Und so was nennt ihr Liebe. Marie Louise Fischer

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Und so was nennt ihr Liebe - Marie Louise Fischer


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daß ich Spaß mache … ich schieße wirklich. – Also, was ist?«

      Die Wirkung, die Jürgen erwartet hatte, blieb aus. Weder James Mann noch Martina zeigten auch nur das geringste Erschrecken. »O Boy, du hast sie wohl nicht alle«, sagte Martina lediglich.

      James Mann rieb gelassen seine nackten Füße aneinander. »Moment, junger Mann, lassen Sie mich erst mal meine Strümpfe anziehen!«

      Er drehte sich um, schob Martina vor sich her in den Wohnraum. Jürgen folgte ihnen dicht auf den Fersen, die Pistole krampfhaft umklammert. Tatsächlich wußte er nicht, was er jetzt tun sollte. Seine Drohung wahrmachen? Schießen? Das würde den beiden schon Respekt einflößen. Aber dieser elende Playboy hatte ihm den Rücken zugewandt. Er konnte ihn doch nicht gut von hinten niederknallen. Wo blieb denn da seine Vorstellung von Ehre? Wenn er einen ungezielten Schuß in den Fußboden oder in die Decke abgeben würde? Auch das wäre sicher wirkungsvoll, würde aber die Nachbarn alarmieren, und die Einmischung von Fremden, womöglich der Polizei, konnte er im Moment am wenigsten brauchen.

      Martinas Freund bückte sich unbekümmert, angelte eine lavendelfarbene Socke unter der zerwühlten Couch hervor, richtete sich auf und drehte sich gleichzeitig sachte zu Jürgen um. »Machen Sie sich’s doch bequem«, sagte er und zeigte mit einem falschen Lächeln seine unwahrscheinlich weißen und ebenmäßigen Zähne, »übrigens, ich glaube, wir haben uns einander noch nicht vorgestellt … ich bin James Mann!«

      Er hielt Jürgen die rechte Hand hin – in der linken hielt er die Socke.

      Jürgens Verwirrung wuchs. Sekundenlang wußte er überhaupt nicht, was er tun sollte. James Mann wirklich die Hand geben? Dann hätte er die Waffe in die andere Hand nehmen müssen, in der er aber schon seine Schulmappe hatte. Außerdem durfte er nicht vergessen, daß er dem Verführer seiner Schwester gegenüberstand. Er holte aus, um ihm mit der Pistole einen Schlag auf die Finger zu geben.

      Aber der Ältere war schneller. Er packte Jürgens Handgelenk, preßte es so schmerzhaft und mit so unerwarteter Kraft, daß der Junge aufschrie und die Waffe fallen ließ. Ehe er sich fassen konnte, hatte der Mann sie aufgehoben, betrachtete sie aus schmalen Augen.

      »Geben Sie her!« schrie Jürgen, außer sich vor Zorn und Scham.

      »Na, na, na«, sagte der Mann, »nur nicht frech werden, Kleiner!«

      Er wog die Pistole in der Hand. »Nettes Spielzeug … gehört sie dir?«

      Jürgen schwieg, biß sich auf die Unterlippe.

      »’raus mit der Sprache! Ich habe dich etwas gefragt!«

      »Sie haben kein Recht …«

      »Ach, wirklich nicht? Du bildest dir also wirklich ein, du könntest hier hereintoben und mich bedrohen, und ich müßte mir das so ohne weiteres gefallen lassen? Ich muß schon sagen, das sind ganz reizende Ideen, die dein kleiner Bruder da entwickelt, Martina! Ob er damit die Polizei überzeugen kann?«

      »Keine Polizei, James«, mischte sich Martina hastig ein, »bitte nicht!«

      »Laß dir doch nichts weismachen!« rief Jürgen – er rieb sich noch immer sein schmerzendes Gelenk, »er denkt ja gar nicht daran, die Polizei hineinzuziehen, darauf kann er es nicht ankommen lassen!«

      James Mann trat ganz dicht an ihn heran. »So, und warum nicht, du kleiner Klugscheißer?«

      »Weil Sie meine Schwester …« Jürgen schluckte, er war unfähig, den Tatbestand auszusprechen.

      »Na wenn schon!« sagte James Mann verächtlich. »Ich habe nicht die entfernteste Absicht, das zu leugnen. Ich habe ihr keine Gewalt angetan. Martina ist sechzehn. Also, was soll’s?« Plötzlich verdunkelten sich seine Augen, er wandte sich Martina zu.

      »Oder … hast du mich etwa angelogen!?«

      »Nein, James, ich bin sechzehn.« Sie begann nervös zu kramen.

      Jürgen konnte es nicht länger mit ansehen. »Sie ist sechzehn«, gab er mit spröder Stimme zu.

      »Na also … was bildest du dir dann ein, hätte ich zu befürchten? Dich wird man schnappen, mein Lieber, eine saftige Jugendstrafe … so zwei, drei Jahre Erziehungsanstalt. Hausfriedensbruch, tätliche Bedrohung, das sind schon nicht mehr so ganz kleine Fische.« Der Mann machte eine wohlüberlegte Pause, um diesen Gedankengang erst einmal auf Jürgen wirken zu lassen, öffnete das Magazin der Pistole, ließ die Patronen in die offene Hand rollen. »Wie haben wir es jetzt?« fragte er. »Soll ich die Funkstreife rufen … oder wollen wir uns nicht doch lieber friedlich einigen?«

      »Lassen Sie meine Schwester in Ruhe!«

      James Mann grinste. »Nur keine Bange, ich tu ihr nichts, was sie nicht selber will. Die kann sich schon wehren, die braucht niemanden, der für sie den edlen Ritter spielt. Ich frage zum letzten Mal … woher hast du die Pistole?«

      »Geliehen.«

      James Mann klopfte sich ungeduldig mit dem Lauf auf die Hand. »Los, los, weiter! Einzelheiten …«

      »Von einem Freund«, gestand Jürgen widerwillig, »aber er weiß nicht, wozu ich sie wollte. Sie gehört seinem Vater, der war Offizier im letzten Weltkrieg.«

      »Hochinteressant. Nun paß mal auf: bestell deinem Freund einen schönen Gruß von mir und sag ihm, daß er die Pistole bei mir abholen kann. Abends zwischen sieben und acht bin ich fast immer zu Hause.«

      Jürgens empfindsames Gesicht wurde ganz blaß. »Nein«, stieß er hervor, »nein, das werde ich nicht tun!«

      »Und warum nicht?«

      »Er hat Angst vor der Blamage«, erklärte Martina.

      »Es wäre dir wohl lieber, ich würde die Polizei anrufen?«

      »Ja«, sagte Jürgen, »ja, viel lieber!«

      James Mann sah ihn kopfschüttelnd an. »Du bist schon ein sonderbarer Heiliger. Irgendwo muß bei dir eine Schraube locker sein.« Er strich sich selbstgefällig über seine hübschen Koteletten. »Na, dann wollen wir mal Gnade vor Recht ergehen lassen.« Er reichte ihm die entladene Pistole. »Nimm das Ding und verschwinde.«

      Jürgen riß ihm die Waffe aus der Hand, rannte ohne ein weiteres Wort zur Türe.

      »Laß dir das eine Lehre sein«, rief James Mann ihm nach, »oder mach nur weiter solche Sachen, dann kommst du bald in Teufels Küche!«

      Jürgen raste die Treppe hinunter, als ob er verfolgt würde. Unten angekommen, war er völlig atemlos – doch mehr von dem überstandenen Schrecken, der ihm immer noch in den Knochen saß. Sein Magen krampfte sich zusammen, ihm war so schlecht, daß er glaubte, sich übergeben zu müssen.

      Er riß die Haustüre auf, hoffte, die frische Luft würde ihm guttun. Erst als er Senta gegenüberstand, fiel ihm ein, daß sie die ganze Zeit auf ihn gewartet hatte.

      »Jürgen!« rief sie. »Mein Gott! Was habe ich für Angst gehabt!«

      »Versteh’ ich nicht«, erwiderte er mit unnatürlicher Stimme, »was konnte da schon passieren!«

      In diesem Augenblick entdeckte sie die Waffe, die er noch immer offen in der Hand hielt. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück. Ihre schrägen Augen schimmerten schwarz wie Achat.

      »Du hast doch nicht …?« rief sie entsetzt.

      »Ach, woher denn …«

      »Eine Pistole! Wie konntest du nur! Wenn ich das gewußt hätte!«

      »Was dann?«

      »Ich hätte dich nie und nimmer hinaufgehen lassen!«

      »Bildest du dir etwa ein, du hättest mir etwas zu sagen?« erwiderte er grob und verstaute die Waffe in seiner Mappe.

      »Ist bestimmt nichts passiert?«

      »Wenn du mir nicht glaubst, da, riech am Lauf. Riecht das, als wenn ein Schuß daraus abgegeben worden wäre?« Er hielt ihr die


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