Seewölfe - Piraten der Weltmeere 661. Sean Beaufort

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 661 - Sean Beaufort


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Land, das aus Felsen und Wald zu bestehen schien.

      „Nein“, erwiderte Jung Hasard und enterte die Großmastwanten auf. „Aber gleich werden wir etwas klüger sein.“

      In sicherer Entfernung, mehr als eine Meile, schob sich die Schebecke auf Nordkurs an der Landzunge vorbei. Recht voraus und an Steuerbord erstreckte sich blaues Wasser. Nur in den Spektiven zeichnete sich die östliche Küste ab. Mit bloßem Auge war nur ein dunkler Saum zu erkennen.

      „Wo steckt dieser Höllenhund Ruthland?“ brüllte Carberry unbeherrscht. „Wenn ich den zu packen kriege …“

      „Leere Versprechungen.“ Sven Nybergs Gesicht verzog sich zu einer abschätzigen Grimasse.

      Hasard drehte sich um und rief: „Ruder Steuerbord! Wir gehen in die Bucht und suchen weiter, solange wir noch etwas sehen.“

      Zweifellos, so dachten sie alle, war Ruthland nach Norden geflohen. Er mußte im aufkommenden Starkwind und Regen kreuzen, wenn er sich aus seinem Versteck wagte und sich wieder nach Süden wandte. Er konnte ihnen also während der Nacht wieder entwischen, aber die Entfernung zwischen Verfolger und Verfolgtem konnte nicht groß sein. Sie betrug nur wenige Stunden. Wahrscheinlich suchten sie nur an den falschen Stellen.

      „Aye, aye, Sir!“ tönte es aus der Gruppe auf dem Achterdeck.

      Die Schebecke gehorchte dem Ruder und führte eine weite Halse aus. Der Wind wehte jetzt von Steuerbord achtern. Die Seewölfe trimmten die Segel. Wieder gab es wenig anderes zu tun, als das Wasser und das Ufer zu beobachten, während die Helligkeit Schritt um Schritt abnahm. Der obere Rand der Wolkenbank berührte die Scheibe der Sonne. Riesige Strahlenbündel zuckten über den fahlblauen Himmel.

      Hasard hatte wenige Minuten später einen Entschluß gefaßt, wandte sich an den Ersten und sagte: „Wir versuchen, so weit von den Ufern entfernt zu segeln, daß wir genau sehen können, ob sich die ‚Ghost‘ in dieser Bucht versteckt. Wenn es sein muß, gehen wir näher heran.“

      „Aye, Sir.“ Ben Brighton nickte.

      „Wahrscheinlich müssen wir in dem Regen, wenn’s zu schlimm wird, vor Anker liegen. Ich würde in der Nacht lieber weiter nach Norden verholen.“

      „Ich auch, Sir“, entgegnete Ben. „Wir alle, denke ich.“

      „Wir werden sehen, wie weit wir kommen.“ Hasards Augen richteten sich wieder der Küste zu.

      Vier Fischerboote wurden in verdächtiger Eile in die Richtung der nächsten Bucht gepaddelt. Die Eingeborenen, zwei oder drei in jedem Boot, zeigten immer wieder mit aufgeregten Gesten zur Sonne. Sie war zur Hälfte von der Wolke verschluckt worden. Die riesige Wand färbte sich blaugrau und schwarz.

      „Also weiter nach Osten?“ fragte der Rudergänger. „Und erst später nach Westen, im Sturm oder wann?“

      „Wenn du die ‚Ghost‘ irgendwo achtern siehst, gehen wir sofort auf Gegenkurs!“ rief Edwin Carberry und hob die Faust.

      „Alles klar.“

      Das Schiff lag nach Steuerbord über. Al Conroy musterte die sich nähernde Wand aus Wolken und Regen und schielte nach seinen Geschützen. Dann entschloß er sich und sagte: „Besser, wenn ich die Persenninge hole. Mit nassem Pulver kann der beste Stückmeister kein Gefecht gewinnen.“

      „Ein guter Einfall, Al“, lobte der Profos.

      Der Wind nahm an Stärke zu, blieb aber noch gleichmäßig. Die letzten Sonnenstrahlen spielten auf den kleinen Schaumkronen. Dann änderte sich binnen weniger Minuten das Licht. Das Wasser schien schwarz zu werden die Wälder am Ufer wirkten plötzlich drohend. Die Schebecke begann zu stampfen und zu gieren, als von Steuerbord die ersten größeren Wellen heranrollten und sich an den Planken brachen.

      „Jetzt wird’s ungemütlich“, sagte Carberry, obwohl die Luft nach wie vor warm und feucht, der Wind keineswegs kalt war.

      „Keine Karavelle, Dad. Nichts. Nur Fischerboote und ein winziges Segel voraus!“ schrie Jung Hasard aus dem Ausguck am Großmast. „Langsam wird es hier ungemütlich.“

      „Dann enter ab!“ brüllte Hasard und ließ das Spektiv in die andere Hand gleiten.

      Sein Sohn blieb noch einige Minuten oben und spähte in alle Richtungen.

      Die kleinen Buchten des Ufers waren leicht einzusehen. Es gab nur wenige Hütten auf Pfählen, aber die Anzahl der zerfasernden Rauchfahnen zeigte, daß weiter landeinwärts einzelne Häuser stehen mußten. Es handelte sich mit großer Wahrscheinlichkeit um kleinere Siedlungen, weitaus kleiner als Surat.

      Zwischen den Einkerbungen der flachen, langgestreckten Uferlinie tauchten immer wieder weite Strecken auf, die aus Schilf bestanden und wahrscheinlich morastig waren. Daran schlossen sich die undurchdringlichen Mangroven an. Und dahinter schob sich immer wieder eine Bucht ins Blickfeld, in der sich Eingeborene zeigten.

      „Hier gibt es keine Verstecke für ein größeres Schiff“, murmelte Jung Hasard vor sich hin, während er über die Steuerbordwanten abenterte. „Wir suchen wirklich an den falschen Stellen.“

      Aber woher sollten sie wissen, wo die Suche erfolgversprechend war?

      Während es dunkler wurde und über dem Land an Steuerbord die ersten Regenschauer niedergingen, schob sich die Schebecke durch das aufgewühlte Wasser nach Osten tiefer in die Bucht. Der scharfe Bug schnitt durch die gischtenden Wellen. Das hochspritzende Wasser wurde nach Backbord weggerissen, während Al Conroy und die Zwillinge die wasserdichte Leinwand über die langen, schlanken Bronzerohre bändselten.

      Plötzlich riß der Regenvorhang auf. Ringsum schien das Wasser zu dampfen. In der Wolkenmasse zeigte sich ein riesiges Loch, durch das die gelbrote Sonne strahlte. Sie hing mehr als eine Handbreite über der Kimm, ihre Strahlen ließen das östliche Ende der Bucht deutlich und überaus scharf hervortreten.

      „Wird ein schöner Abend, Sir“, scherzte der Profos. Ihm troff wie allen anderen das Wasser aus dem Haar. Der Regen hatte kaum Abkühlung gebracht.

      „‚Abendrot – Schlechtwetterbot‘, wie jedermann weiß“, zitierte der Seewolf. „Seht ihr die Karavelle?“

      In dem sonderbaren Licht und zwischen den dunklen Regenzonen an Backbord und an Steuerbord traten auch über dem Buchtende die fernen Berge deutlich vor die Augen der Arwenacks. Die Berghänge waren voller Wald. Dann wischte wieder ein Regenschauer vor dem Bild vorbei.

      „Ruthland ist bei seiner Flucht nicht nach Ost abgebogen. Wir hätten ihn sonst längst entdeckt“, sagte Jung Philip und packte den Klöppel der Schiffsglocke. Er drehte die Sanduhr um und läutete. Vier Glasen, zwei durchdringende Doppelschläge hallten über die Länge des Schiffes. „Wir suchen an der falschen Stelle, Dad.“

      „Das habe ich auch schon gemerkt“, knurrte der Seewolf. „Woher hätten wir das vorher wissen sollen?“

      Die Schebecke war weit in den Sund gesegelt. Auch die Strände und Buchten im östlichen Teil waren gut einsehbar gewesen. Was die Seewölfe nicht mit bloßem Auge erkannten, zeigte ihnen das Spektiv. Das Wolkenloch schloß sich gerade wieder, als Hasard seine Kommandos gab.

      „Ben! Wir segeln zurück nach Westen. Dabei sehen wir uns die Nordufer an. Ruthland muß sich irgendwo dort drüben versteckt haben.“

      „Aye, aye, Sir.“

      Als der Regen wieder einsetzte, halste die Schebecke in einem weiten Bogen auf den neuen Kurs. Sie wurde schneller und rauschte zuerst in nördliche Richtung, dann legte sie sich nach Steuerbord über und rauschte zurück nach Westen.

      Der Profos schüttelte das Regenwasser aus dem Haar und hielt sich an einem Want fest. Sein Zeigefinger bohrte sich fast in Hasards Brust. „Ich sage dir, Sir, wo dieser Hundesohn steckt.“

      Hasard zeigte nach Westen, ohne aber das Ufer aus den Augen zu lassen.

      „Ich habe mir nämlich bei Dan die Karten angesehen. Ich sage dir, Sir, daß Ruthland erst gar nicht versucht hat, sich hierher abzusetzen.


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