Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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Rasenüberzug sei, erscholl plötzlich von oben her ein Pfeifen und Rufen und Rutenschwingen durch die Luft, daß das Heidi sofort wußte, woran es war. Es schoß hinaus und war augenblicklich von den herabspringenden Geißen umringt. Denen mußte es wohl sein, wie es dem Heidi war, wieder auf der Alp zu sein, denn sie machten so hohe Sprünge und meckerten so lebenslustig wie noch nie, und das Heidi wurde dahin und dorthin gedrängt, denn jede wollte ihm zunächst kommen und ihre Freude bei ihm auslassen. Aber der Peter stieß sie alle weg, eine rechts und die andere links, denn er hatte dem Heidi eine Botschaft zu überbringen. Als er zu ihm vorgedrungen war, hielt er ihm einen Brief entgegen.

      »Da!« sagte er, die weitere Erklärung der Sache dem Heidi selbst überlassend. Es war sehr erstaunt.

      »Hast du denn auf der Weide einen Brief für mich bekommen?« fragte es voller Verwunderung.

      »Nein«, war die Antwort.

      »Ja, wo hast du ihn denn genommen, Peter?«

      »Aus dem Brotsack.«

      Das war richtig. Gestern abend hatte der Postbeamte im Dörfli ihm den Brief an das Heidi mitgegeben. Den hatte der Peter in den leeren Sack gelegt. Am Morgen hatte er seinen Käse und sein Stück Brot darauf gepackt und war ausgezogen. Den Öhi und das Heidi hatte er wohl gesehen, als er ihre Geißen abholte, aber erst als er um Mittag mit Brot und Käse zu Ende war und noch die Krumen herausholen wollte, war der Brief wieder in seine Hand gekommen.

      Das Heidi las aufmerksam seine Adresse ab, dann sprang es zum Großvater in den Schopf zurück und streckte ihm in hoher Freude den Brief entgegen: »Von Frankfurt! Von der Klara! Willst du ihn gleich hören, Großvater?«

      Das wollte dieser schon gern, und auch der Peter, der dem Heidi gefolgt war, schickte sich zum Zuhören an. Er stemmte sich mit dem Rücken gegen den Türpfosten an, um einen festen Halt zu haben, denn so war es leichter, dem Heidi nachzukommen, wie es nun seinen Brief herunterlas:

      Liebes Heidi!

      Wir haben schon alles verpackt, und in zwei oder drei Tagen wollen wir abreisen, sobald Papa auch abreist, aber nicht mit uns, er muß zuerst noch nach Paris reisen. Alle Tage kommt der Herr Doktor und ruft schon unter der Tür: »Fort! Fort! Auf die Alp!« Er kann es gar nicht erwarten, daß wir gehen. Du solltest nur wissen, wie gern er selbst auf der Alp war! Den ganzen Winter ist er fast jeden Tag zu uns gekommen; dann sagte er immer, er komme zu mir, er müsse mir wieder erzählen! Dann setzte er sich zu mir hin und erzählte von allen Tagen, die er mit Dir und dem Großvater auf der Alp zugebracht hat, und von den Bergen und den Blumen und von der Stille so hoch oben über allen Dörfern und Straßen und von der frischen, herrlichen Luft; und er sagte oft: »Dort oben müssen alle Menschen wieder gesund werden.« Er ist auch selbst wieder so anders geworden, als er eine Zeitlang war, ganz jung und fröhlich sieht er wieder aus. Oh, wie freu ich mich, das alles zu sehen und bei Dir auf der Alp zu sein und auch den Peter und die Geißen kennenzulernen! Erst muß ich in Ragaz etwa sechs Wochen lang eine Kur machen, das hat der Herr Doktor befohlen, und dann sollen wir im Dörfli wohnen nachher, und ich soll dann an schönen Tagen auf die Alp hinaufgefahren werden in meinem Stuhl und den Tag über bei Dir bleiben. Die Großmama kommt mit und bleibt bei mir; sie freut sich auch, zu Dir hinaufzukommen. Aber denk, Fräulein Rottenmeier will nicht mit. Fast jeden Tag sagt die Großmama einmal: »Wie ist's mit der Schweizerreise, werte Rottenmeier? Genieren Sie sich nicht, wenn Sie Lust haben mitzukommen.« Aber sie dankt immer furchtbar höflich und sagt, sie wolle nicht unbescheiden sein. Aber ich weiß schon, woran sie denkt: Der Sebastian hat eine so erschreckliche Beschreibung von der Alp gemacht, als er von Deinem Begleit nach Hause kam, wie furchtbare Felsen dort herunterstarren und man überall in Klüfte und Abgründe niederstürzen könne und daß es so steil hinaufgehe, daß man auf jedem Tritt befürchten müsse, wieder rücklings herunterzukommen, und daß wohl Ziegen, aber keine Menschen ohne Lebensgefahr da hinaufklettern können. Sie hat sehr geschaudert vor dieser Beschreibung, und seither schwärmt sie nicht mehr für Schweizerreisen wie früher. Der Schrecken ist auch in die Tinette gefahren, sie will auch nicht mit. So kommen wir allein, Großmama und ich; nur Sebastian muß uns bis nach Ragaz begleiten, dann kann er wieder heimkehren.

      Ich kann es fast nicht erwarten, bis ich zu Dir kommen kann.

      Lebe wohl, liebes Heidi, die Großmama läßt Dich tausendmal grüßen.

      Deine treue Freundin Klara.

      Als der Peter diese Worte vernommen hatte, sprang er von dem Türpfosten weg und hieb mit seiner Rute nach rechts und links so rücksichtslos und wütend drein, daß die Geißen alle im höchsten Schrecken die Flucht ergriffen und den Berg hinunterrannten in so maßlosen Sprüngen, wie sie noch selten gemacht hatten. Hinter ihnen her stürmte der Peter und hieb mit seiner Rute in die Luft hinein, als habe er an einem unsichtbaren Feinde einen unerhörten Grimm auszulassen. Dieser Feind war die Aussicht auf die Ankunft der Gäste aus Frankfurt, welche den Peter so sehr erbittert hatte.

      Das Heidi war so voller Glück und Freude, daß es durchaus am andern Tage der Großmutter einen Besuch machen und ihr alles erzählen mußte, wer nun von Frankfurt kommen und besonders auch, wer nicht kommen werde. Das mußte für die Großmutter ja von der größten Wichtigkeit sein, denn sie kannte die Personen alle so genau und lebte mit dem Heidi alles, was zu seinem Leben gehörte, immerfort mit der tiefsten Teilnahme durch. Es zog auch beizeiten aus am folgenden Nachmittag, denn jetzt konnte es seine Besuche schon wieder allein unternehmen: Die Sonne schien ja wieder hell und blieb lange am Himmel stehen, und über den trockenen Boden hin war es ein herrliches Bergabrennen, während der lustige Maiwind hinterhersauste und das Heidi noch ein wenig schneller hinunterjagte. Die Großmutter lag nicht mehr zu Bett. Sie saß wieder in ihrer Ecke und spann. Es lag aber ein Ausdruck auf ihrem Gesicht, als habe sie es mit schweren Gedanken zu tun. Das war so seit gestern abend, und die ganze Nacht durch hatten diese Gedanken sie verfolgt und nicht schlafen lassen. Der Peter war in seinem großen Grimm heimgekommen, und sie hatte aus seinen abgebrochenen Ausrufungen entnehmen können, daß eine Schar von Leuten aus Frankfurt nach der Almhütte hinaufkommen werde. Was dann weiter geschehen sollte, wußte er nicht, aber die Großmutter mußte weiterdenken, und das waren gerade die Gedanken, die sie ängstigten und ihr den Schlaf genommen hatten.

      Jetzt sprang das Heidi herein und gerade auf die Großmutter zu, setzte sich auf sein Schemelchen, das immer dastand, und erzählte ihr mit einem solchen Eifer alles, was es wußte, daß es selbst noch immer mehr davon erfüllt wurde. Aber auf einmal hörte es mitten in seinem Satze auf und fragte besorgt:

      »Was hast du, Großmutter, freut dich alles gar kein bißchen?«

      »Doch, doch, Heidi, es freut mich schon für dich, weil du eine so große Freude daran haben kannst«, antwortete sie und suchte ein wenig fröhlich auszusehen.

      »Aber Großmutter, ich kann ganz gut sehen, daß es dir angst ist. Meinst du etwa, Fräulein Rottenmeier komme doch noch mit?« fragte das Heidi, selber etwas ängstlich.

      »Nein, nein! Es ist nichts, es ist nichts!« beruhigte die Großmutter. »Gib mir ein wenig deine Hand, Heidi, daß ich recht spüren kann, daß du noch da bist. Es wird ja doch zu deinem Besten sein, wenn ich es auch fast nicht überleben kann.«

      »Ich will nichts von dem Besten, wenn du es fast nicht überleben kannst, Großmutter«, sagte das Heidi so bestimmt, daß dieser mit einemmal eine neue Befürchtung aufstieg. Sie mußte ja annehmen, daß die Leute aus Frankfurt kämen, das Heidi wiederzuholen, denn da es nun wieder gesund war, konnte es ja nicht anders sein, als daß sie es wiederhaben wollten. Das war die große Angst der Großmutter. Aber sie fühlte jetzt, daß sie es vor dem Heidi nicht merken lassen sollte. Es war ja so mitleidig mit ihr, und da könnte es sich vielleicht widersetzen und nicht gehen wollen, und das durfte nicht sein. Sie suchte nach einer Hilfe, aber nicht lange, denn sie kannte nur eine.

      »Ich weiß etwas, Heidi«, sagte sie nun, »das macht mir wohl und bringt mir die guten Gedanken wieder. Lies mir das Lied, wo es gleich im Anfang heißt: Gott will's machen.«

      Das Heidi wußte jetzt so gut Bescheid in dem alten Liederbuch, daß es auf der Stelle fand, was die Großmutter begehrte, und es las mit hellem Ton:

      »Gott


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