Messi. Luca Caioli

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Messi - Luca Caioli


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den Wänden der Bar hängen Trikots argentinischer Spieler. Auch das von Leo ist darunter. Es hängt unter einem Fenster und trägt die Nummer 30 vom FC Barcelona. „Die haben keine Ahnung, dass ich seine Mutter bin, obwohl wir in der Stadt wohnen“, meint Celia nur. Sie ist eine Frau, die den Ruhm scheut, sich der Risiken eines Promis vollkommen bewusst ist und klare Prioritäten für ihr eigenes und das Leben ihrer Kinder gesetzt hat. Alles schön und gut, aber wie fühlt es sich an, Mutter eines Stars zu sein? „Ich bin stolz, einfach nur stolz. Wenn ich die Zeitung aufschlage und – hier in Argentinien wie drüben in Spanien – einen Artikel über ihn, seine Rückennummer oder die Kinder, die damit herumlaufen, sehe … dann erfüllt mich das einfach mit Stolz. Deshalb tut es mir auch weh, wenn ich Kritik an seinem Spiel höre oder falsche Informationen über sein Leben verbreitet werden. Es trifft einen tief in der Seele, wenn dich jemand anruft und fragt, hast du dies gesehen, hast du das gesehen. Leo? Der liest doch kaum, was über ihn geschrieben wird. Und wenn doch, macht ihm das nicht viel aus. Aber das heißt nicht, dass er nicht auch harte Zeiten erlebt hat. Selbst er hatte seine Tiefpunkte, als er monatelang verletzt war und die Dinge nicht nach seinem Willen liefen. In solchen Zeiten denke ich nicht lang nach, packe meine Sachen und fliege nach Barcelona – um zu erfahren, was los ist, um in seiner Nähe zu sein und um möglichst gut auf ihn aufzupassen. Leo war immer ein Junge, der seine Probleme für sich behalten hat. Gleichzeitig ist er aber auch sehr erwachsen für sein Alter. Ich erinnere mich noch gut an seine Worte, als wir andeuteten, dass er ja auch nach Argentinien zurückkehren könne: ‚Mama, mach dir keine Sorgen. Ich bleibe, du gehst zurück, und Gott wird mit uns sein.‘ Er hat einen ziemlich starken Willen.“

      Celia kommt wieder auf das Thema Erfolg zurück, auf die Leute, die auf beiden Seiten des Atlantiks ganz verrückt sind nach „La Pulga“, dem Floh. „Am schönsten finde ich, dass die Leute ihn so lieben“, sagt Celia. „Ich glaube, dass sie ihn lieben, weil er ein einfacher, bescheidener und guter Mensch ist. Er denkt immer an die anderen und tut alles dafür, dass es jedem in seiner Nähe gut geht: seinen Eltern, seinen Geschwistern, seinen Neffen und Nichten, seinen Cousins. Ständig denkt er an seine Familie. Natürlich bin ich seine Mutter, und eine Mutter erzählt von ihren Kindern, die ja ihr Ein und Alles sind, immer nur Gutes. Aber Leo hat ein ganz großes Herz.“

      Wie sieht eine Mutter die Zukunft ihres Sohns? „In Sachen Fußball schreibt er hoffentlich Geschichte, so wie Pelé oder Maradona. Ich hoffe, dass er es weit bringt. Als Mutter aber hoffe ich bei Gott vor allem, dass er glücklich ist und sein Leben lebt. Bisher hat er noch nicht wirklich gelebt, hat er sich doch mit Leib und Seele dem Fußball verschrieben. Er geht nicht aus und tut nicht viel von dem, was junge Leute in seinem Alter so tun. Ich hoffe, dass er ein wunderschönes Leben hat. Er hätte es verdient.“

      Draußen vor dem großen Fenster hat sich der Himmel mittlerweile verdunkelt. Der Verkehr ist noch chaotischer geworden. Man sieht Busse, klapprige Lieferwagen, Autos, die eine Rauchwolke hinter sich herziehen, dazu ein von einem abgemagerten Pferd gezogener Karren voller Müll und viele Menschen, die sich zu den Einkaufsläden und Bushaltestellen hindurchschlängeln. Celia muss nach Hause. Dort wartet María Sol auf sie, die Jüngste der Familie. Marcela muss Bruno von der Fußballschule abholen. Es regnet, aber Celia besteht darauf, ihre Gäste bis zum Stadtzentrum zu begleiten. Während sie das Auto holt, spricht Marcela an der Tür noch kurz über die Sorgen einer Mutter – Verletzungen und zu Kopf steigendes Geld: „Bislang haben meine Kinder und Leo nicht den Sinn für die Realität verloren. Ich, meine Familie und die Familie meiner Schwester wohnen in der gleichen Stadt, in der wir zur Welt gekommen sind, in den gleichen Häusern, wo wir schon immer gewohnt haben, wir sind in keine andere Gegend gezogen, wir wollten unsere Wurzeln nicht aufgeben, und unsere Kinder haben sich auch nicht verändert. Ich hoffe, dass das so bleibt und sie sich nicht wie andere Fußballer durch den Ruhm selbst verlieren.“

      Ein grauer VW hält am Bürgersteig, dann heizt Celia mit Karacho durch die Straßen von Süd-Rosario. Wir kommen an Leos alter Schule vorbei, wo sie kurz anmerkt: „Er war kein guter Schüler. Er war ein bisschen zu faul.“ Beim Tiro Suizo, einem 1889 von Einwanderern aus dem Schweizer Kanton Tessin gegründeten Sportverein, biegt sie rechts ab. Zwei Kinder bemerken das Auto überhaupt nicht, viel zu beschäftigt sind sie mit einem Ball, der zwischen ihren Füßen hin und her flitzt. „Genauso war Lionel auch“, sagt Celia.

      Kapitel 2

      Das Garibaldi-Krankenhaus

      24. Juni 1987

      Auf einem rechteckigen Grundstück in der Viasoro 1249 befindet sich ein cremefarbenes Gebäude, errichtet im Stil des 19. Jahrhunderts. Es ist das italienische Krankenhaus, und es ist Guiseppe Garibaldi gewidmet. In Rosario würdigt man diesen Mann auch noch mit einer Statue auf der Plaza de Italia. Er ist eine populäre Figur und als „Held zweier Welten“ bekannt, weil er nicht nur in Italien, sondern auch während seines Exils in Südamerika eine Reihe von Schlachten geschlagen hat, so am Flusslauf des Río Paraná. Dort haben seine Rothemden in jedem Ort, an den sie kamen, ihre Spuren hinterlassen, beispielsweise in den Namen von Krankenhäusern in Rosario und Buenos Aires. Diese wurden von politischen Exilanten, Anhängern Guiseppe Garibaldis und seines revolutionären Kollegen Guiseppe Mazzini, und ihren Arbeitergewerkschaften gegründet. Das Krankenhauses von Rosario wurde am 2. Oktober 1892 eingeweiht und sollte der italienischen Gemeinde dienen, die damals über 70 Prozent aller europäischen Einwanderer stellte. Heute verfügt es über eine der besten Entbindungsstationen der Stadt. An einem Wintermorgen um sechs Uhr früh beginnt hier die Geschichte Lionel Messis, des dritten Kindes der Familie Messi-Cuccittini.

      Leos Vater Jorge ist 29 Jahre alt und Abteilungsleiter beim Stahlproduzenten Acindar in Villa Constitution, das etwa 50 Kilometer entfernt von Rosario liegt. Die 27-jährige Celia arbeitet in einem Betrieb, der Magneten herstellt. Sie haben sich in jungen Jahren im Viertel Las Heras kennengelernt, einem Viertel, das früher einmal als Estado de Israel bekannt war und das man heute als San-Martín-Viertel kennt. Die Menschen dort sind bescheiden und fleißig. Celias Vater Antonio ist Mechaniker und repariert Kühlschränke, Klimaanlagen und andere elektrische Geräte. Ihre Mutter, die ebenfalls Celia heißt, ist seit vielen Jahren als Putzfrau tätig. Jorges Vater Eusebio verdient auf dem Bau seine Brötchen, während seine Frau Rosa María wie Celia als Putzfrau arbeitet. Ihre Häuser liegen nicht viel mehr als hundert Meter voneinander entfernt. Wie viele Familien Rosarios haben auch sie italienische und spanische Vorfahren. Der Nachname Messi stammt aus der in der italienischen Provinz Macerata liegenden Stadt Porto Recanati, zu deren Söhnen auch der Dichter Giacomo Leopardi und der Tenor Beniamino Gigli zählen. Von dort aus machte sich Ende des 19. Jahrhunderts ein gewisser Angelo Messi auf den Weg an Bord eines der vielen Dampfer, die Richtung Amerika ablegten. Genau wie die vielen anderen Auswanderer, die dritter Klasse reisten, war auch er auf der Suche nach einem besseren Leben in der Neuen Welt. Die Cuccittinis stammen väterlicherseits ebenfalls aus Italien. Zunächst lebten die Familien in der feuchten Pampa, ließen sich aber schließlich in der Stadt nieder.

      Rosario ist 305 Kilometer von Buenos Aires entfernt und hat etwa eine Million Einwohner. Die Stadt ist die größte in der Provinz Santa Fe und liegt am Ufer des Río Paraná. Entlang des Flusses zieht sich bis zur Brücke Nuestra Señora del Rosario die Costanera-Promenade. Die Brücke wiederum überquert den von Hochseeschiffen passierbaren Wasserlauf und die darin liegenden Inseln. Sie verbindet die Stadt mit der gegenüberliegenden Stadt Victoria. Der Río Paraná war schon immer eine wichtige Handelsstraße. Von hier aus werden eine Reihe landwirtschaftlicher Produkte in Südamerikas Mercosur-Wirtschaftszone exportiert – wie etwa Soja, das der Region in der jüngsten Vergangenheit einigen Wohlstand gebracht und das urbane Gefüge Rosarios verändert hat. Am feinen, vom Fluss aufgespülten Sandstrand sprießen neue Gebäude, Wolkenkratzer und atemberaubende Villen aus dem Boden. Aber immer noch bleibt Rosario die patriotische Stadt schlechthin. Am Sockel des monumentalen Flaggendenkmals reihen sich in Weiß gekleidete Schülergruppen für ein Foto auf. Das Denkmal ist im alten sowjetischen Stil gehalten und wurde 1957 eingeweiht. Es soll jene Stelle markieren, an der General Manuel Belgrano am 27. Februar 1812 zum ersten Mal das Hissen der Nationalflagge befahl.

      Rosario ist eine Stadt der Enkelgeneration der Einwanderer, hier gibt es sowohl Slums als auch Landhäuser. Wir wollen uns jedoch nicht weiter mit Einwanderergeschichten und der Mischung aus Kulturen, Sprachen und Traditionen


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