Das Geisterschiff. Hubert Haensel

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Das Geisterschiff - Hubert Haensel


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Chancen auf den Fremden gestürzt. Es gab nicht einmal ein kurzes Handgemenge. Eine schnelle, heftige Bewegung wischte sie beiseite.

      Der Androide wandte sich um – und verschwand. Hinter ihm entstand wieder der scheinbar natürliche Fels, der nicht den geringsten Hinweis darauf erkennen ließ, dass irgendwo ein Zugang existierte.

      4.

      Vor ihnen lagen die Erzeugnisse einer fremdartigen Technik. Die Überraschung war perfekt, denn bis zuletzt hatten Dave Quinger und Walter Küber Zweifel geäußert. Das Stück Boden, auf dem sie standen, senkte sich so schnell, dass sie nicht mehr zur Seite springen konnten.

      Finchs Magen rebellierte. Mit irrsinniger Geschwindigkeit nahm der Lift ‒ um nichts anderes konnte es sich handeln ‒ die drei Männer mit sich in eine ungewisse Tiefe.

      So abrupt, wie die Fahrt begonnen hatte, war sie kurz darauf auch wieder zu Ende. Mit zitternden Knien taumelte Finch zur Seite. Hinter ihm und seinen Begleitern stieg die Plattform aus Gras, Erde und Metall sofort in die Höhe.

      Licht flammte auf und ließ erkennen, dass sie sich in einer weitläufigen Höhle befanden. Der Captain nahm an, dass allein ihre Anwesenheit genügt hatte, die Beleuchtung zu aktivieren.

      Die Höhle mochte gut fünfzig Meter durchmessen und ebenso hoch sein; sie war leer. Ein Dutzend unterschiedlich großer Stollen führte in alle Richtungen weiter.

      »Und nun?«, fragte der Lagerist Küber. »Wo bleibt unser Empfangskomitee?«

      Finch zuckte mit den Schultern. In Gedanken rief er nach dem Fremden, immer und immer wieder, bis er endlich Antwort erhielt.

      Du musst dich gedulden, vernahm der Captain. Ein eindringlich warnender Impuls folgte, dann erlosch der Kontakt.

      Knapp eine Viertelstunde später stand der Erwartete urplötzlich vor einem der Stollen. Keiner der drei Männer hatte ihn kommen sehen.

      Oam-Pham-Phu winkte die Raumfahrer zu sich heran. Seine Lippen bewegten sich lautlos, doch gleich darauf erklangen vertraute englische Worte aus dem unscheinbaren Kästchen, das er an einer dünnen Kette um den Hals trug.

      Ein Translator, und wesentlich handlicher als die in der irdischen Flotte gebräuchlichen Modelle. Nur unbewusst nahm Finch das Gesagte auf. Ihm war mit einem Mal, als hätte er das alles schon erlebt. Vor seinem inneren Auge tauchte eine gigantische unterirdische Station auf, geschaffen als Vorposten einer unersättlichen Kriegsmaschinerie. Er sah Menschen, sah Produktionshallen und Lagerräume und – die MADELEINE.

      In dem Moment fühlte sich der Captain, als sei er jäh aus einem Traum aufgeschreckt. Er registrierte, dass Oam-Pham-Phu ihn aufmerksam musterte. Nur langsam fand er in die Realität zurück.

      »Was ist mit unseren Kameraden geschehen?«, hörte er Quinger fragen.

      »Ich weiß es nicht«, antwortete Oam-Pham-Phu. »Ich bin mir jedoch sicher, dass sie von den Kriegern verhört werden ‒ und solange das der Fall ist, wird ihnen nichts geschehen. Immerhin wäre es töricht, den Eroberungsfeldzug zu beginnen, ohne über die heutigen Gegebenheiten in der Galaxis Bescheid zu wissen. Seit das Imperium unterging, vor etwa zehntausend Jahren Ihrer Zeitrechnung, sind wir von allen Informationen abgeschnitten. Keiner von uns weiß, wie es außerhalb unserer Welt aussieht.«

      Der Captain fröstelte. Seine Furcht war wieder da. Er konnte die Bilder nicht vergessen, die Oam-Pham-Phu ihm telepathisch übermittelt hatte. Nur waren es gigantische Flotten gewesen, die Tod und Vernichtung über viele Sonnensysteme gebracht hatten. Nun stand den Photiden lediglich ein einziges Schiff zur Verfügung ‒ ein kleiner, altersschwacher Frachter.

      »Wir müssen uns beeilen«, wurde Finch von Oam-Pham-Phu in seinen Überlegungen unterbrochen. »Die Krieger arbeiten schnell und zielsicher, und es kann in Kürze zur entscheidenden Auseinandersetzung kommen. Die Clique der Friedfertigen wird kämpfen und siegen … oder untergehen. Wie auch immer, wir werden nie vergessen, was wir Ihnen verdanken.«

      Ohne eine Erwiderung abzuwarten, schritt Oam-Pham-Phu davon. Die Männer folgten ihm in den Tunnel, aus dem er zuvor gekommen war. Ein schnelles Transportband nahm sie auf. Es wurde dunkel. Wenig später schienen die Wände eng zusammenzurücken.

      »Wir befinden uns bereits fünfhundert Meter unter der Oberfläche von Paramon III«, erklärte Oam-Pham-Phu. »Wir haben in den letzten Minuten annähernd fünf Kilometer zurückgelegt.«

      Es war wärmer geworden. Die Luft roch schal und abgestanden.

      Schließlich stiegen sie in eine bereitstehende Magnetschwebebahn um. Geräuschlos verschwand ein Teil des fensterlosen Aufbaus und gab den Blick auf ein geräumiges, komfortabel eingerichtetes Abteil frei.

      Die Männer nahmen auf der hinteren Sitzbank Platz; Oam-Pham-Phu ließ sich ihnen gegenüber nieder. Der Blick nach draußen wurde durch nichts behindert. Das Fahrzeug war also nur von einer Seite her lichtundurchlässig.

      Die Befürchtung, von den Kriegern entdeckt zu werden, schob der Captain weit von sich. Er vertraute Oam-Pham-Phu, der genau zu wissen schien, welches Risiko er eingehen konnte. Jedenfalls führte die Fahrt an stark frequentierten Plätzen vorbei.

      »Ich bin der Meinung, dass es Zeit für Erklärungen ist«, sagte Dave Quinger unverhofft und blickte den Photiden herausfordernd an. »Wohin bringen Sie uns überhaupt?«

      Oam-Pham-Phu lächelte ‒ wenn man das Äquivalent eines menschlichen Lächelns so deuten konnte.

      »Wir werden bereits erwartet«, antwortete er. »Wir, die Mitglieder der Clique, können nicht ungeschehen machen, wie viel Leid und Tränen einst mit dem Namen der Photiden verbunden waren, aber wir kämpfen für Frieden und Versöhnung. Vielleicht interessiert es Sie, dass die Zahl der Krieger rund zwanzigtausend beträgt, während die Schar der Friedfertigen nur viertausend Köpfe hat. Schon wegen dieses Missverhältnisses steht die entscheidende Auseinandersetzung kurz bevor …«

      Ein Aufschrei ließ ihn und die anderen herumfahren. Walter Küber deutete nach draußen. »Die MADELEINE«, sprudelte der Lagerist hervor. »Ich habe eben unseren Frachter gesehen! Kein Zweifel …«

      Zu schnell war der Schwebewaggon, als dass noch etwas zu erkennen gewesen wäre. Zudem versperrten mächtige Gerüste die Sicht nach rückwärts.

      »Es war Ihr Sternenschiff«, bestätigte der Photide gelassen.

      Finch schnaufte hörbar auf. »Wenn das so ist, werden die Krieger in diesem Bereich ihre stärksten Kräfte zusammengezogen haben.«

      »Sie werden uns hier am wenigsten vermuten«, widersprach Oam-Pham-Phu.

      »Hoffentlich geht das gut!«

      Pessimismus war durchaus angebracht, denn das Fahrzeug stoppte Sekunden später so abrupt, dass die Männer von den Sitzen gerissen wurden. Fluchend kamen sie wieder auf die Beine.

      Oam-Pham-Phus veränderter Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes ahnen. »Raus hier!«, kommandierte er. »Sofort!«

      Sie befanden sich in einem zweispurig angelegten Tunnel, in den in Abständen von jeweils mehreren hundert Metern röhrenförmige Gänge einmündeten. Diese Stollen waren kaum höher als zwei bis drei Meter. Der Captain vermutete, dass sie für Notfälle und zum schnellen Einschleusen von Reparaturtrupps gedacht waren.

      Oam-Pham-Phu hielt plötzlich ein stabförmiges Objekt in der Hand. So wie er es von sich streckte, handelte es sich zweifellos um eine Waffe. Ohne sich davon zu überzeugen, ob die Männer ihm überhaupt folgten, lief er auf den nächsten Seitenstollen zu. Erst als das liegengebliebenes Fahrzeug nicht mehr zu sehen war, blieb der Photide kurz stehen.

      »Was ist geschehen?« Im Laufen hatte der Captain seinen Laser gezogen und entsichert. Oam-Pham-Phu nickte ihm anerkennend zu.

      »Sie haben es richtig erfasst«, sagte der Photide. »Nur die Leitstelle kann den Wagen auf freier Strecke zum Halten bringen. Wir werden kämpfen müssen.«

      »Die Krieger haben also Verdacht


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