Eine Kompanie Soldaten - In der Hölle von Verdun. Alfred Hein

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Eine Kompanie Soldaten - In der Hölle von Verdun - Alfred Hein


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„sich furchtbar Sträubenden“ überwand.

      Da begrüsste Beekmanns Direktor vom Wilhelmsgymnasium, ein alter, forscher Schultyrann, die Beiden.

      „Nun, Kollega, in Urlaub —? Und glücklich, wie ich sehe. Natürlich — eine so reizende Braut. — Würden Sie mit mir ein Gläschen Portwein trinken? — Sie wissen, es ist meine Stunde — zwischen 11 und 12 mein Gläschen Portwein, nein, das muss man mir altem Knaben nun mal gönnen — wissen Sie, Beekmann, das müsste ich selbst vorn haben im Trommelfeuer — so zwischen 11 und 12 — also kommen Sie —“

      Sie liessen sich in einer Probierstube Unter den Linden nieder und hoben einander die Gläser zu:

      „Heil und Sieg!“

      „Heil und Sieg!“

      „Heil und Sieg!“ flötete Evelyne. Wie oft seit zwei Jahren klangen die Gläser so aneinander: Heil und Sieg! Sie merkte, wie sie es schon in einem ewiggleichen Tonfall aussprach.

      „Na, Kollega, wie ich sehe, tapfer gewesen? Las auch schon im Provinzialschulblatt! Von seiner Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen bei der Parade im Hauptquartier höchstpersönlich angehängt. — Sagte zu den andern Alten, die wir noch da sind: Meine Herren, da sehen Sie, Beekmann war immer schneidig. Liebe diesen Ton. Kurz, energisch, alles auf eine Karte setzend. Ja, meine Jungens — —“

      „Wie geht es ihnen?“

      Der Gymnasialdirektor schluchzte auf. Die Forschheit ging eine Weile zum Teufel.

      „Beide?“

      „Beide. Einer bei Ypern, der andere am Isonzo.“

      Nun tritt das berühmte Schweigen ein, dachte Evelyne ungeduldig. Aber dann sah sie Oscar, der verworren vor sich hin sann und die Hand seines alten Direktors streichelte, und sie presste die andere Hand des Liebsten, flüsternd: „Du bleibst hier.“

      Der alte Herr richtete sich auf, nahm feierlich einen Schluck — als tränke er das Heldenblut seiner Söhne, kam Evelyne der Gedanke — und sagte, wie er auch schon so oft es ausgesprochen: „Ich bin stolz! Sie ruhen auf dem Felde der Ehre!“

      Hast du ’ne Ahnung, dachte es in Beekmanns Hirn. Wer weiss, wie sie die Kugel erhaschte. In irgendeinem Trichter zwischen den Gräben, im Niemandsland, verfaulen sie. Keiner fragt mehr nach ihnen. Zwei von Millionen.

      „Ihre Kommandeure haben mir rührende Briefe von ihrer Tapferkeit geschrieben. Mein kleiner neunzehnjähriger Joachim — Sie hatten ihn ja in der Prima — bei einem Sturmangriff da an den Kanälen in Flandern — allen voran — schrieb der Kompagnieführer — —“

      Das schreibt man so, wenn ein gequältes Vaterherz fragt. Wer wird Meerfelds Mutter erzählen, dass er durch deutsche Granaten den Tod fand?

      „Ein stilles Glas!“ flüsterte Beekmann und verbeugte sich vor dem alten so stolzen Mann.

      „Ein stilles Glas, Kollega. Sie ruhen gut, nicht wahr? Sehen Sie,“ er streichelte Beekmanns E. K. I., „das hätte ich auch gern an meinen Jungens gesehen —“

      Evelyne dachte: Dieser Ehrgeiz noch über das Grab der Kinder hinaus.

      „Die Toten sind die Grösseren! Sie schmückt ein noch schlichteres Kreuz!“ sagte halb emphatisch, halb ehrlich ihr Verlobter. Sie hörte nur seine Stimme und lächelte — im nächsten Augenblick aber liess sie das Lächeln verschwinden — um Gottes willen, wenn Oscar es unpassend findet.

      „Ja, wenn der Krieg aus ist, fahre ich nach ihren Gräbern — in Flandern — am Isonzo — —“

      Wenn du sie findest — — dachte Beekmann.

      Und dann begann der alte Herr, seltsam verklärt lächelnd, mit rauher, doch streichelnder Stimme zu singen:

      „Kein schön’rer Tod ist in der Welt,

      Als wer vom Feind erschlagen,

      Auf grüner Heid’ im freien Feld,

      Darf nicht hör’n gross’ Wehklagen.

      Im engen Bett, nur Ein’r allein,

      Muss an den Todesreihen.

      Hier findet er Gesellschaft fein,

      Fall’n mit wie Kräuter im Maien.“

      „So ist es doch? Sehen Sie: siebzig, da sollte ich gerade an die Front rücken, als die Schweinebande kapitulierte — nun habe ich doch noch eine grosse Zeit erlebt, am eigenen Leibe verspürt — denn so die Söhne hinopfern — — das ist fast mehr — —“

      Jeder macht sich hier gross, und wie winzig sind wir da vorn, ein Stück Dreck im Dreck — nein, fort diese Gedanken —

      „Auf Ihr Spezielles, Herr Geheimrat!“

      „Prosit, Kollega!“

      Evelyne fragte: „Denkt Ihre Frau auch so? So — mit Stolz —?“

      „Nein, sie weint noch immer. Seit drei Monaten. Sie begreift es nicht. Sie nennt das Opfer sinnlos.“

      „Und wenn es sinnlos wäre?“

      „Evelyne — —!!“

      „Das kann nicht sein. Wir müssen siegen! Sie werden’s schaffen!“ Und Beekmann sah, wie der Alte die Verheissung in seinen Augen suchte. Er liess sie kühn und siegentschlossen blitzen.

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