Nachtstücke - 2. Teil. E.T.A. Hoffmann

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Nachtstücke - 2. Teil - E.T.A. Hoffmann


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Haus in der Allee als Eigentumn zu schenken, sondern auch zu erlauben, dass sie dort einen eigenen, ganz unabhängigen Haushalt führe, wobei sie sich bedungen, dass keiner aus der Familie, ihn selbst nicht ausgenommen, ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis das Haus betreten solle. Der Graf von S. fügte hinzu, dass auf Angelikas dringenden Wunsch er seinen Kammerdiener ihr habe überlassen müssen, der mitgereist sei nach ***n. Die Hochzeit wurde vollzogen, Graf S. ging mit seiner Gemahlin nach D., und ein Jahr verging ihnen in ungetrübter Heiterkeit. Dann fing aber der Graf an, auf ganz eigene Weise zu kränkeln. Es war, als wenn ihm ein geheimer Schmerz alle Lebenslust, alle Lebenskraft raube, und vergebens waren alle Bemühungen seiner Gemahlin, das Geheimnis ihm zu entreissen, das sein Innerstes verderblich zu zerstören schien. Als endlich tiefe Ohnmachten seinen Zustand lebensgefährlich machten, gab er den Ärzteri nach und ging angeblich nach Pisa. — Gabriele konnte nicht mitreisen, da sie ihrer Niederkunft entgegensah, die indessen erst nach mehreren Wochen erfolgte.

      „Hier“, sprach der Arzt, „werden die Mitteilungen der Gräfin Gabriele von S. so rhapsodisch, dass nur ein tieferer Blick den näheren Zusammenhang auffassen kann. — Genug — ihr Kind, ein Mädchen, verschwindet aufunbegreifliche Weise aus der Wiege, alle Nachforschungen bleiben vergebens — ihre Trostlosigkeit geht bis zur Verzweiflung, als zur selbigen Zeit Graf von Z. ihr die entsegliche Nachricht schreibt, dass erden Schwiegersohn, den er aufdem Wege nach Pisaglaubte, in ***n, und zwar in Angelikas Hause, vom Nervenschlage zum Tode getroffen, gefunden; dass Angelika in furchtbaren Wahnsinn geraten sei und dass er solchen Jammer wohl nicht lange tragen werde. — So wie Gabriele von S. nur einige Kräfte gewonnen, eilt sie auf die Güter des Vaters; in schlafloser Nacht das Bild des verlorenen Gatten, des verlorenen Kindes vor Augen, glaubt sie ein leises Wimmern vor der Türe des Schlafzimmers zu vernehmen; ermutigt zündet sie die Kerzen des Armleuchters bei der Nachtlampe an und tritt hinaus. — Heiliger Gott! niedergekauert zur Erde, in den roten Schal gewickelt, starrt das Zigeunerweib mit stierem, leblosem Blick ihr in die Augen — in den Armen hält sie ein kleines Kind, das ängstlich wimmert; das Herz schlägt der Gräfin hoch auf in der Brust! — es ist ihr Kind, es ist die verlorene Tochter! — Sie reisst das Kind der Zigeunerin aus den Armen, aber in diesem Augenblick kugelt diese um wie eine leblose Puppe. Auf das Angstgeschrei der Gräfin wird alles wach, man eilt hinzu, man findet das Weib tot auf der Erde, kein Belebungsmittel wirkt und der Graf lässt sie einscharren. — Was bleibt übrig, als nach ***n zur wahnsinnigen Angelika zu eilen und vielleicht dort das Geheimnis mit dem Kinde zu erforschen. Alles hat sich verändert. Angelik as wilde Raserei hat alle weiblichen Dienstboten entfernt, nur der Kammerdiener ist geblieben. Angelika ist ruhig und vernünftig geworden. Als der Graf die Geschichte von Gabrielens Kind erzählt, schlägt sie die Hände zusammen und ruft mit lautem Lachen: ,Ist’s Püppchen angekommen? — richtig angekommen? — eingescharrt, eingescharrt? Ojemine, wie prächtig sich der Goldfasan schüttelt! wisst ihr nichts vom grünen Löwen mit den blauen Glutaugen?’ — Mit Entsetzen bemerkt der Graf die Rückkehr des Wahnsinns, indem plötzlich Angelikas Gesicht die Züge des Zigeunerweibes anzunehmen scheint, und beschliesst, die Arme mitzunehmen auf die Güter, welches der alte Kammerdiener widerrät. In der Tat bricht auch der wahnsinn Angelik as in Wut und Raserei aus, sobald man Anstalten macht, sie aus dem Hause zu entfernen. — In einem lichten Zwischenraum beschwört Angelika mit heissen Tränen den Vater, sie in dem Hause sterben zu lassen, und tiefgerührt bewilligt er dies, obwohl er das Geständnis, das dabei ihren Lippen entflieht, nur für das Erzeugnis des aufs neue ausbrechenden Wahnsinns hält. Sie bekennt, dass Graf S. in ihre Arme zurückgekehrt, und dass das Kind, welches die Zigeunerin in das Haus des Grafen von Z. brachte, die Frucht dieses Bündnisses sei. — In der Residenz glaubt man, dass der Graf von Z. die Unglückliche mitgenommen hat auf die Güter, indessen sie hier, tief verborgen und der Aufsicht des Kammerdieners übergeben, in dem verödeten Hause bleibt. — Graf von Z. ist gestorben vor einiger Zeit, und Gräfin Gabriele von S. kam mit Edmonden her, um Familienangelegenheiten zu berichtigen. Sie durfte es sich nicht versagen, die unglückliche Schwester zu sehen. Bei diesem Besuch muss sich Wunderliches ereignet haben, doch hat mir die Gräfin nichts darüber vertraut, sondern nur im allgemeinen gesagt, das es nun nötig geworden, dem alten Kammerdiener die Unglückliche zu entreissen. Einmal habe er, wie es herausgekommen, durch harte grausame Misshandlungen den Ausbrüchen des Wahnsinns zu steuern gesucht, dann aber durch Angelikas Vorspiegelung, dass sie Gold zu machen verstehe, sich verleiten lassen, mit ihr allerlei sonderbare Operationen vorzunehmen und ihr alles Nötige dazu herbeizuschaffen. — Es würde wohl“, so schloss der Arzt seine Erzählung, „ganz überflüssig sein, Sie, gerade Sie auf den tieferen Zusammenhang aller dieser seltsamen Dinge aufmerksam zu machen. Es ist mir gewiss, dass Sie die Ratastrophe herbeigeführt haben, die der Alten Genesung oder baldigen Tod bringen wird. Übrigens mag ich jetzt nicht verhehlen, dass ich mich nicht wenig entsetzte, als ich, nachdem ich mich mit Ihnen in magnetischen Rapport gesetzt, ebenfalls das Bild im Spiegel sah. Dass dies Bild Edmonde war, wissen wir nun beide.“ —

      Ebenso, wie der Arzt glaubte, für mich nichts hinzufügen zu dürfen, ebenso halte ich es für ganz unnütz, mich nun noch, darüber etwa zu verbreiten, in welchem geheimen Verhältnis Angelika, Edmonde, ich und der alte Kammerdiener standen, und wie mystische Wechselwirkungen ein dämonisches Spiel trieben. Nur so viel sage ich noch, dass mich nach diesen Begebenheiten ein drückendes, unheimliches Gefühl aus der Residenz trieb, welches erst nach einiger Zeit mich plötzlich verliess. Ich glaube, dass die Alte in dem Augenblick, als ein ganz besonderes Wohlsein mein Innerstes durchströmte, gestorben ist. — So endete Theodor seine Erzählung. Noch manches sprachen die Freunde über Theodors Abenteuer und gaben ihm recht, dass sich darin das Wunderliche mit dem Wunderbaren auf seltsame grauliche Weise mische. — Als sie schieden, nahm Franz Theodors Hand und sprach, sie leise schüttelnd, mit beinahe wehmütigem Lächeln: „Gute Nacht, du Spalanzanische Fledermaus!“

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