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      Rudolf Stratz

      Der grüne Page

      Saga

      Der grüne PageCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1937, 2019 Rudolf Stratz und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711507438

      1. Ebook-Auflage, 2019

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

      I.

      Die einzigen, die am diesjährigen Rosenmontag-Abend still waren, das waren der Mond und der Rhein. Letzterer wälzte lautlos und feierlich seinen Silberschwall wie zur Nibelungenzeit durch die bläulich-helle, linde Februarnacht, und vom Sternenhimmel schmunzelte breit der Mann im Mond hinab auf den Fasching am Rhein, auf das Geschrei, Geklapper, Geknall, Getute aus der Giebelenge der Grossstadt, auf den besessenten, bunten Ameisenhaufen, der auf den Gassen kribbelte und im grossen Saal des Bürgerkasinos wimmelte.

      Dort gab die Grosse Karnevalsgesellschaft ihren Fastnachtsball, und der Vorsitzende der Narrhalla war der Tierarzt Louis Steubesand, ein wohlbeleibter, fröhlicher Mann in den besten Jahren mit rötlichem Vollbart und humoristisch zwinkernden Augen. Heut’ mochten die Ferkel den Rotlauf bekommen, die Säul’ den Hufzwang und die Hund’ die Staupe, heut’ war er, der dicke Louis, hier Herr im Haus und hatte sich als ein Falstaff herausgeputzt, mit einem Bauch wie das Heidelberger Fass — denn zu seinem eigenen beträchtlichen Umfang hatte er noch das Federbett von der Amalche, seiner Frau, untergeschnallt. Sein Antlitz glänzte vom Schweiss und Selbstzufriedenheit. Er überschaute wie ein Feldherr die Hunderte von Odalisken, Schornsteinfegern, Kolombinen, Harlekinen und Zigeunerinnen, die mit schwarzen Larven vor den Gesichtern durch den Saal an ihm vorüberwalzten. Dann blickte er auf die grosse Wanduhr.

      „Punkt elf Uhr elf Minuten“, sprach er gewichtig zu den Narrhallesen um ihn, die sonst das Jahr hindurch seine Stammtischbrüder waren, „hält der Prinz Karneval mit der Prinzessin und dem ganzen Hofstaat seinen Einzug. Es ist noch eine Stunde bis dahin, ihr Männer! . . . dass mir nachher keiner dort hinten im Schoppenstüble hockt, sondern alles bereit ist, den Prinzen mit Musiktusch und Hurragekreisch zu empfangen!“

      „Der Prinz ist ja schon heimlich im Saal!“ Eine majestätische Königin der Nacht rauschte heran. Ihr schwarzes Schleppenkleid war mit Mondsicheln und Kometenschwänzen bestickt. Auf dem Graukopf trug sie ein Sternendiadem von Goldblech und eine schwarze Maske vor dem Gesicht. Der Tierarzt Steubesand erkannte trotzdem seine bessere Hälfte.

      „Amalie — du siehst Geischter!“ versetzte er und prägte sich im Kopf wieder seine Ansprache an den Prinzen Karneval ein: „Euer Tollität! Einmal im Jahr ist der Mensch närrisch und wenn der Mensch närrisch ist, ist er g’scheit!“

      „Du, Louis . . .“ Der Ochsenmetzger Mehlig trat heran. Er war Mitglied des hohen Elferrats. Er trug ein rotgelb geflammtes Wams, Pluderhosen und eine spisse Schellenkappe auf dem blühenden Gesichtsrund.

      „Wenn der Mensch g’scheit ist“, wiederholte sich im Geist der Falstaff, „dann merkt er, dass die Erd’ bucklig ist und sich dreht und dass wir alle nit ewig lebe! Solang’ wir aber noch lebe, wollen wir uns auch drehe und tanze und trinke, dass sich alles um uns dreht, und uns des Lebens freun!“

      „Louis!“ Der Ochsenmetzger raunte: „Weisst du’s Neuste?“

      „Nix weiss ich!“

      „Der Prinz ist ja schon im Saal!“

      „Was bawwelst da, Euschen?“

      „Es ist ihm einmal im Gedräng’ die Larv’ ein bisschen vom Gesicht gerutscht — da hat ihn mehr als einer erkannt!“

      „Ach, halts Maul!“

      Aber da kam aufgeregt der Hopfenhändler Pitterlin. Er gleisste wie ein riesiger Laufkäfer über seine ganze schmächtige Gestalt hin in Silberpracht und trug eine wehende Pfauenfeder auf dem Goldhelm und einen Zeremonienstab in der Hand. Denn er war der närrische Hofmarschall seiner Tollität.

      „Der Prinz ist da!“ bestätigte er. „Ich hab’ ihn deutlich gesehen!“

      „Was will der Jean denn jetzt schon hier?“

      „Liebelei will er, der Schote!“ schrie der Ochsenmetzger. „Noch eins von seinen hundert Abenteuern mehr — so unter der Hand — in aller Stille, ehe er offiziell mit der Prinzessin einzieht!“

      „Das sieht dem Jeanche Dörsam ähnlich!“ sprach der Hopfenhändler.

      „Als was geht er denn?“ Der Tierarzt Louis Steubesand fasste sich instinktiv an den Bauch. Er hatte immer Angst, dass das untergestopfte Bett rutschen könnte.

      „Als e schwarzer Mönch! Da guck’, Louis! Da geht er alleweil mitten durch den Saal! Und hinter ihm her das Gedränge der Masken!“

      Der schwarze Mönch war mehr als mittelgross. Man sah trotz der faltigen, strichgegürteten Kutte, dass er schlank und straff gewachsen war. Und jung. Das verrieten, trotz seines Bemühens, würdevoll zu wandeln, seine lebhaften Bewegungen. Den Kopf deckte die Kapuze bis zum Larvenrand vor dem Gesicht mit dem bartfreien Kinn. Hinter ihm her strömte ein bunter, närrischer Schwarm, es zischelte, kicherte und neckte mit hellen Frauen- und dunklen Männerstimmen:

      „Jeanche! Jeanche!“

      „Jeanche — horch mal!“

      „Jeanche! Bist du auf Abwegen?“

      „Jeanche — wo hast du denn deine Prinzessin?“

      „Jeanche! Ich sag’s der Betti!“

      Der schwarze Mönch ging schneller. Aber jetzt verstärkte sich nur das Getuschel. Die Masken liefen lachend neben ihm her.

      „Jeanche — es heisst doch, du bist mit der Betti verlobt!“

      „Recht Haft! Die Betti bringt etwas mit!“

      „In dem Babettche ihrer Tabakfabrik steckt noch mehr Geld als in deiner Weinhandlung!“

      Der schwarze Mönch drehte sich unwillig ein wenig um. Nun wurde die Heiterkeit immer grösser.

      „Man spricht doch, ihr wolltet es nächstens öffentlich bekanntgeben, dass ihr euch heiraten wollt! Verzürn’ das Babettche nit durch e neue Geschicht’ hier!“

      „Du hast genug von der Sorte gehabt! Jetzt hört das Vergnügen auf . . . Nun wird geheiratet!“

      „Nur Mut! Es tut nit weh!“

      Dem schwarzen Mönch wurde bei der Lüftung seines Inkognito unheimlich. Er beschleunigte seine Schritte noch mehr und näherte sich dem Büffet. Lachende Rufe tönten hinter ihm her.

      „Platz für Seine Tollität!“

      „Der Prinz hat Dorscht!“

      Ein Sterndeuter im Silberbart mahnte feierlich.

      „Lasst Hans den Ersten von Narretanien in Frieden! Er ist halt hinter einem Mädche her! Er ist auch ein Mensch!“

      Am Büffet schenkte man den deutschen Schaumwein in Kelchen aus. Der schwarze Mönch angelte nach einem Markstück in den Taschen seiner Kutte. Er fand nichts, wie er auch suchte. Um ihn war ein Gelächter des Übermuts.

      „Der Prinz hat seine Geldtasche vergessen!“

      „Der reiche Jean Dörsam hat kein Kleingeld!“

      „Los! Wir müssen für Seine Tollität sammeln!“

      „Lass nur! Da erhält er schon etwas!“

      „Der grüne Page dort ist eine mitleidige Seel’! Er bringt ihm ein Glas Sekt!“

      „Wie zierlich er geht! Das muss e schmuckes Mädche sein!“

      „Schad’, dass man das Gesicht nicht sehen kann, unter


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