Im Internat gibt's keine Ruhe. Marie Louise Fischer

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Im Internat gibt's keine Ruhe - Marie Louise Fischer


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wie sie ihn damals, am ersten Schultag, bei seinem Auto begrüßt hat? Die beiden haben sich gekannt, bevor er hier ankam, und wahrscheinlich hat er überhaupt nur ihretwegen in Hohenwartau angefangen!”

      “So ein Schuft!” stieß Uschi hervor.

      “So ein elender, gemeiner Halunke!” zischte Yvonne.

      “Aber vielleicht stimmt ja alles gar nicht”, wandte Helga verzweifelt ein. ”Vielleicht ist es nur ein dummes Gerücht. Ihr wißt doch, wieviel hier geredet und getratscht wird.”

      “Somit wird mein Vorschlag wieder akut”, stellte Yvonne fest, “wir müssen ihn fragen.”

      In diesem Augenblick kam Ilse, die Klassenbeste, angefegt, ein untersetztes Mädchen mit glanzlosem, strohblondem Haar und zahllosen Sommersprossen auf Nase und Stirn.

      “Habt ihr schon gehört…” begann sie.

      Hannelore winkte ab. “Ja, alles. Wir überlegen gerade, ob wir Tweedy fragen sollen, ob es wirklich stimmt.”

      “Nein, wenn schon, dann sie!” erklärte Margot. “Wenn Trudchen ihn sich wirklich geangelt hat, dann wird sie viel zu stolz darauf sein, um es abzuleugnen.”

      “Und wenn sie es ableugnet”, behauptete Helga mit zaghafter Hoffnung, “können wir sicher sein, daß es nur ein Gerücht ist.”

      “Nur nicht so hastig!” warnte Ilse. “Es kommt auch darauf an, wie sie nein sagt, findet ihr nicht? Wir müssen sie genau beobachten, wenn wir die Wahrheit herausbringen wollen.”

      ”Sehr richtig”, stimmte Margot zu. ”Ich bin ausnahmsweise deiner Meinung. Jetzt nur noch eines: Wer hat das Herz, Trudchen zur Rede zu stellen?”

      ”Ich natürlich”, erwiderte Yvonne prompt. ”Ihr braucht mich gar nicht so anzustaunen. Was ist denn schon dabei? Schließlich ist Hohertwartau eine Privatschule, und das bedeutet, daß sie vom Geld unserer Eltern existiert. Wieso sollten wir da Angst vor ihr haben? Das heißt”, fügte sie mit einem boshaften Blick auf Helga hinzu, ”abgesehen von denjenigen, die gnadenweise als Stipendiatinnen hier sind.”

      ”Glaub nur nicht, daß du mich damit triffst”, parierte Helga, ”mir ist es lieber, ich verdanke den Aufenthalt auf Hohenwartau meiner Intelligenz als, wie gewisse andere, nur dem Geld der Eltern!”

      ”Bitte, nun zankt euch nicht schon wieder”, versuchte Babsy zu vermitteln, ”das sind doch olle Kamellen.”

      ”Angst haben wir ja auch nicht”, sagte Ellen nachdenklich, ”jedenfalls nicht in dem Sinne, daß wir fürchten, sie könnte uns beißen. Aber zwischen Mut und Unverschämtheit klafft eben doch eine erhebliche Lücke. Mir kommt es taktlos vor, so direkt zu fragen.”

      Yvonne warf ihr blondes Haar in den Nacken. ”Na, wenn ihr meint, es gehört sich nicht, dann verzichten wir eben. Obwohl ich eigentlich nicht einsehe, warum.”

      ”Ich auch nicht”, erklärte Margot rasch. ”Frag sie nur, Yvonne, und hör nicht auf Ellens Meckerei. Wir anderen sind dir ja dankbar, daß du dich traust, nicht wahr? Du doch auch, Helga?”

      ”Ja”, gestand Helga ehrlich, ”ich möchte es auch wissen, und zwar so schnell wie möglich!”

      Die letzte Stunde an diesem Tag war Handarbeit bei der Tochter des Direktors. Keinem der Mädchen entging es, daß sie einen funkelnagelneuen goldenen Ring mit einem kleinen Brillanten am Ringfinger der linken Hand trug. Alle warteten gespannt auf den großen Augenblick, da Yvonne fragen würde.

      Aber in den ersten zehn Minuten ergab sich keine Gelegenheit, denn Fräulein Pförtner ließ sich des längeren und des breiteren über die katastrophale Unordnung im Handarbeitsschrank aus und versuchte, den Mädchen klarzumachen, daß Ordnung und Sauberkeit die grundlegenden Voraussetzungen für jede gute Handarbeit seien.

      Endlich aber mußte sie doch einmal Luft holen, und Yvonne erhob sich langsam und mit Nachdruck.

      ”Na, was gibt es?” fragte Fräulein Pförtner, da Yvonne beim besten Willen nicht zu übersehen war.

      ”Ich habe nur eine kleine Frage …”

      Die anderen Mädchen hielten den Atem an und ließen die Strickereien sinken.

      ”Kommen Sie mit Ihrem Muster nicht zurecht?”

      ”O doch, Fräulein Pförtner, es handelt sich um eine private Frage.”

      ”Dann stellen Sie sie mir, bitte, nach dem Unterricht. Ich stehe Ihnen im Konferenzzimmer zur Verfügung.”

      ”Danke, Fräulein Pförtner”, erwiderte Yvonne mit bewundernswürdiger Gelassenheit, ”aber es handelt sich um eine Frage, die nicht nur mich brennend interessiert.” Und rasch, ehe Fräulein Pförtner dazu kam, sie noch einmal zu unterbrechen, fügte sie hinzu: ”Stimmt es, daß Sie sich mit Doktor Herbert Jung verlobt haben?”

      “Ja”, sagte Fräulein Pförtner nur, aber dieses eine kleine Wort schlug wie eine Bombe ein.

      ”Also doch!” stieß Yvonne hervor, plötzlich gar nicht mehr gelassen.

      Fräulein Pförtner tat, als ob sie den Schock, den sie den Mädchen verpaßt hatte, nicht bemerkte. “Ja, Sie dürfen mir gratulieren“, erklärte sie lächelnd. “Die offizielle Verlobung wird zwar erst unter dem Weihnachtsbaum stattfinden, aber Doktor Jung wollte nicht mehr so lange warten. So haben wir gestern schon die Ringe getauscht.”

      “Na dann, herzlichen Glückwunsch”, sagte Margot, aber es klang alles andere als begeistert.

      Helga war es plötzlich, als wenn der ganze Raum sich erst langsam, dann immer schneller um sie zu drehen begänne.

      ”Helga, was haben Sie denn?” rief Fräulein Pförtner besorgt.

      ”Die Luft”, brachte Helga mühsam hervor, ”es ist so … so stickig!”

      ”Machen Sie die Fenster auf!”

      Helga fühlte sich links und rechts gepackt und zu einem der geöffneten Fenster geschleppt. Die schneidend kalte Luft tat ihr gut. Sie atmete tief durch, und die Welt um sie herum kam zum Stillstand.

      Aber der wehe, nie zuvor gefühlte Schmerz in ihrer Brust blieb und bohrte sich tiefer und tiefer.

      Als Fräulein Pförtner nach der Stunde das Klassenzimmer verlassen hatte, sprang Yvonne auf einen der vorderen Tische.

      ”So leicht wollen wir es Tweedy nicht machen!” rief sie. ”Wir werden ihm einen Denkzettel verpassen! Wer ist dafür? Wer ist dagegen?”

      ”Dem tunken wir’s ein“, rief Kicki.

      “Jawohl, der kann sich auf was gefaßt machen!” stimmte Babsy zu.

      “Und wenn ich mir meine Noten verderbe, ich mache mit!” erklärte Ilse.

      Rache für Tweedys Verrat!

      Die ganze zwölfte Klasse war dafür, Rache an Dr. Herbert Jung zu nehmen. Alle Schülerinnen fühlten sich von ihm an der Nase herumgeführt, auch diejenigen, denen er niemals besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Auch sie hatte er durch sein bloßes Auftreten, seine anziehende männliche Erscheinung, seine klugen grauen Augen und die sympathischen Lachfältchen zu Träumen verfuhrt, in die sie sich nicht hineingesteigert haben würden, wenn sie von vornherein gewußt hätten, daß er schon in festen Händen war.

      Margot, Hannelore und Helga schien es zwar kindisch, den Ärger über ihre Enttäuschung durch einen Streich abzureagieren, aber keine von ihnen wollte sich gegen die Allgemeinheit stellen. Helga, die wohl am tiefsten getroffen war, fühlte sich immer noch ganz verwirrt und erledigt und sehnte sich danach, endlich mit ihren Gedanken allein zu sein. Sie hätte im Augenblick beim besten Willen nicht die Kraft aufgebracht, sich für den geliebten Lehrer einzusetzen.

      So kam es, daß Yvonnes Vorschlag einstimmig angenommen wurde. Nur über die Art des Denkzettels, den man Dr. Herbert Jung verpassen


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