Tödliche Hände. Marie Louise Fischer
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Tödliche Hände
SAGA Egmont
Tödliche Hände
Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de) represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)
Originally published 1979 by Goldmann Verlag, Germany
All rights reserved
ISBN: 9788711719183
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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1
Staatsanwalt Gert Lamprecht starrte angestrengt aus dem Fenster seines Autos auf die Landstraße. Der Nebel war fast undurchdringlich, und Lamprecht wagte nicht schneller als im Schrittempo zu fahren. Er verfluchte das ganze Abenteuer von Herzen.
Als ihm die anonyme Anzeige gegen Maria Sebaldt, die Herrin auf der halbverfallenen Burg Eberstein, vor einigen Tagen auf den Schreibtisch geflattert war, hatte er die Angelegenheit für interessant gehalten. Maria Sebaldt war eine extravagante Persönlichkeit, von der man sagte, daß sie übersinnliche Fähigkeiten besitze. Sie pflegte von sich selber zu behaupten, daß sie Geister beschwören könne.
Staatsanwalt Gert Lamprecht haßte solchen Hokuspokus und war begeistert gewesen von der Aussicht, eine Betrügerin, die ihren Profit aus der Dummheit der Menschen zu schlagen pflegte, überführen zu können.
Um seinem Besuch einen nicht gar so offiziellen Anstrich zu geben, hatte er sich entschlossen, Lisa, seine Frau, und deren 22jährige Schwester Monika Müller mitzunehmen.
Die beiden Frauen hatten in der Erwartung eines interessanten Abends geschwelgt, aber das unwirtliche Wetter hatte sich dann auch auf ihre Stimmung gelegt; seit einer halben Stunde sprachen sie kaum noch etwas.
Jetzt, plötzlich, lichtete sich der Nebel, die Sicht wurde besser. Im ungewissen Licht des abnehmenden Mondes zeichnete sich kaum hundert Meter vor ihnen eine düstere Silhouette ab: ein runder romanischer Turm, Giebel, Erker, Fensterbögen.
»Burg Eberstein«, brummte Staatsanwalt Gert Lamprecht. »Wir sind am Ziel.«
Sekunden später rollten sie über eine Zugbrücke, die unter der Last des Wagens ächzte und polterte.
Dann hielten sie auf dem Kopfsteinpflaster des Burghofes.
Heulend riß eine riesengroße Dogge an der Kette. Ein Tor öffnete sich, eine breite Bahn hellgelben Lichts ergoß sich über den Hof, eine schwarze Gestalt tauchte auf.
Sie kam auf den Wagen zu. Ein altes, runzeliges Gesicht, umrahmt von einem Franz-Joseph-Backenbart, wurde sichtbar.
»Wollen Sie nicht aussteigen?« fragte der Mann.
»Bitte, können Sie nicht erst den Hund einsperren?« antwortete ängstlich Lisa, die Frau des Staatsanwalts, die das Wagenfenster heruntergekurbelt hatte.
Der alte Mann wandte sich mit einigen besänftigenden Worten an das Tier, das sich daraufhin knurrend in seine Hütte zurückzog.
Mit steifen Beinen stiegen sie aus.
»Danke«, sagte Lisa, »vielen Dank, Herr…«
»Anton, der Diener.« Der alte Mann verbeugte sich. Als er sich wieder aufrichtete, schien leichter Spott in seinen wäßrigen blauen Augen zu liegen.
Sie gingen auf die breite steinerne Freitreppe zu, als ein schwerer amerikanischer Wagen in den Burghof fuhr. Ein dicker, großer Mann stieg schnaufend aus, fragte auf deutsch, aber mit unverkennbarem amerikanischen Akzent:
»Bin ich hier richtig auf Burg Eberstein?«
Sie hörten auch noch, wie der Diener die Frage bejahte und dann hinzufüete: »Habe ich die Ehre mit Mr. George Pearson?«
Dann nahm etwas anderes ihre Aufmerksamkeit in Anspruch. Ein Mann kam mit schlenkernden Armbewegungen eilig die Freitreppe herab, trat auf sie zu und sagte mit altmodischer Förmlichkeit: »Ich heiße Sie auf Burg Eberstein willkommen.«
Der Mann hatte tiefliegende Augen und einen auffallend schmallippigen Mund.
Staatsanwalt Lamprecht verbeugte sich knapp. »Dr. Zacharias, wenn ich mich nicht irre …«
»Sehr richtig.« Der Mund des Mannes verzog sich zu einem breiten Lächeln; gelbe, leicht auseinanderstehende Zähne wurden sichtbar. »Arzt und Pathologe.« »Staatsanwalt Lamprecht.«
Das Gesicht des Arztes wurde plötzlich besorgt. »Es ist auf Burg Eberstein nicht üblich, sich vorzustellen, Herr Staatsanwalt«, sagte er, »um Peinlichkeiten zu vermeiden, und außerdem … Sie werden verstehen, die Anwesenheit eines Staatsanwalts könnte beunruhigend auf unsere anderen Gäste wirken.«
Der Staatsanwalt hob ironisch seine farblosen Augenbrauen. »Ich verstehe durchaus, Herr Doktor. Aber immerhin wird es Sie vielleicht interessieren, daß dies hier meine Frau und diese junge Dame meine Schwägerin ist.«
Dr. Zacharias musterte Monika unverhohlen. Die Pupillen seiner dunkelgrauen Augen waren klein wie Stecknadelköpfe. »Wir hatten Sie nicht erwartet«, sagte er zu Monika, »aber … ja nun … Sie sind uns natürlich willkommen.«
Monika hätte es dabei bewenden lassen können, aber sie wollte ihre Anwesenheit möglichst plausibel machen. »Ich bin Studentin der Psychologie. Meine Doktorarbeit beschäftigt sich mit den Grenzfällen der Psychologie. Deshalb bin ich …«
»Aber selbstverständlich«, unterbrach Dr. Zacharias sie, »wir haben es bisher immer so gehalten, daß jeder das Medium Maria Sebaldt konsultieren durfte, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen.«
»Ich will sie keineswegs konsultieren, ich will nur …«, erklärte Monika, aber nun unterbrach ihr Schwager sie: »Schon gut.«
Zu Dr. Zacharias gewandt, fügte er mit ruhiger Stimme hinzu: »Pflegt Maria Sebaldt Honorare für ihre Bemühungen zu verlangen?«
»Niemals! Auch dann nicht, wenn sie ihr freiwillig angeboten werden. Herr Staatsanwalt, ich habe immer streng darüber gewacht, daß ihre spiritistischen Sitzungen in rein wissenschaftlichem Rahmen stattfinden. Wenn es Sie interessiert, kann ich Ihnen gerne Einblick in die Gutachten von namhaften Wissenschaftlern geben, die Maria Sebaldts außergewöhnliche Begabung bestätigt haben.«
»Danke, ich möchte mir lieber selbst ein Bild machen«, erwiderte der Staatsanwalt.
»Ich beglückwünsche Sie zu dieser Einstellung, Herr Staatsanwalt«, sagte Dr. Zacharias mit einer Begeisterung, die reichlich übertrieben schien. »Ich bin ganz sicher, wenn Sie das Wirken des Mediums mit eigenen Augen beobachtet haben, werden Sie zugeben, daß dabei von Betrug keine Rede sein kann.«
Sie waren ins Treppenhaus getreten. An einigen Haken an der Wand hingen Mäntel, die sich im scharfen Luftzug bauschten.
»Bitte, legen Sie ab«, sagte Dr. Zacharias und half Lisa, der Frau des Staatsanwalts, aus dem Mantel.
Monika zögerte, den Mantel auszuziehen, denn im Treppenhaus herrschte die modrige Kühle einer Gruft. Aber sie gab ihren Widerstand auf, als ihr Schwager ihr den Mantel abnahm und ihn ans Ende der Kleiderablage hängte.
»Sie müssen mir glauben«, wandte sich Dr. Zacharias wieder an den Staatsanwalt, »niemand