeber mit einem solchen System tätig sind, müssen keine Untertitelungssoftware anschaffen bzw. nicht in Firmenräumen arbeiten, wo eine entsprechende Software zur Verfügung steht.

      Durch das Internet haben sich auch CrowdsourcingCrowdsourcing-Dienste wie AmaraAmara entwickelt, die die audiovisuelle Übersetzung von Webinhalten leicht machen und preiswert oder sogar kostenlos genutzt werden können (zur Problematik siehe weiter unten). Die Verführung dieser Angebote ist groß, besonders dann, wenn man nicht über die finanziellen Mittel verfügt, eine Profi-Software anzuschaffen.

      Ein großes Thema im Bereich Crowdsourcing und Untertitelung ist die Plattform TEDTED. Auf dieser Plattform findet man eine große Menge an Vorträgen zu den unterschiedlichsten Themen, von Spezialisten des jeweiligen Gebietes. Die Untertitelungen in allen Sprachen werden von Freiwilligen angefertigt, ebenso die Korrekturen. TED hat Richtlinien für die Untertitelung und stellt eine Software zur Verfügung. Es sei jedem unbenommen, TED für den Unterricht einzusetzen. Man hat die Auswahl unter einer großen Menge an Themen. Wenn man direkt für TED im Crowdsourcing untertitelt, bekommt man Feedback vom Korrektor. Man kann bei Bewerbungen auf diese Arbeiten hinweisen. TED ist jedoch janusgesichtig:

      Hundreds of amateur subtitlers – including speakers of less-dominant languages – have been empowered by TED to partake in the co-production of media content, but their work is constrained by the organization’s standards of translation accuracy and style guidelines for translators. Through their work, TED subtitlers contribute to the market penetration of dotSUB’s enterprise solutions and, by extension, maximize the spread of crowdsourcing as a business model for the translation of corporate online content. (Ray / Kelly 2011, zitiert nach Pérez González 2014: 68)

      Pérez González geht im Weiteren darauf ein, dass TED, wie auch andere Crowdsourcing-Projekte im Bereich Untertitelung, Kreativität nur im Rahmen strenger Regeln zulässt: Die Filme sind bereits ausgewählt, die Software ist ausgewählt. Die Vorträge folgen alle mehr oder minder demselben Muster (es gibt inzwischen Handbücher wie Anderson 2018 und Gallo 2014) und werden sorgfältig geprobt (Anderson 2018: passim). Die Teilnahmegebühren für die TED Conferences sind gesalzen (www.ted.com/attend/conferences/ted-conference#h3-ted-conference-standard-membership). Das verträgt sich nicht gut mit der großen Menge freiwilliger Übersetzer. TED ist dennoch verführerisch: Die Vielzahl der Themen, die Qualität und oft die FachsprachlichkeitFachsprache wie auch die leichte Verfügbarkeit sind durchaus Argumente, um TED im Unterricht einzusetzen. Ich tue es auch gelegentlich.

      Der Arbeitsablauf in der professionellen Untertitelungspraxis kann variieren. Eine große Rolle


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