Friedrich Schiller: Philosophische Werke. Friedrich Schiller

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Friedrich Schiller: Philosophische Werke - Friedrich Schiller


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Volks; der Nebel der Barbarei, des finstern Aberglaubens verschwindet, die Nacht weicht dem siegenden Licht. Unter so vielen herrlichen Früchten der bessern Bühne will ich nur zwei auszeichnen. Wie allgemein ist nur seit wenigen Jahren die Duldung der Religionen und Sekten geworden? – Noch ehe uns Nathan der Jude und Saladin der Saracene beschämten und die göttliche Lehre uns predigten, daß Ergebenheit in Gott von unserm Wähnen über Gott so gar nicht abhängig sei – ehe noch Joseph der Zweite die fürchterliche Hyder des frommen Hasses bekämpfte, pflanzte die Schaubühne Menschlichkeit und Sanftmuth in unser Herz, die abscheulichen Gemälde heidnischer Pfaffenwuth lehrten uns Religionshaß vermeiden – in diesem schrecklichen Spiegel wusch das Christenthum seine Flecken ab. Mit eben so glücklichem Erfolge würden sich von der Schaubühne Irrthümer der Erziehung bekämpfen lassen; das Stück ist noch zu hoffen, Wo dieses merkwürdige Thema behandelt wird. Keine Angelegenheit ist dem Staat durch ihre Folgen so wichtig als diese, und doch ist keine so preisgegeben, keine dem Wahne, dem Leichtsinn des Bürgers so uneingeschränkt anvertraut, wie es diese ist. Nur die Schaubühne könnte die unglücklichen Schlachtopfer vernachlässigter Erziehung in rührenden, erschütternden Gemälden an ihm vorüberführen; hier könnten unsre Väter eigensinnigen Maximen entsagen, unsre Mütter vernünftiger lieben lernen. Falsche Begriffe führen das beste Herz des Erziehers irre; desto schlimmer, wenn sie sich noch mit Methode brüsten und den zarten Schößling in Philanthropinen und Gewächshäusern systematisch zu Grunde richten.

      Nicht weniger ließen sich – verstünden es die Oberhäupter und Vormünder des Staats – von der Schaubühne aus die Meinungen der Nation über Regierung und Regenten zurechtweisen. Die gesetzgebende Macht spräche hier durch fremde Symbole zu dem Unterthan, verantwortete sich gegen seine Klagen, noch ehe sie laut werden, und bestäche seine Zweifelsucht, ohne es zu scheinen. Sogar Industrie und Erfindungsgeist könnten und würden vor dem Schauplatz Feuer fangen, wenn die Dichter es der Mühe werth hielten, Patrioten zu sein, und der Staat sich herablassen wollte, sie zu hören.

      Unmöglich kann ich hier den großen Einfluß übergehen, den eine gute stehende Bühne auf den Geist der Nation haben würde. Nationalgeist eines Volks nenne ich die Aehnlichkeit und Uebereinstimmung seiner Meinungen und Neigungen bei Gegenständen, worüber eine andere Nation anders meint und empfindet. Nur der Schaubühne ist es möglich, diese Uebereinstimmung in einem hohen Grad zu bewirken, weil sie das ganze Gebiet des menschlichen Wissens durchwandert, alle Situationen des Lebens erschöpft und in alle Winkel des Herzens hinunter leuchtet; weil sie alle Stände und Klassen in sich vereinigt und den gebahntesten Weg zum Verstand und zum Herzen hat. Wenn in allen unsern Stücken ein Hauptzug herrschte, wenn unsre Dichter unter sich einige werden und einen festen Bund zu diesem Endzweck errichten wollten – wenn strenge Auswahl ihre Arbeiten leitete, ihr Pinsel nur Volksgegenständen sich weihte, – mit einem Wort, wenn wir es erlebten, eine Nationalbühne zu haben, so würden wir auch eine Nation. Was kettete Griechenland so fest aneinander? Was zog das Volk so unwiderstehlich nach seiner Bühne? – Nichts anders als der vaterländische Inhalt der Stücke, der griechische Geist, das große überwältigende Interesse, des Staats, der besseren Menschheit, das in denselbigen athmete.

      Noch ein Verdienst hat die Bühne – ein Verdienst, das ich jetzt um so lieber in Anschlag bringe, weil ich vermuthe, daß ihr Rechtshandel mit ihren Verfolgern ohnehin schon gewonnen sein wird. Was bis hieher zu beweisen unternommen worden, daß sie auf Sitten und Aufklärung wesentlich wirke, war zweifelhaft – daß sie unter allen Erfindungen des Luxus und allen Anstalten zur gesellschaftlichen Ergötzlichkeit den Vorzug verdiene, haben selbst ihre Feinde gestanden. Aber was sie hier leistet, ist wichtiger, als man gewohnt ist zu glauben.

      Die menschliche Natur erträgt es nicht, ununterbrochen und ewig auf der Folter der Geschäfte zu liegen, die Reize der Sinne sterben mit ihrer Befriedigung. Der Mensch, überladen von thierischem Genuß, der langen Anstrengung müde, vom ewigen Triebe nach Thätigkeit gequält, dürstet nach bessern auserlesenern Vergnügungen, oder stürzt zügellos in wilde Zerstreuungen, die seinen Hinfall beschleunigen und die Ruhe der Gesellschaft zerstören. Bacchantische Freuden, verderbliches Spiel, tausend Rasereien, die der Müßiggang ausheckt, sind unvermeidlich, wenn der Gesetzgeber diesen Hang des Volks nicht zu lenken weiß. Der Mann von Geschäften ist in Gefahr, ein Leben, das er dem Staat so großmüthig hinopferte, mit dem unseligen Spleen abzubüßen – der Gelehrte zum dumpfen Pedanten herabzusinken – der Pöbel zum Thier. Die Schaubühne ist die Stiftung, wo sich Vergnügen mit Unterricht, Ruhe mit Anstrengung, Kurzweil mit Bildung gattet, wo keine Kraft der Seele zum Nachtheil der andern gespannt, kein Vergnügen auf Unkosten des Ganzen genossen wird. Wenn Gram an dem Herzen nagt, wenn trübe Laune unsere einsamen Stunden vergiftet, wenn uns Welt und Geschäfte anekeln, wenn tausend Lasten unsre Seele drücken und unsre Reizbarkeit unter Arbeiten des Berufs zu ersticken droht, so empfängt uns die Bühne – in dieser künstlichen Welt träumen wir die wirkliche hinweg, wir werden uns selbst wieder gegeben, unsre Empfindung erwacht, heilsame Leidenschaften erschüttern unsre schlummernde Natur und treiben das Blut in frischeren Wallungen. Der Unglückliche weint hier mit fremdem Kummer seinen eignen aus – der Glückliche wird nüchtern und der Sichere besorgt. Der empfindsame Weichling härtet sich zum Manne, der rohe Unmensch fängt hier zum erstenmal zu empfinden an. Und dann endlich – welch ein Triumph für dich, Natur! – so oft zu Boden getretene, so oft wieder auferstehende Natur! – wenn Menschen aus allen Kreisen und Zonen und Ständen, abgeworfen jede Fessel der Künstelei und der Mode, herausgerissen aus jedem Drange des Schicksals, durch eine allwebende Sympathie verbrüdert, in ein Geschlecht wieder aufgelöst, ihrer selbst und der Welt vergessen und ihrem himmlischen Ursprung sich nähern. Jeder Einzelne genießt die Entzückungen aller, die verstärkt und verschönert aus hundert Augen auf ihn zurückfallen, und seine Brust gibt jetzt nur einer Empfindung Raum – es ist diese: ein Mensch zu sein.

      Gedanken über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst

       Inhaltsverzeichnis

      Gemein ist alles, was nicht zu dem Geiste spricht und kein anderes als ein sinnliches Interesse erregt. Es gibt zwar tausend Dinge, die schon durch ihren Stoff oder Inhalt gemein sind; aber weil das Gemeine des Stoffes durch die Behandlung veredelt werden kann, so ist in der Kunst nur vom Gemeinen in der Form die Rede. Ein gemeiner Kopf wird den edelsten Stoff durch eine gemeine Behandlung verunehren; ein großer Kopf und ein edler Geist hingegen wird selbst das Gemeine zu adeln wissen, und zwar dadurch, daß er es an etwas Geistiges anknüpft und eine große Seite daran entdeckt. So wird uns ein Geschichtschreiber von gemeinem Schlage die unbedeutendsten Verrichtungen eines Helden eben so sorgfältig als seine erhabensten Thaten berichten und sich eben so lang bei seinem Stammbaum, seiner Kleidertracht, seinem Hauswesen, als bei seinen Entwürfen und Unternehmungen verweilen. Seine größten Thaten wird er so erzählen, daß kein Mensch es ihnen ansieht, was sie sind. Umgekehrt wird ein Geschichtschreiber von Geist und eignem Seelenadel auch in das Privatleben und in die unwichtigsten Handlungen seines Helden ein Interesse und einen Gehalt legen, der sie wichtig macht. Einen gemeinen Geschmack haben in der bildenden Kunst die niederländischen Maler, einen edeln und großen Geschmack die Italiener, noch mehr aber die Griechen bewiesen. Diese gingen immer auf das Ideal, verwarfen jeden gemeinen Zug und wählten auch keinen gemeinen Stoff.

      Ein Porträtmaler kann seinen Gegenstand gemein und kann ihn groß behandeln. Gemein, wenn er das Zufällige eben so sorgfältig darstellt als das Nothwendige, wenn er das Große vernachlässigt und das Kleine sorgfältig ausführt; groß, wenn er das Interessanteste herauszufinden weiß, das Zufällige von dem Nothwendigen scheidet, das Kleine nur andeutet und das Große ausführt. Groß aber ist nichts, als der Ausdruck der Seele in Handlungen, Geberden und Stellungen.

      Ein Dichter behandelt seinen Stoff gemein, wenn er unwichtige Handlungen ausführt und über wichtige flüchtig hinweggeht. Er behandelt ihn groß, wenn er ihn mit dem Großen verbindet. Homer wußte den Schild des Achilles sehr geistreich zu behandeln, obgleich die Verfertigung eines Schildes dem Stoff nach etwas sehr Gemeines ist.

      Noch eine Stufe unter dem Gemeinen steht das Niedrige, welches von jenem darin unterschieden ist, daß es nicht bloß etwas Negatives, nicht bloß Mangel des Geistreichen und Edeln, sondern etwas Positives, nämlich Rohheit des Gefühls,


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