Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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schon war er von der Gesellschaft vor der Hütte entdeckt und erkannt worden, und für den Vater wurde vorbereitet, was er nicht ahnte.

      Als er den letzten Schritt zur Höhe getan hatte, kamen ihm von der Hütte her zwei Gestalten entgegen. Es war ein großes Mädchen mit hellblonden Haaren und einem rosigen Gesichtchen, das stützte sich auf das kleinere Heidi, dem ganze Freudenblitze aus den dunklen Augen funkelten. Herr Sesemann stutzte, er stand still und starrte die Herankommenden an. Auf einmal stürzten ihm die großen Tränen aus den Augen. Was stiegen auch für Erinnerungen in seinem Herzen auf! Ganz so hatte Klaras Mutter ausgesehen, das blonde Mädchen mit den angehauchten Rosenwangen. Herr Sesemann wußte nicht, war er wachend, oder träumte er.

      »Papa, kennst du mich denn gar nicht mehr?« rief ihm jetzt Klara mit freudestrahlendem Gesicht entgegen. »Bin ich denn so verändert?«

      Nun stürzte Herr Sesemann auf sein Töchterchen zu und schloß es in seine Arme.

      »Ja, du bist verändert! Ist es möglich? Ist es Wirklichkeit?«

      Und der überglückliche Vater trat wieder einen Schritt zurück, um noch einmal hinzusehen, ob denn das Bild nicht verschwinde vor seinen Augen.

      »Bist du's, Klärchen, bist du's denn wirklich?« mußte er ein Mal ums andere ausrufen. Dann schloß er sein Kind wieder in die Arme, und gleich nachher mußte er noch einmal sehen, ob es wirklich sein Klärchen sei, das aufrecht vor ihm stand.

      Jetzt war auch die Großmama herbeigekommen, sie konnte nicht so lange warten, bis sie das glückliche Gesicht ihres Sohnes erblicken sollte.

      »Na, mein lieber Sohn, was sagst du jetzt?« rief sie ihm zu. »Die Überraschung, die du uns machst, ist recht schön; aber diejenige, die man dir bereitet hat, ist noch viel schöner, nicht?« Und die erfreute Mutter begrüßte nun mit großer Herzlichkeit ihren lieben Sohn. »Aber jetzt, mein Lieber«, sagte sie dann, »kommst du mit mir dort hinüber, unsern Öhi zu begrüßen, der ist unser allergrößter Wohltäter.«

      »Gewiß, und auch unsere Hausgenossin, unser kleines Heidi, muß ich noch begrüßen«, sagte Herr Sesemann, indem er Heidis Hand schüttelte. »Nun? Immer frisch und gesund auf der Alp? Aber man muß nicht fragen, kein Alpenröschen kann blühender aussehen. Das ist mir eine Freude, Kind, das ist mir eine große Freude!«

      Auch das Heidi schaute mit leuchtender Freude zu dem freundlichen Herrn Sesemann auf. Wie gut war er immer zu ihm gewesen! Und daß er nun hier auf der Alp ein solches Glück finden sollte, das machte Heidis Herz laut schlagen vor großer Freude.

      Jetzt führte die Großmama ihren Sohn zum Almöhi hinüber, und während nun die beiden Männer sich sehr herzlich die Hände schüttelten und Herr Sesemann begann, seinen tiefgefühlten Dank auszusprechen und sein unermeßliches Erstaunen darüber, wie nur dieses Wunder hatte geschehen können, da wandte sich die Großmama und ging ein wenig nach der andern Seite hinüber, dann das hatte sie nun schon durchgesprochen. Sie wollte einmal nach den alten Tannen sehen.

      Da harrte ihrer schon wieder etwas Unerwartetes. Mitten unter den Bäumen, da, wo die langen Äste noch einen freien Platz gelassen hatten, stand ein großer Busch der wundervollsten, dunkelblauen Enzianen, so frisch und glänzend, als wären sie eben da herausgewachsen. Die Großmama schlug die Hände zusammen vor Entzücken.

      »Wie köstlich! Wie prächtig! Welch ein Anblick!« rief sie ein Mal ums andere aus. »Heidi, mein liebes Kind, komm hierher! Hast du mir das zur Freude bereitet? Es ist vollkommen wundervoll.«

      Die Kinder waren schon da.

      »Nein, nein, ich gewiß nicht«, sagte das Heidi, »aber ich weiß schon, wer's gemacht hat.«

      »So ist's droben auf der Weide, Großmama, und noch viel schöner«, fiel hier Klara ein. »Aber rat einmal, wer dir heut früh schon die Blumen von der Weide heruntergeholt hat!« Und Klara lächelte so vergnüglich zu ihrer Rede, daß der Großmama einen Augenblick der Gedanke kam, das Kind sei am Ende heute selbst schon dort oben gewesen. Das war doch aber fast nicht möglich.

      Jetzt hörte man ein leises Geräusch hinter den Tannenbäumen; es kam vom Peter her, der unterdessen hier oben angelangt war. Da er aber gesehen hatte, wer beim Öhi vor der Hütte stand, hatte er einen großen Bogen gemacht und wollte nun ganz heimlich hinter den Tannen hinaufschleichen. Aber die Großmama hatte ihn erkannt, und plötzlich stieg ein neuer Gedanke in ihr auf. Sollte der Peter die Blumen heruntergebracht haben und nun aus lauter Scheu und Bescheidenheit so heimlich vorbeischleichen wollen? Nein, das durfte nicht sein, er sollte doch eine kleine Belohnung haben.

      »Komm, mein Junge, komm hier heraus, frisch, ohne Scheu!« rief die Großmama laut und steckte ein wenig den Kopf zwischen die Bäume hinein.

      Starr vor Schrecken stand der Peter still. Er hatte keine Widerstandskraft mehr nach allem Erlebten. Er fühlte nur noch das eine: Jetzt ist's aus! Alle Haare standen ihm aufrecht auf dem Kopf, und farblos und entstellt von höchster Angst trat der Peter hinter den Tannen hervor.

      »Nur frisch heran, ohne Umwege«, ermunterte die Großmama. »So, nun sag mir mal, Junge, hast du das gemacht?«

      Der Peter hob seine Augen nicht auf und sah nicht, wohin der Zeigefinger der Großmama wies. Er hatte gesehen, daß der Öhi an der Ecke der Hütte stand und daß dessen graue Augen durchdringend auf ihn gerichtet waren, und neben dem Öhi stand das Schrecklichste, das der Peter kannte, der Polizeidiener aus Frankfurt. An allen Gliedern zitternd und bebend, stieß der Peter einen Laut hervor, es war ein »Ja«.

      »Nanu«, sagte die Großmama, »was ist denn das Schreckliche dabei?«

      »Daß er… daß er… daß er auseinander ist und man ihn nicht mehr ganz machen kann«, brachte mühsam der Peter heraus, und nun schlotterten seine Knie so, daß er fast nicht mehr stehen konnte. Die Großmama ging nach der Hüttenecke hinüber.

      »Mein lieber Öhi, rappelt es denn wirklich ernstlich bei dem armen Buben?« fragte sie teilnehmend.

      »Gar nicht, gar nicht«, versicherte der Öhi. »Der Bube ist nur der Wind, der den Rollstuhl fortgejagt hat, und nun erwartet er seine wohlverdiente Strafe.«

      Das konnte nun die Großmama gar nicht glauben, denn sie meinte, boshaft sehe der Peter doch ganz und gar nicht aus, und sonst hätte er doch keinen Grund gehabt, den so notwendigen Rollstuhl zu zerstören.

      Aber dem Öhi war das Geständnis nur die Bestätigung eines Verdachtes gewesen, der gleich nach der Tat in ihm aufgestiegen war. Die grimmigen Blicke, die der Peter von Anfang an der Klara zugeworfen hatte, und andere Merkmale seiner Erbitterung gegen die neuen Erscheinungen auf der Alp waren dem Öhi nicht entgangen. Er hatte einen Gedanken an den andern gehängt, und so hatte er genau den ganzen Gang der Dinge erkannt und teilte ihn jetzt der Großmama in aller Klarheit mit. Als er zu Ende war, brach die Dame in große Lebhaftigkeit aus.

      »Nein, mein lieber Öhi, nein, nein, den armen Buben wollen wir nicht weiter strafen. Man muß billig sein. Da kommen die fremden Leute aus Frankfurt hereingebrochen und nehmen ihm ganze Wochen lang das Heidi weg, sein einziges Gut und wirklich ein großes Gut, und da sitzt er allein Tag für Tag und hat das Nachsehen. Nein, nein, da muß man billig sein; der Zorn hat ihn überwältigt und hat ihn zu der Rache getrieben, die ein wenig dumm war, aber im Zorn werden wir alle dumm.«

      Damit ging die Großmama zum Peter zurück, der noch immerfort bebte und schlotterte.

      Sie setzte sich auf die Bank unter die Tanne und sagte freundlich: »So, nun komm, mein Junge, da vor mich hin, ich habe dir etwas zu sagen. Höre auf zu zittern und zu beben und hör mir zu, das will ich haben. Du hast den Rollstuhl den Berg hinuntergejagt, damit er zerschmettere. Das war etwas Böses, das hast du recht wohl gewußt, und daß du eine Strafe verdientest, das wußtest du auch, und damit du diese nicht erhaltest, hast du dich recht anstrengen müssen, daß keiner es merke, was du getan hattest. Aber siehst du: Wer etwas Böses tut und denkt, es weiß keiner, der verrechnet sich immer. Der liebe Gott sieht und hört ja doch alles, und sobald er bemerkt, daß ein Mensch seine böse Tat verheimlichen will, so weckt er schnell in dem Menschen das Wächterchen auf, das er schon bei seiner Geburt in ihn hineingesetzt


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