Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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Lass Dich lieb ha­ben, Schatz, Du sollst se­hen, ich bin sehr brav.«

      »Sie sind an die falsche Adres­se ge­kom­men, Ma­da­me!« sag­te er.

      »Ach, sei doch kein Tor, hör’ nur …« sag­te sie, einen Arm un­ter den sei­ni­gen schie­bend.

      Er war auf­ge­stan­den und ging ent­rüs­tet fort.

      Hun­dert Schrit­te wei­ter nä­her­te sich ein zwei­tes We­sen:

      »Willst Du Dich nicht einen Au­gen­blick zu mir set­zen, mein süs­ser Schatz?«

      »Wa­rum trei­ben Sie die­ses Ge­schäft da?« frag­te er.

      Sie stell­te sich breit vor ihm hin und sag­te är­ger­lich mit ganz ver­än­der­ter rau­er Stim­me:

      »Zu mei­nem Ver­gnü­gen wahr­haf­tig’ nicht.«

      »Nun, was zwingt Sie denn?« frag­te er mit sanf­ter Stim­me wei­ter.

      »Man muss doch le­ben; so eine Dumm­heit« groll­te sie. Und träl­lernd ging sie wei­ter.

      Ganz ver­stimmt blieb Herr Leras sit­zen. An­de­re Mäd­chen ka­men vor­über, spra­chen ihn an und lu­den ihn ein.

      Es war ihm, als ob ir­gen­det­was Schwar­zes, Schreck­li­ches sein Auge ver­dunkle.

      Er setz­te sich auf eine an­de­re Bank; die Wa­gen fuh­ren im­mer noch vor­über.

      »Ich wäre bes­ser nicht hier­her­ge­kom­men«, dach­te er bei sich; »da habe ich nun die Be­sche­rung; es ist zu är­ger­lich.«

      Un­will­kür­lich muss­te er an all’ die käuf­li­che oder lei­den­schaft­li­che Lie­be, an all’ die frei­wil­li­gen oder be­zahl­ten Küs­se den­ken, die heu­te sein Auge ge­se­hen hat­te.

      Er kann­te die Lie­be nicht. Er hat­te in sei­nem Le­ben viel­leicht zwei oder drei­mal ganz zu­fäl­lig, mehr dem ers­ten Im­pul­se fol­gend, mit Wei­bern ver­kehrt, da sei­ne Mit­tel ihm kei­ne Sei­ten­sprün­ge er­laub­ten. Er dach­te, wie das Le­ben, das er führ­te, so ganz ver­schie­den war von dem al­ler an­de­ren, so fins­ter, so trau­rig, so öde und leer.

      Es gibt We­sen, de­nen nie­mals das Glück be­schie­den ist. So auch Herrn Leras. Ganz plötz­lich, als sei ein dich­ter Schlei­er vor ihm ent­hüllt, wur­de er sich über sei­ne elen­de Lage klar; er wuss­te, dass die­ses ein­för­mi­ge Elend sei­nes Da­seins nie en­den wür­de. Für ihn gab es in der Ver­gan­gen­heit, Ge­gen­wart und Zu­kunft nur Elend; die letz­ten Tage gli­chen aufs Haar den ers­ten, vor ihm lag nichts und hin­ter ihm nichts, we­der äus­ser­lich noch in sei­nem In­nern. Al­les war eine gäh­nen­de öde Lee­re.

      Die Wa­gen fuh­ren noch im­mer vor­über; noch im­mer sah er für einen Au­gen­blick bei dem schnel­len Vor­über­hu­schen der of­fe­nen Fia­ker die schweig­sa­men zärt­li­chen Paa­re. Es war ihm, als ob die gan­ze Mensch­heit glück- und freu­de­strah­lend hier an ihm vor­über­zö­ge. Und er war al­lein, um das hier an­zu­se­hen, nie­mand war bei ihm; er war ganz al­lein. Und mor­gen, über­mor­gen, alle Tage wür­de er al­lein sein, wie nur ein Mensch al­lein sein kann.

      Er stand auf, ging ei­ni­ge Schrit­te wei­ter und, plötz­lich von ei­ner Mat­tig­keit, wie nach ei­ner lan­gen Rei­se, über­fal­len, ließ er sich auf der nächs­ten Bank nie­der.

      Was hat­te er noch zu er­war­ten? Worauf zu hof­fen? Auf nichts!

      Er dach­te, wie hübsch es sein müs­se, wenn man, äl­ter wer­dend, bei der Rück­kehr ins Haus eine mun­te­re Kin­der­schar fin­det. Alt wer­den ist schön, wenn einen We­sen um­ge­ben, die uns das Le­ben ver­dan­ken, die uns lie­bend um­schmei­cheln, die uns zärt­li­che und herz­li­che Wor­te sa­gen, die uns auf­mun­tern und trös­ten.

      Und wenn er dann an sein ei­ge­nes ödes und trau­ri­ges Zim­mer dach­te, wo aus­ser ihm nie je­mand her­ein­kam, dann be­schlich ihn ein Ge­fühl des Ekels; es er­schi­en ihm fast noch trau­ri­ger, als sein klei­nes Büro. Nie sah er je­mand, nie fast sprach er mit je­mand. Sein Zim­mer war stumm wie ein Grab, ohne das Echo ei­ner mensch­li­chen Stim­me. Man möch­te den­ken, dass die Wän­de et­was von den Zim­mer­be­woh­nern an­neh­men, dass man an ers­te­ren er­ken­nen kann, wie sie sich be­neh­men, wie sie aus­se­hen, was sie spre­chen. Die von glück­li­chen Leu­ten be­wohn­ten Häu­ser ha­ben et­was viel Freund­li­che­res als die Woh­nun­gen der Un­glück­li­chen. Sein Zim­mer war wie sein Le­ben, leer an Erin­ne­run­gen. Und der Ge­dan­ke, ganz al­lein in die­ses Zim­mer zu­rück­keh­ren, sich ganz al­lein zu Bett le­gen, ganz al­lein sei­ne täg­li­chen Be­sor­gun­gen ma­chen zu müs­sen, mach­te ihn ganz ver­zwei­felt. Und als wol­le er den An­blick die­ses fins­te­ren Rau­mes und sei­nen Ein­tritt in den­sel­ben mög­lichst her­aus­schie­ben, er­hob er sich, bog in die ers­te Al­lee des Bois ein und schlüpf­te plötz­lich in ein Ge­büsch, um sich dort ins Gras zu set­zen.

      Um sich, über sich, über­all hör­te er ein wir­res, lau­tes, fort­wäh­ren­des Geräusch, das aus un­zäh­li­gen ver­schie­de­nen klei­nen Geräuschen zu be­ste­hen schi­en, bald nä­her, bald fer­ner klin­gend, eine un­be­stimm­te rie­sen­haf­te Le­bens­zu­ckung: Es war das At­men der Stadt Pa­ris, die wie ein Rie­se schnauf­te.

      *

      Die Son­ne stand schon hoch am Him­mel und sand­te ihre Strah­len auf das Bois de Bou­lo­gne. Schon be­gan­nen die Wa­gen um­her­zu­fah­ren und die Rei­ter ihre Pfer­de zu tum­meln.

      Ein Pär­chen bog zu Fuss in eine ein­sa­me Al­lee ein. Plötz­lich be­merk­te das weib­li­che We­sen, als es die Au­gen auf­schlug, et­was Brau­nes im Ge­büsch. Un­ru­hig und er­staunt deu­te­te es mit der Hand da­hin und sag­te:

      »Sieh ’mal … was ist das?«

      Dann sank es mit ei­nem lau­ten Schrei ih­rem Beglei­ter in die Arme, der sie vor­sich­tig auf die Erde setz­te.

      Die her­bei­ge­ru­fe­nen Wäch­ter hat­ten bald einen al­ten Mann los­ge­schnit­ten, der sich an sei­nen Ho­sen­trä­gern auf­ge­hängt hat­te.

      Man stell­te fest, dass der Tod schon in der Nacht vor­her er­folgt sein müs­se. Aus den vor­ge­fun­de­nen Pa­pie­ren er­gab sich, dass es der Buch­hal­ter bei La­bu­ze & Co., Na­mens Leras, war.

      Man schob den Selbst­mord auf eine un­be­kann­te Ur­sa­che. Vi­el­leicht war es ein plötz­li­cher Wahn­sinns-An­fall?

Zwei Brüder

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