Guy de Maupassant: Bel Ami (Deutsche Ausgabe). Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant: Bel Ami (Deutsche Ausgabe) - Guy de Maupassant


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kann nicht arbeiten, ohne zu rauchen. Also, was wollten Sie erzählen?«

      Er blickte erstaunt zu ihr auf.

      »Das weiß ich eben nicht, deswegen bin ich auch hergekommen.«

      Sie fuhr fort:

      »Ja, ich werde Ihnen dabei schon helfen. Die Sauce will ich Ihnen machen, Sie müssen mir aber den Braten geben.«

      Er blieb verwirrt, endlich sagte er zögernd:

      »Ich wollte meine Reise von Anfang an schildern ...«

      Da setzte sie sich ihm gegenüber an die andere Seite des großen Schreibtisches und sagte, ihm in die Augen blickend:

      »Nun gut, erzählen Sie mir zuerst, mir ganz allein, verstehen Sie, langsam und ohne etwas zu vergessen. Ich werde dann schon das Passende auswählen.«

      Er wusste aber nicht, wo er anfangen sollte, und so begann sie, ihn auszufragen, wie ein Priester sein Beichtkind. Sie legte ihm ganz bestimmte Fragen vor, durch die ihm eine Menge vergessener Eindrücke, flüchtig bekannte Personen und verschiedene Einzelheiten ins Gedächtnis zurückgerufen wurden. Als sie ihn etwa eine Viertelstunde auf solche Weise ausgefragt hatte, unterbrach sie ihn plötzlich:

      »Jetzt wollen wir beginnen. Zunächst nehmen wir an, Sie berichten Ihrem Freund Ihre Erlebnisse. Das erlaubt Ihnen, eine Menge Bosheiten zu sagen, Bemerkungen aller Art einzuflechten, und so natürlich und witzig zu sein, wie wir es irgend können. Also los:

      ›Mein lieber Henri, Du willst wissen, was Algier ist, Du sollst es erfahren. Da ich in der kleinen Hütte aus getrocknetem Lehm, die mir als Wohnung dient, nichts Besseres anzufangen weiß, will ich Dir eine Art Tagebuch über mein Leben schicken und Dir schildern, wie mein Leben sich Tag für Tag, Stunde für Stunde gestaltet ... Es wird manchmal etwas toll darin zugehen, einerlei: Du bist doch nicht verpflichtet, es den Damen aus Deinem Bekanntenkreise vorzuzeigen.‹«

      Sie machte eine Pause, um die ausgegangene Zigarette wieder anzuzünden, und sofort hörte das kritzelnde Geräusch der Gänsefeder auf dem Papier auf.

      »Nun weiter!« sagte sie.

      ›Algier ist eine ausgedehnte französische Besitzung an der Grenze der großen unbekannten Länder, die man die Wüste, die Sahara, Zentralafrika und so weiter nennt.

      Algier ist das Tor, das weiße, bezaubernde Eingangstor dieses seltsamen Kontinents.

      Aber zunächst muss man dieses Land erreichen und das ist nicht für jedermann so besonders angenehm. Du weißt, ich bin ein ausgezeichneter Reiter, denn ich muss ja die Pferde des Obersten zureiten. Aber man kann ein guter Reiter und dabei ein schlechter Seemann sein. Das ist bei mir der Fall.

      Entsinnst Du Dich noch des Majors Simbreta, den wir den Doktor Ipéca nannten? Wenn wir uns reif für vierundzwanzig Stunden Lazarett fühlten, so besuchten wir ihn.

      Er saß auf seinem Stuhl, die dicken Beine in den roten Hosen weit auseinander gespreizt, die Hände auf die Knie gestützt, die Ellenbogen in der Luft, sodass die Arme wie eine Brücke aussahen. Er rollte seine großen Augen und knabberte dabei an seinem weißen Schnurrbart. Entsinnst Du Dich noch seiner Verordnung?

      ‘Dieser Soldat hat einen verdorbenen Magen. Er bekommt das Brechmittel Nummer 3 nach meinem Rezept. Dann zwölf Stunden Ruhe und er ist wieder gesund.’

      Dieses Brechmittel war allmächtig und unwiderstehlich. Man schluckte es runter, weil man es halt musste. Hatte man die Kur des Doktor Ipéca überstanden, dann genoss man zwölf Stunden teuer erkaufter Ruhe.

      Nun, mein lieber Freund, um nach Afrika zu gelangen, muss man ein anderes, nicht minder unwiderstehliches Mittel nehmen, und zwar nach dem Rezept der Transatlantischen Dampfergesellschaft.‹«

      Sie rieb sich die Hände, höchst zufrieden mit ihrem Einfall.

      Dann stand sie auf, ging im Zimmer auf und ab, steckte sich eine neue Zigarette an und diktierte weiter. Sie blies den Rauch vor sich hin, der zuerst aus dem kleinen runden Loch zwischen ihren zusammengepressten Lippen kerzengerade emporstieg, dann wurden die Rauchringe immer breiter und verflüchtigten sich in der Luft als graue, durchsichtige Nebelstreifen, ähnlich einem Spinngewebe. Bisweilen zerstörte sie die leichten, übriggebliebenen Streifen mit einer schnellen Bewegung der flachen Hand, bisweilen durchschnitt sie dieselben langsam mit dem Zeigefinger und sah dann nachdenklich zu, wie die beiden Hälften allmählich verschwanden.

      Duroy verfolgte jede ihrer Bewegungen, jede Stellung ihres Körpers, jede Veränderung in ihrem Gesichtsausdruck, die dies mechanische, gedankenlose Spiel bei ihr hervorrief.

      Sie erfand jetzt Reiseerlebnisse, schilderte selbst erfundene Reisegefährten und entwarf eine Liebesgeschichte mit der Frau eines Infanteriehauptmanns, die ihrem Manne nachreiste.

      Dann setzte sie sich wieder und fragte Duroy über die Bodenverhältnisse von Algier aus, von denen sie keine Ahnung hatte. Und in zehn Minuten wusste sie genau soviel wie er und machte daraus ein kleines Kapitel über politische und koloniale Geographie, um den Leser einzuführen und auf das Verständnis ernster Fragen vorzubereiten, die im folgenden Artikel behandelt würden.

      Dann flocht sie eine Erzählung über einen frei erfundenen Ausflug nach der Provinz Oran ein, bei dem es sich vor allem um Frauen handelte, um Maurenmädchen, Jüdinnen und Spanierinnen.

      »Das ist das einzige, was wirklich die Leute interessiert«, meinte sie.

      Sie schloss mit einem Aufenthalt in Saida, am Fuß der Hochebene, und einem hübschen kleinen Liebesabenteuer zwischen dem Unteroffizier George Duroy und einer spanischen Arbeiterin, die in einer Spartograsflechterei in Ain-el-Hadjar beschäftigt war. Frau Forestier erzählte von dem nächtlichen Stelldichein in dem steinigen, kahlen Gebirge, wo inmitten von Felsblöcken Schakale, Hyänen und arabische Hunde heulten, schrien und bellten.

      Und fröhlich sagte sie nun:

      »Fortsetzung folgt!«

      Dann stand sie auf.

      »Sehen Sie, Lieber Herr Duroy, so schreibt man Artikel. Jetzt unterschreiben Sie bitte.«

      Er zögerte.

      »Schreiben Sie doch Ihren Namen.«

      Da begann er zu lachen und schrieb unten auf den Rand der letzten Seite: ›Georges Duroy.‹

      Sie rauchte und ging auf und ab; er betrachtete sie immerzu. Er fand keine Worte, um ihr zu danken. Er war glücklich, in ihrer Nähe zu sein; erfüllt von Dankbarkeit, genoss er das sinnliche Glück ihrer wachsenden Vertraulichkeit. Ihm war, als ob alles, was sie umgab, ein Teil ihrer selbst war, alles bis zu den bücherbedeckten Wänden. Die Stühle, die Möbel, die von Tabak durchtränkte Luft. Alles besaß etwas Eigenartiges, Reizendes, das von ihr kam.

      Plötzlich fragte sie ihn:

      »Was halten Sie von meiner Freundin, der Madame de Marelle?«

      Er war überrascht.

      »Nun ja, ich finde ... ich finde sie entzückend.«

      »Nicht wahr?«

      »Ja gewiss.«

      Er wollte hinzufügen: »Aber doch nicht so entzückend wie Sie.« Doch er wagte das nicht.

      Sie fuhr fort:

      »Und wenn Sie wüssten, wie witzig, wie eigenartig, wie gescheit sie ist! Sie ist eine Zigeunerin, eine richtige Zigeunerin. Deshalb liebt ihr Mann sie auch nicht sehr. Er sieht nur ihre Fehler und weiß ihre Vorzüge nicht zu schätzen.«

      Duroy war erstaunt, zu hören, dass Madame de Marelle verheiratet sei, obgleich das eine ganz natürliche Sache war.

      Er fragte:

      »So ... sie ist verheiratet! Und was tut ihr Mann?«

      Frau Forestier zuckte leicht mit den Achseln und erhob die Augenbrauen mit einer einzigen, vielsagenden Bewegung.

      »Oh!


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