Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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die Affen. »Später spielen wir wieder mit dir … das heißt, wenn die Giftvölker dich am Leben lassen.«

      »Wir sind vom gleichen Blute, du und ich! Sssss!« rief Mogli schnell, den Schlangenruf gebend. Rings um sich hörte er Rasseln, Klappern und Zischen, und schnell wiederholte er den Spruch ein zweites Mal, um ganz sicher zu gehen.

      »In Ordnung! Nieder alle Hauben!« zischte ein halbes Dutzend Stimmen. »Rege dich nicht, kleiner Bruder, damit du uns nicht verletzt mit deinen Füßen!« (Jede Ruine in Indien wird alsbald zum Wohnort der Schlangen, und in dem alten Lusthaus wimmelte es von Kobras.)

      Mogli hielt sich reglos auf seinem Platze. Er lugte durch die Öffnungen in der Mauer und lauschte auf das wilde Getöse des Kampfes, der um den schwarzen Panther wogte – das Gellen, Heulen und Keifen, dazwischen Baghiras tiefes, heiseres Röhren, als er rückwärts drückte, sich wand, taumelte und verschwand unter dem Haufen der Feinde. Zum erstenmal seit seiner Geburt kämpfte Baghira um sein Leben.

      Balu muß in der Nähe sein. Baghira würde nicht allein gekommen sein, dachte Mogli, und dann rief er mit lauter Stimme: »Zum Wasser, Baghira! Rolle dich ins Wasserbecken! Rolle dich und tauche! Zum Wasser!«

      Baghira hörte, und die Gewißheit, daß Mogli in Sicherheit war, gab ihm neuen Mut. Mit der Kraft eines Verzweifelten bahnte er sich Zoll für Zoll den Weg zur Zisterne hin. Da tönte von den Mauertrümmern zunächst der Dschungel der dumpfe Kampfesruf Balus. »Baghira« schrie er keuchend. »Hier bin ich! Halte nur aus! Jetzt klettere ich über die Mauer! Ich werde gleich bei dir sein. Ahuwora! Die Steine zerbröckeln mir unter den Füßen! Wartet nur, bis ich über euch komme, ihr dreimal verfluchten Bandar-log!«

      Er keuchte mühsam die Terrasse hinauf – aber kaum hatte er sich gezeigt, als er in einer Wolke schrill heulender Affen verschwand. Er setzte sich auf die Hinterbeine und umfaßte mit den Vorderpranken so viel seiner Angreifer, als er nur halten konnte. Mit grimmiger Zärtlichkeit drückte er sie an sein Herz, bis sie mit gebrochenen Rippen zu Boden sanken, und dann schlug er zu – patsch – patsch – patsch – gerade in den Haufen hinein, gleich dem schlapfenden Schlag eines Raddampfers! Ah! Ein lautes Platschen im Wasser verkündete, daß Baghira sich seinen Weg zur Zisterne durchgefochten hatte, wohin ihm die Affen nicht folgen konnten. Der Panther lag, nach Atem ringend, nur mit dem Kopfe ein wenig aus dem Wasser lugend, während die Affen sich am Rande drängten und in ohnmächtiger Wut hin und her tanzten. Das keuchende Brummen des alten Bären drang zu ihm. Doch was konnte er tun? Da lag er im Wasser, unfähig, dem Freunde zu helfen. Bei diesem Gedanken heulte er fast unbewußt den Hilferuf der Schlangen hinaus in die Nacht, denn er fürchtete, daß Kaa im letzten Augenblicke sich davongemacht habe. »Wir sind vom gleichen Blute, du und ich! Sss! Sss! Sss!« Ein Hilferuf vom schwarzen Panther! Obwohl Balu unter der Wucht der Affen fast erstickte, lachte er dennoch laut auf. »Er hat sich’s gemerkt«, dachte er. »Der schwarze Panther hat etwas von meinem Menschenjungen gelernt!« und patsch – patsch krachten die Rippen der Affen unter den Tatzenhieben.

      Kaa war es eben erst gelungen, die westliche Mauer zu erklimmen; es war eine schwere Arbeit, denn die Steine gaben unter seinem Gewichte nach und rollten laut polternd zu Boden. Nun aber war keine Minute mehr zu verlieren. Er ringelte sich und wand sich und schlug ungeheure Reifen, um zu sehen, ob auch jeder Zoll seines mächtigen Körpers biegsam und geschmeidig wäre. Unterdessen tobte der Kampf mit Balu weiter, und die Affen an der Zisterne schrien gellend gegen Baghira an. Mang, die Fledermaus, schwirrte hin und her über der schlafenden Dschungel, Kunde bringend von der großen Schlacht in »Cold Lairs«, bis zuletzt Hathi, der wilde Elefant, erregt zu trompeten begann und verstreute Gruppen der Affenvölker hochkamen und von weit her die Baumstraßen hastend durchliefen, um den Freunden und Brüdern zu helfen. Selbst die Tagesvögel flatterten unruhig auf den Ästen.

      Und nun kam Kaa, eilig, hungrig und begierig, zu töten.

      Die Kampfesstärke einer Pythonschlange liegt in der furchtbaren Stoßkraft des Kopfes, der mit der ganzen Wucht und Macht des ungeheuren Körpers nach rückwärts geschnellt wird. Denkt euch, ein Sturmbock, wie er früher zum Brechen der Stadtmauern benutzt wurde, oder ein tausend Pfund schwerer Schmiedehammer besitze Leben, und in dem langen Stiele wohne kalter, berechnender Geist, der das Werkzeug regiert, dann könnt ihr euch ungefähr eine Vorstellung von Kaa, dem Kämpfenden, machen. Er war gut dreißig Fuß lang, wie ihr wißt, und eine nur vier oder fünf Fuß große Pythonschlange vermag schon einen ausgewachsenen Mann niederzustoßen.

      Den ersten Stoß richtete Kaa gegen die Mitte der dichten Masse um Balu – es war ein Stoß mit geschlossenem Munde, in tiefstem Schweigen … und kein zweiter war nötig. Entsetzen packte die Affen, und mit dem Schrei: »Kaa! Es ist Kaa! Fort! Fort!« flohen sie davon wie Frösche vor dem Reiher.

      Wie man bei uns die Kinder mit dem schwarzen Mann schreckt, so hatten Generationen junger Affen alle Untaten gelassen, wenn ihnen die Eltern mit Kaa drohten, dem Nachträuber, der auf den Ästen entlanggleitet, so geräuschlos, wie das Moos auf ihnen wächst; von Kaa, dem Gewaltigen, der den allerstärksten Affen töten kann, wenn er ihn nur mit der Nase berührt; von Kaa, dem schlauen Schurken, der einen morschen Ast oder einen alten Baumstumpf so täuschend nachzuahmen vermag, daß auch der weiseste Affe sich irreführen läßt, bis plötzlich der Baum zu leben beginnt und sein zappelndes Opfer verschlingt. Kaa war der Inbegriff alles dessen, was die Affen in der Dschungel fürchteten, denn kein Wesen kannte die Grenzen seiner Macht, niemand vermochte ihm in die stechenden Augen zu sehen, und keiner war bisher aus seiner Umschlingung mit dem Leben davongekommen. Und so flüchteten sie, so schnell die zitternden Füße sie tragen konnten, von Grauen gepackt, auf die Mauern und Dächer der Häuser. Balu atmete erlöst auf; sein Fell war viel dicker als Baghiras, aber dennoch hatte er Haare gelassen in dem tollen Kampfe. Und jetzt öffnete Kaa zum erstenmal den Rachen und stieß ein einziges, langes, zischendes Wort hervor; und die Affen, die von weit her aus der Dschungel zur Stadt herbeieilten, hielten plötzlich an und drängten sich bebend dicht zusammen, bis das beladene Geäst sich knackend bog unter der Last. Die Affen auf den Mauern und Häuserruinen verstummten, und in der Grabesstille, die plötzlich über der Stadt lag, hörte Mogli, wie Baghira triefend und sich schüttelnd dem Wasserbecken entstieg. Dann begann das Geheul von neuem. Die Affen sprangen bis zu den höchsten Spitzen der Trümmer; sie umklammerten wie hilfesuchend die großen Steingötzen und irrten ziellos zwischen den Mauerresten umher. Mogli im Sommerhause tanzte vor Freude, sah durch das marmorne Netzwerk und heulte wie eine Eule, um den Affen seine Verachtung zu zeigen.

      »Hole das Menschenjunge dort aus der Falle; ich kann mich kaum noch rühren«, ächzte Baghira. »Und dann laß uns machen, daß wir fortkommen. Sie greifen vielleicht wieder an.«

      »Keiner wird sich regen ohne meinen Willen. Verharrt! – Rührt euch nicht – keinen Mucks! Ssss!« zischte Kaa, und wieder lag Grabesstille über der Stadt. »Ich konnte nicht früher kommen, Bruder, aber mir war’s, als ob ich deinen Hilferuf hörte.« Das galt Baghira.

      »Eh? Meinen … was? … Ich … ja, es wird wohl mein Kampfschrei gewesen sein. Übrigens, Balu, wie bist du davongekommen?«

      »Mir scheint, sie haben mich in hundert kleine Bären zerreißen wollen«, brummte Balu, sich die Beine leckend, eins nach dem andern. »Wuff! Zerschunden bin ich am ganzen Körper! Kaa, ich glaube, wir schulden dir unser Leben – Baghira und ich.«

      »Hat nichts zu sagen. Wo ist das Menschenjunge?«

      »Hier in einer Falle. Ich kann nicht heraus«, rief Mogli. Die Wölbung des herabgefallenen Daches versperrte ihm den Ausgang.

      »Hole ihn heraus, so schnell wie möglich. Er tanzt umher wie Mor, der Pfau. Er wird unsere Jungen zertreten!« riefen die Kobras.

      »Ha!« kicherte Kaa. »Er hat überall Freunde, dieser Mannling! Tritt zurück, kleiner Mensch, und ihr, Giftvölker, versteckt euch mit euren Jungen. Ich lege die Mauer um!«

      Kaa prüfte die Seitenwand sorgfältig, bis er einen wettergeschwärzten Riß fand, der eine schwache Stelle verriet. Kaa schlug zwei-oder dreimal mit dem Kopfe leicht gegen die Wand, um die Stärke zu prüfen; dann hob er sechs Fuß seines Körpers senkrecht in die Höhe und schnellte den Kopf wie einen Schmiedehammer gegen den Stein


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