Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.aber das Volk hielt ihn zurück und trat ehrerbietig auseinander, als Nebsecht es bat, ihm Platz zu machen, damit er die Verwundeten untersuchen könne.
Zunächst beugte er sich über den alten Paraschiten und rief entsetzt: »Schande über euch, ihr habt den alten Mann erschlagen!«
»Und ich,« sagte Pentaur, »mußte meine friedliche Hand mit Blut färben, um sein unschuldiges krankes Enkelkind vor dem gleichen Schicksal zu retten.«
»Giftherzen, Skorpione, Otterngezücht, Menschenkehricht!« schrie Nebsecht in die Menge und sprang heftig auf, um Uarda mit den Blicken zu suchen.
Als er sie wohlbehalten zu den Füßen der Zauberin Hekt, welche sich in den Hof gedrängt hatte, sitzen sah, athmete er hoch auf und wandte dann seine Aufmerksamkeit den Verwundeten zu.
»Hast Du das Alles, was hier umherliegt, umgeworfen?« fragte er flüsternd seinen Freund.
Pentaur nickte bejahend und lächelte; aber nicht triumphirend, sondern beschämt wie ein Knabe, der den gefangenen Vogel gegen seinen Willen in seiner Hand erdrückte.
Nebsecht schaute ihn verwundert und besorglich an und fragte: »Warum gabst Du Dich nicht gleich zu erkennen?«
»Weil mich der Geist des Kriegsgottes Menth erfaßte,« erwiederte Pentaur, »als ich sah, wie der vermaledeite Schurke dort das Mädchen an den Haaren riß. Ich sah und hörte nichts, ich . . .«
»Du hast recht gehandelt,« unterbrach ihn der Arzt, »aber wie wird das enden?«
In diesem Augenblicke erscholl Trompetengeschmetter. Der von Ameni zur Verhaftung des Paraschiten abgesandte Hauptmann nahte mit seinen Soldaten.
Ehe er den Hof betrat, befahl er dem Volke auseinander zu gehen. Die Widerstrebenden wurden mit Gewalt vertrieben und in wenigen Minuten war das Thal von der heulenden und schreienden Menge gesäubert und das brennende Haus umstellt. Auch die Königskinder und Nefert wurden gezwungen, ihren Platz am Zaun des Paraschitenhofes zu verlassen. Rameri war, sobald er sah, daß Uarda gerettet sei, seiner Schwester gefolgt.
Nefert war vor Angst und Erregung dem Umsinken nahe, die Vorsteher der Sänftenträger gaben sich die Hände, sie setzte sich auf dieselben und man trug sie den Geschwistern voran. Keiner von ihnen sprach ein Wort, selbst nicht Rameri, denn er konnte Uarda und den dankbaren Blick nicht vergessen, mit dem sie ihm nachgeschaut hatte. Nur einmal sagte Bent-Anat: »Das Paraschitenhaus brennt. Wo werden die Armen nun schlafen?«
Nachdem das Thal von dem Volke gesäubert war, betrat der Offizier den Hof und fand hier außer der Zauberin Hekt und Uarda auch den Dichter und den mit der Pflege der Verwundeten beschäftigten Nebsecht.
Pentaur unterrichtete den Hauptmann kurz von dem Geschehenen und nannte ihm seinen Namen.
Der Letztere reichte ihm die Hand und sagte. »Gäb' es viele Krieger von Deinem Schlage, heiliger Vater, im Heere des Ramses, der Chetakrieg wäre bald zu Ende. Aber Du hast keine Asiaten, sondern Leute von Theben erschlagen und, so leid es mir thut, ich muß Dich als meinen Gefangenen zu Ameni führen.«
»Du folgst Deiner Pflicht,« entgegnete Pentaur und verneigte sich vor dem Hauptmann, welcher seinen Leuten befahl, die Leiche des Paraschiten aufzunehmen und in das Setihaus zu tragen.
»Ich sollte das Mädchen wohl auch verhaften,« sagte er, sich an Pentaur wendend.
»Sie ist krank,« entgegnete der Dichter.
»Und kommt sie nicht bald zur Ruhe,« fügte der Arzt hinzu, »so ist sie des Todes. Laß sie, sie ist der besondere Schützling der Prinzessin Bent-Anat, die sie jüngst überfuhr.«
»Ich führe sie in mein Haus,« sagte die Zauberin, »und will für sie sorgen. Da liegt ihre Großmutter; sie ist halb erstickt von den Flammen, aber sie kommt schon zu sich und ich habe Platz für Beide.«
»Bis morgen,« entgegnete der Arzt, »dann werde ich für sie eine andere Unterkunft schaffen.«
Die Alte lachte ihn an und murmelte: »Es werden noch Mehrere für sie sorgen wollen.«
Die Soldaten folgten dem Kommandoworte ihres Führers, nahmen die Verwundeten auf und entfernten sich mit Pentaur und der Leiche des Paraschiten.
Indessen waren die Geschwister und Nefert mit vielen Hindernissen zum Landungsplatz der Nilschiffe gelangt.
Einer der Sänftenträger wurde abgeschickt, um das ihrer wartende Boot heranzuholen, und ihm Eile eingeschärft, denn schon sah man die Lichter der Prozession nahen, welche den Gott in den Tempel des Amon nach Theben zurückführte.
Gelang es ihnen jetzt nicht, ungesäumt ihren Kahn zu besteigen, so stand ihnen ein stundenlanges Warten bevor, denn bei nächtlicher Weile durfte, während die Prozession den Strom kreuzte, kein nicht zu dieser gehörendes Fahrzeug, ja selbst kein Schiff eines Großen, vom Lande abstoßen.
In höchster Ungeduld erwarteten die Geschwister das Zeichen ihres Boten, denn Nefert war zum Umsinken erschöpft und Bent-Anat, auf die sie sich stützte, fühlte das Zittern ihrer Glieder.
Endlich winkte der Sänftenträger; der schnelle, aber unscheinbare Nachen, welcher sonst nur bei Vogeljagden benützt wurde, schoß heran, Rameri ließ sich das Ruder eines Matrosen reichen und zog das Fahrzeug näher an die Landungstreppe.
Der Oberste der Sicherheitswächter trat im selben Augenblicke vor und rief. »Dieß Boot ist das letzte, welches abstößt vor der Ueberfahrt des Gottes.«
Bent-Anat schritt, so schnell als es ihr der schwer an ihrem Arm hängenden Nefert Schwäche gestattete, die halbdunkle, jetzt nur von mattem Laternenlicht dürftig bestrahlte Treppe hinab, welche erst, wenn der Gott nahte, mit Pechpfannen und Fackeln tageshell erleuchtet werden sollte. Aber ehe sie die letzte Stufe erreicht hatte, fühlte sie eine harte Hand an ihrer Schulter und die rauhe Stimme des Wegeführers Paaker rief: »Zurück, Pack! Erst kommen wir!«
Die Sicherheitswächter wehrten ihm nicht, denn sie kannten den Wegeführer und sein gewalttätiges Wesen; er aber führte seine Finger an den Mund und pfiff, daß es laut durch die Nacht hingellte.
Sogleich ließen sich Ruderschläge vernehmen und Paaker rief seinem Schiffsvolke zu: »Stoßt den Nachen hier zur Seite! Das Volk kann warten!«
Das Schiff des Wegeführers war größer und stärker bemannt, als das der Königskinder.
»Schnell in das Boot!« rief Rameri.
Bent-Anat schritt wiederum vorwärts, schweigend, denn sie durfte sich hier um des Volkes und Nefert's willen nicht abermals zu erkennen geben; aber Paaker stellte sich ihr in den Weg und rief. »Habt ihr nicht gehört, Gesindel, daß ihr warten sollt, bis wir fort sind? Zieht den Nachen der Menschen hier in den Strom zurück, Leute!«
Bent-Anat fühlte ihr Blut erstarren, als sich gleich darauf ein lauter Wortwechsel an der Landungstreppe erhob.
Rameri's Stimme übertönte alle anderen; der Wegeführer aber rief: »Widerstand leistet das Lumpenpack? Ich will sie lehren! Halloh, hierher, Descher! Stell' das Weib und den Jungen!«
Auf diesen Ruf sprang seine große rothe Dogge, die schon seinem Vater gehört hatte und ihn stets begleitete, wenn er wie heute mit seiner Mutter das Grab des Verstorbenen besuchte, bellend heran.
Nefert schrie geängstigt auf, der Hund aber erkannte sie sogleich und schmiegte sich mit einem ihm eigenen Freudengeheul an sie.
Paaker, der sich schon den Booten genähert hatte, wandte sich verwundert um, sah das sich zu den Fußen der in ihren Knabenkleidern unkenntlichen Nefert wälzende Thier, sprang zurück und schrie. »Ich will Dich lehren, Bursche, mit Gift oder Zauberei den Hund zu verderben!«
Dabei erhob er seine Peitsche und schlug nach den Schultern der mit einem gellenden Angstschrei zu Boden sinkenden Gattin des Mena.
Die Schnüre der Geißel waren dicht an der Wange des zusammenbrechenden zarten Weibes vorbeigesaust, denn Bent-Anat war dem Wegeführer kräftig in den Arm gefallen.
Entsetzen, Abscheu, Zorn hemmte