Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.Johanna war aufgeregt wie ein Kind am Weihnachtsabend, als sie zum Frühstück ging. Sie hatte sich besonders hübsch angezogen und das Haar mit einem bunten Band im Nacken zusammengebunden.
»Du strahlst ja so«, meinte Marion Trenker augenzwinkernd, als sie sich im Flur begegneten. »Hattest du einen schönen Abend?«
Johanna nickte.
Ja, es war wirklich ein sehr schöner Abend gewesen, den sie und Stefan Kreuzer im Biergarten des Hotels verbracht hatten. Nach der Besichtigung der Kirche überlegten sie, ob sie in die Pension zurückkehren oder einen Spaziergang machen sollten, und entschieden sich dafür, ein Stück aus dem Dorf hinauszuwandern. Beinahe eine ganze Stunde waren sie gegangen und hatten sich die Gegend angeschaut. Dann setzten sie sich auf eine Bank am Wegesrand und unterhielten sich herrlich. Johanna hatte sich schon lange nicht mehr so glücklich gefühlt. Dabei spielte es überhaupt keine Rolle, daß sie sich im Stillen fragte, ob sie vielleicht in Stefan Kreuzer verliebt war. Nein, es war einfach die ganze Atmosphäre, die sie ihren Kummer vergessen ließ. Es war schön, neben ihm zu sitzen und zu plaudern, seiner angenehmen Stimme zu lauschen und sein lachendes Gesicht zu beobachten.
Aber sie ahnte nicht, wie es wirklich in ihm aussah. Auch wenn er erzählte oder einen Witz machte, in seinen Gedanken war Stefan bei dem, was sein Vater von ihm verlangte. Und er suchte verzweifelt nach einem Ausweg.
Natürlich wollte er die Firma nicht gefährden, aber durfte man dieses Opfer von ihm verlangen?
Und dann saß er hier auch noch mit einem bezaubernden Madl, das ihn mehr ansprach, als es je eine Frau zuvor getan hatte!
»Wie ist eigentlich das Essen im Gasthof?« erkundigte er sich.
Zum einen, weil er sich von den trüben Gedanken ablenken wollte, aber auch, weil er tatsächlich Hunger verspürte.
»Sehr gut«, antwortete Johanna.
»Prima, dann lade ich dich jetzt ein.«
Und so verbrachten sie den ganzen Abend unter einem wunderschönen Himmel. Das Essen war wirklich ganz ausgezeichnet, das Bier schmeckte lecker, und ihre Stimmung konnte nicht besser sein. Es war schon sehr spät, als sie beschwingt zur Pension zurückgingen. Vor ihren Zimmern verabschiedeten sie sich.
»Also, bis morgen früh«, sagte Johanna.
»Schlaf gut«, erwiderte Stefan. »Ich freue mich schon. Erst fahren wir zum Baden an den See und nachmittags zum Reiterhof.«
Dabei zwinkerte er ihr schelmisch zu.
»Er sitzt schon draußen«, meinte Marion und lächelte, als sie sah, daß die Sekretärin unwillkürlich verlegen wurde.
Johanna ging hinaus. Stefan erhob sich von seinem Stuhl, als er sie sah, und begrüßte sie mit einem warmen Lächeln.
»Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?« erkundigte er sich.
»Danke«, nickte sie und setzte sich. »Du auch?«
»Wie ein Bär in seiner Höhle«, grinste er und nahm wieder Platz. »Und jetzt habe ich Hunger wie Meister Pelz, wenn er aus dem Winterschlaf erwacht.«
»Dann laß dich mal überraschen«, antwortete Johanna.
Marion brachte das Frühstück, und Stefan gingen tatsächlich die Augen über.
»Bleibt es bei deinem Plan, an den Achsteinsee zu fahren?« fragte die Wirtin.
Johanna nickte.
»Wir fahren zusammen«, erklärte sie.
»Dann bringe ich euch nachher noch Papier«, fuhr Marion fort. »Macht euch Brote, die ihr mitnehmt.«
»Das ist aber lieb«, sagte Stefan.
Marion lächelte.
»Das gehört zum Service«, erklärte sie. »Wir wollen, daß unsere Gäste zufrieden sind.«
»Guten Morgen allerseits«, ließ sich eine Stimme vernehmen. »Ich wünsche einen guten Appetit.«
Es war Pfarrer Trenker, der in den Garten gekommen war. Er nickte grüßend zu allen Tischen. Einige der Pensionsgäste kannte er. Sie wohnten schon länger hier und kamen regelmäßig zur Messe in die Kirche.
»Grüß dich, Sebastian«, sagte Marion und umarmte ihn. »Magst einen Kaffee mittrinken?«
»Dank’ schön.« Der gute Hirte von St. Johann schüttelte den Kopf. »Ich hab’ grad gefrühstückt. Ich bin eigentlich nur mal hergekommen, um zu schauen, wie’s euch so geht.«
Er schaute Johanna an.
»Und wie gefällt’s Ihnen?«
»Prima«, antwortete die Sekretärin. »Es ist wunderschön hier, aber das hab’ ich Ihnen ja schon gesagt. Gestern war ich übrigens noch mal in der Kirche und habe dem Herrn Kreuzer hier alles gezeigt.«
»Dann hab’ ich mich also doch net getäuscht.« Sebastian nickte. »Ich war net ganz sicher, als ich aus dem Fenster geschaut hab’, ob Sie’s wirklich sind.«
Er reichte Stefan die Hand, und der junge Mann stellte sich ihm vor.
»Ich habe gehört, daß Sie öfters mal eine Bergtour unternehmen«, sagte er. »Dürfte man Sie dabei mal begleiten?«
»Aber freilich«, erwiderte der Bergpfarrer. »Ich freu’ mich immer, wenn ich jemandem die Schönheiten meiner Heimat zeigen kann. Kommen S’ doch morgen nachmittag zum Kaffee ins Pfarrhaus, dann können wir einen Termin machen.«
»Vielen Dank. Das ist sehr nett«, freute sich Stefan und sah Johanna an. »Du kommst doch mit?«
»Freilich kommt sie mit«, schmunzelte der Geistliche.
Marion hatte ihm gestern am Telefon anvertraut, warum Johanna Kramer in die Stille des Bergdorfes geflüchtet war. Um so mehr freute er sich für sie, daß sie so einen sympathischen jungen Mann kennengelernt hatte.
»Oder sollte ich mich da täuschen?« hakte er nach. »Sie werden staunen, wie schön es da droben ist.«
»Das glaube ich gern«, antwortete sie. »Und natürlich komme ich mit auf Bergtour.«
*
»Du meine Güte, ist das voll hier!« sagte Stefan, als er auf den Parkplatz einbog. »Dabei ist es noch nicht einmal elf.«
Er suchte und fand eine Lücke, in die sein Auto paßte. Sie nahmen ihre Badesachen und den Korb mit dem Proviant aus dem Kofferraum und gingen zum Eingang.
Der Achsteinsee lag vor einer zauberhaften Bergkulisse. Sein Wasser war tiefblau und bildete einen reizvollen Kontrast zum strahlenden Himmel, an dem sich kein Wölkchen zeigte. Der See war ein beliebtes Ausflugsziel für Einheimische und Touristen. Es gab einen Campingplatz, auf dem man zelten oder seinen Wohnwagen abstellen konnte, nicht weit entfernt stand ein Hotel, und in den umliegenden Häusern wurden Zimmer und Ferienwohnungen vermietet. Die Uferpromenade war von zahlreichen kleinen Geschäften und Lokalen gesäumt, Cafés und Eisdielen lockten zum Verweilen.
Auf der großen Liegewiese hatten schon zahlreiche Badehungrige ihre Decken und Handtücher ausgebreitet, aber Johanna und Stefan fanden einen Platz in der Nähe eines hohen Schilfmattenzaunes, der die Wiese zum Parkplatz hin abgrenzte.
Stefan schaute bewundernd auf Johannas Figur, als sie aus der Umkleidekabine kam. Sie trug einen gelben Badeanzug mit roten Streifen, den sie noch kurz vor Urlaubsantritt gekauft hatte.
»Bis zur Insel?« schlug er vor.
Sie nickte und lief los. Das Wasser war nicht so kühl, wie man es von einem Bergsee erwartet hätte. Aber es erfrischte herrlich. Nachdem sie sich einen Weg durch den Nichtschwimmerbereich gebahnt hatten, schwammen sie zu der künstlichen Insel. Es waren gut fünfzig Meter, die sie zurücklegen mußten.
»Es ist himmlisch!« rief Johanna begeistert, als sie sich hinaufgezogen hatte und neben Stefan saß.
»Ja.«