Die Sache, die man Liebe nennt. Lise Gast

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Die Sache, die man Liebe nennt - Lise Gast


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fabrikneuen erwartet, so waren beide, Mann und Auto, auf jeden Fall weit fort von mir. Mein Wagen bestand also zur Zeit aus ein paar Zahlen auf meinem Girokonto.

      »Doch, wenn du meinst, mach’ ich es schon möglich«, sagte ich, ohne zu Ende gedacht zu haben, »natürlich fahre ich rauf und kümmere mich um Ronald. Sorg dich nicht, Mutti. Schlüsselbein, wer hat das noch nicht gebrochen! Jeder Reiter mehrere Male!«

      »Schon, aber vielleicht ist auch eine Gehirnerschütterung dabei. Er muß liegen«, sagte Mutti. »Sei streng mit ihm – und daß er mir keinen Alkohol erwischt! Das vor allem! Mach ihm die Hölle heiß. Fein, daß du fährst. Ich bin sehr beruhigt.«

      Aufgelegt. Ich legte auch auf. Uli hatte, wie es bei uns beiden üblich ist, mitgehört, nachdem ich ihr einen Wink gegeben hatte. Wir sahen einander an.

      »Du fährst?«

      »Ich fahre.«

      »Und Jochen?«

      »Jochen kann doch nichts dagegen haben, wenn ich mich um meinen Bruder kümmere.« Ich hatte Uli genau verstanden.

      »Eben! Außerdem –«

      »Was ist außerdem?«

      »Außerdem brauchst du ihm ja nicht sofort in die Ohren zu trompeten, daß du nach Lauterbach fährst. Wollte er morgen kommen?«

      »Übermorgen.«

      »Also hast du morgen frei.«

      »Was heißt hier ›frei‹«, ärgerte ich mich. »Ich werde doch tun dürfen, was ich für richtig halte, zum Donnerwetter.«

      »Glaubst du? Du liegst in Rosenketten, vergiß das nicht. Jochen ist kein Mann, mit dem man willkürlich umspringen kann.«

      »Wer springt denn um? Ist das umgesprungen, wenn man sich um seine Familie kümmert?«

      »Lex«, sagte Uli, »wärst du auch bereit, sofort zu Ronald zu fahren, wenn er nicht in Lauterbach wäre?«

      »Ich würde ...«, sagte ich hitzig. Dann stockte ich. Und dann lief ich dreimal im Zimmer auf und ab. Schließlich blieb ich vor Uli stehen.

      »Uli«, sagte ich, und es klang bemerkenswert kleinlaut, ich merkte es selbst, »du bist doch verheiratet. Oder – jedenfalls – sag, darf man dann wirklich nicht mehr, was man will? Muß man bei allem fragen? Wie ein kleines Kind? Und riskieren, sich etwas verbieten zu lassen? Ist das heute noch so? Bleiben wir Frauen wirklich abhängig von der Güte und Laune des Herrn der Schöpfung, von nun an bis in Ewigkeit?«

      »Willst du eine richtige Antwort haben oder ›Nur so‹?« fragte Uli.

      »Eine richtige.«

      »Also: Wenn man den andern liebt, dann will man gar nichts anderes als er, verstehst du. Da will man nur, daß er zufrieden ist mit einem, daß man ihm gefällt, daß man ihn jeden neuen Tag davon überzeugt: Du bist mit mir nicht angeschmiert. Mit meinen dürren Worten formuliert, entschuldige. So aber empfinde ich es.«

      »Hm.« Ich stand und überlegte. »Und du meinst, Jochen gefällt es nicht, wenn ich jetzt nach Lauterbach fahre? Wenn ich ihn frage, verbietet er es mir?«

      »Verbieten wird es Jochen vielleicht nicht. Aber – lassen wir es auf sich beruhen, Lex, was er tun würde. Stell dich dumm. Frag nicht. Vielleicht erfährt er es gar nicht. Mundhalten können gehört auch zum Verheiratetsein. Ich leih mir morgen Ceskas Wagen und fahr’ dich rauf.«

      »Schön«, sagte ich nach kurzem Nachdenken. Ich sagte es entschlossen, und so war es beschlossen.

      Aber eines merkte ich schon: So einfach ist sie nicht, die Sache, die man Liebe nennt.

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