Die Soldaten. Jakob Michael Reinhold Lenz

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Die Soldaten - Jakob Michael Reinhold Lenz


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dummes Keuchel.

      MARIE.

      Er hat doch gewiss ein gutes Gemüt, der Herr Baron.

      WESENER.

      Weil er dir ein paar Schmeicheleien und so und so – Einer ist so gut wie der andere, lehr du mich die jungen Milizen nit kennen. Da laufen sie in alle Aubergen und in alle Kaffeehäuser, und erzählen sich, und eh man sich’s versieht, wips ist ein armes Mädel in der Leute Mäuler. Ja, und mit der und der Jungfer ist’s auch nicht zum Besten bestellt, und die und die kenne ich auch, und die hätt ihn auch gern –

      MARIE.

      Papa. (Fängt an zu weinen.) Er ist auch immer so grob.

      WESENER

      (klopft sie auf die Backen). Du musst mir das so übel nicht nehmen, du bist meine einzige Freude, Narr, darum trag ich auch Sorge für dich.

      MARIE.

      Wenn Er mich doch nur wollte für mich selber sorgen lassen. Ich bin doch kein klein Kind mehr.

      Vierte Szene

      In Armentieres

      Der Obriste Graf Spannheim am Tisch mit seinem Feldprediger, einem jungen Grafen, seinem Vetter, und dessen Hofmeister, Haudy, Untermajor, Mary und andern Officiers.

      DER JUNGE GRAF.

      Ob wir nicht bald wieder eine gute Truppe werden herbekommen?

      [12]HAUDY.

      Das wäre zu wünschen, besonders für unsere junge Herren. Man sagt, Godeau hat herkommen wollen.

      HOFMEISTER.

      Es ist doch in der Tat nicht zu leugnen, dass die Schaubühne eine fast unentbehrliche Sache für eine Garnison ist, c’est à dire eine Schaubühne, wo Geschmack herrscht, wie zum Exempel auf der französischen.

      EISENHARDT.

      Ich sehe nicht ab, wo der Nutzen stecken sollte.

      OBRISTER.

      Das sagen Sie wohl nur so, Herr Pastor, weil Sie die beiden weißen Läppgen unterm Kinn haben, ich weiß, im Herzen denken Sie anders.

      EISENHARDT.

      Verzeihen Sie, Herr Obriste! ich bin nie Heuchler gewesen, und wenn das ein notwendiges Laster für unsern Stand wäre, so dächt ich, wären doch die Feldprediger davon wohl ausgenommen, da sie mit vernünftigern Leuten zu tun haben. Ich liebe das Theater selber, und gehe gern hinein, ein gutes Stück zu sehen, aber deswegen glaube ich noch nicht, dass es ein so heilsames Institut für das Corps Officiers sei.

      HAUDY.

      Aber um Gottes willen, Herr Pfaff oder Herr Pfarr, wie Sie da heißen, sagen Sie mir einmal, was für Unordnungen werden nicht vorgebeugt oder abgehalten durch die Komödie. Die Officiers müssen doch einen Zeitvertreib haben?

      EISENHARDT.

      Mit aller Mäßigung, Herr Major! sagen Sie lieber, was für Unordnungen werden nicht eingeführt unter den Officiers durch die Komödie.

      HAUDY.

      Das ist nun wieder so in den Tag hinein räsoniert. Kurz und gut, Herr, (lehnt sich mit beiden Ellenbogen auf den Tisch) ich behaupte Ihnen hier, dass eine einzige Komödie, und wenn’s die ärgste Farce wäre, zehnmal mehr Nutzen, ich sage nicht unter den Officiers allein, sondern im ganzen Staat, angerichtet hat, als alle Predigten zusammengenommen, die Sie und Ihresgleichen in Ihrem ganzen Leben gehalten haben und halten werden.

      [13]OBRISTER

      (winkt Haudy unwillig). Major!

      EISENHARDT.

      Wenn ich mit Vorurteilen für mein Amt eingenommen wäre, Herr Major, so würde ich böse werden. So aber wollen wir alles das beiseite setzen, weil ich weder Sie noch viele von den Herren für fähig halte, den eigentlichen Nutzen unsers Amts in Ihrem ganzen Leben beurteilen zu können, und wollen nur bei der Komödie bleiben, und den erstaunenden Nutzen betrachten, den sie für die Herren vom Corps haben soll. Ich bitte Sie, beantworten Sie mir eine einzige Frage, was lernen die Herren dort?

      MARY.

      Ei was, muss man denn immer lernen, wir amüsieren uns, ist das nicht genug.

      EISENHARDT.

      Wollte Gott, dass Sie sich bloß amüsierten, dass Sie nicht lernten! So aber ahmen Sie nach, was Ihnen dort vorgestellt wird, und bringen Unglück und Fluch in die Familien.

      OBRISTER.

      Lieber Herr Pastor, Ihr Enthusiasmus ist löblich, aber er schmeckt nach dem schwarzen Rock, nehmen Sie mir’s nicht übel. Welche Familie ist noch je durch einen Officier unglücklich geworden? Dass ein Mädchen einmal ein Kind kriegt, das es nicht besser haben will.

      HAUDY.

      Eine Hure wird immer eine Hure, sie gerate unter welche Hände sie will; wird’s keine Soldatenhure, so wird’s eine Pfaffenhure.

      EISENHARDT.

      Herr Major, es verdrießt mich, dass Sie immer die Pfaffen mit ins Spiel mengen, weil Sie mich dadurch verhindern, Ihnen freimütig zu antworten. Sie könnten denken, es mische sich persönliche Bitterkeit in meine Reden, und wenn ich in Feuer gerate, so schwöre ich Ihnen doch, dass es bloß die Sache ist, von der wir sprechen, nicht Ihre Spöttereien und Anzüglichkeiten über mein Amt. Das kann durch alle dergleichen witzige Einfälle weder verlieren noch gewinnen.

      HAUDY.

      Na, so reden Sie, reden Sie, schwatzen Sie, dafür sind wir ja da, wer verbietet es Ihnen?

      [14]EISENHARDT.

      Was Sie vorhin gesagt haben, war ein Gedanke, der eines Nero oder Oglei Oglu Seele würdig gewesen wäre, und auch da bei seiner ersten Erscheinung vielleicht Grausen würde verursacht haben. Eine Hure wird immer eine Hure. Kennen Sie das andere Geschlecht so genau?

      HAUDY.

      Herr, Sie werden es mich nicht kennen lehren.

      EISENHARDT.

      Sie kennen es von den Meisterstücken Ihrer Kunst vielleicht; aber erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, eine Hure wird niemals eine Hure, wenn sie nicht dazu gemacht wird. Der Trieb ist in allen Menschen, aber jedes Frauenzimmer weiß, dass sie dem Triebe ihre ganze künftige Glückseligkeit zu danken hat, und wird sie die aufopfern, wenn man sie nicht drum betrügt?

      HAUDY.

      Red ich denn von honetten Mädchen?

      EISENHARDT.

      Eben die honetten Mädchen müssen zittern vor Ihren Komödien, da lernen Sie die Kunst, sie malhonett zu machen.

      MARY.

      Wer wird so schlecht denken.

      HAUDY.

      Der Herr hat auch ein verfluchtes Maul über die Officiers. Element, wenn mir ein anderer das sagte. Meint Er Herr denn, wir hören auf Honettehommes zu sein, sobald wir in Dienste treten.

      EISENHARDT.

      Ich wünsche Ihnen viel Glück zu diesen Gesinnungen. Solang ich aber noch entretenierte Mätressen und unglückliche Bürgerstöchter sehen werde, kann ich meine Meinung nicht zurücknehmen.

      HAUDY.

      Das verdiente einen Nasenstüber.

      EISENHARDT

      (steht auf). Herr, ich trag einen Degen.

      OBRISTER.

      Major, ich bitt Euch – Herr Eisenhardt hat nicht Unrecht, was wollt Ihr von ihm. Und der Erste, der ihm zu nahe kommt – setzen Sie sich, Herr Pastor, er soll Ihnen Genugtuung geben. (Haudy geht hinaus.) Aber Sie gehen auch zu weit, Herr Eisenhardt, mit alledem. Es ist kein Officier, der nicht wissen sollte, was die Ehre von ihm fodert.

      [15]EISENHARDT.

      Wenn


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