Perry Rhodan 3093: NATHAN. Susan Schwartz

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Perry Rhodan 3093: NATHAN - Susan Schwartz


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Iwa war mit ihr schmerzensteleportiert ... und für die meisten Menschen wäre es normal gewesen, dass sie die Zeitspanne, die dieser Vorgang beanspruchte, nicht miterlebten. Aber Anzu war kein normaler Mensch.

      Nicht mehr, seit sie im Moment einer solchen Teleportation gestorben war und ihr Todesmoment sich unendlich hingezogen hatte.

      Und schon gar nicht mehr, seit das Staub-Faktotum in der Tiefe des Erdmantels ihre Mutantengabe geweckt hatte.

      Seitdem erlebte Anzu die Zeit in der seltsamen Landschaft des Wehgangs stets aktiv mit. »Was war dieses Mal anders?«, fragte sie.

      Vor ihnen flog eine Arkon-Ente mit flatterndem Flügelschlag heran und landete platschend im eben noch spiegelglatten Wasser des Sees, keine zehn Meter entfernt. Das Tier plusterte sein regenbogenfarbenes Gefieder und gab das typisch dumpfe Krächzen von sich, das angeblich bei manchen Menschen Schwindelanfälle auslöste.

      »Ich weiß nicht.« Iwa war hörbar verblüfft. Sie stand leicht gekrümmt und atmete schwer – nach einer Schmerzensteleportation brauchte sie stets einen Moment Erholung. »Du warst während der Passage bewusstlos, ich habe dich mitgeschleppt. Alles ist für mich wie immer verlaufen. Nur eben dein Zustand nicht.«

      »Hm.« Anzu setzte sich auf den Boden. Vor ihren Füßen krabbelte eine Spinne und verschwand zwischen Grashalmen.

      Ob ihre Bewusstlosigkeit damit zusammenhing, dass sie ihre Paragabe schon einige Tage lang nicht mehr angewendet hatte? Oder eher eine Woche. Mindestens.

      Ein Punkt, über den sie nicht nachdenken wollte. Also wandte sie die beste Methode für den Umgang mit unliebsamen Themen an: Sie lenkte ab. »Was gibt es hier eigentlich zu sehen? Der Nebel auf der anderen Seite des Sees kann ja wohl kaum das Phänomen sein, das Perry Rhodan für so sehenswert hält.« Sie versuchte, unbeschwert zu klingen.

      »Doch«, sagte Iwa trocken.

      Also sah Anzu noch einmal hin; diesmal genauer.

      Den Nebel fand sie durchaus schön. Sie mochte herbstliche Stimmung über Landschaften. Es hatte etwas Erfrischendes; vielleicht lag es daran, dass sie in dieser Jahreszeit geboren war. Ihre Mutter – die sie niemals wiedersehen würde, weil auch sie bald ein Universum weit entfernt leben würde – hatte sie stets Novemberkind genannt.

      Erstaunlich jedoch, dass der Nebel nicht aufhören wollte, egal wohin sie schaute. Er zog sich in alle Richtungen am Seeufer entlang – nein, auf der rechten Seite begann er erst einige Schritte jenseits des Ufers auf der Wiese, auf der linken schon über der Wasseroberfläche. Immer reichte der Blick Anzus Schätzung nach 100 Meter, ehe er sich im diesigen Grau verlor.

      Dabei war es im frei liegenden Bereich seltsamerweise nicht etwa düster wie an einem nebligen Tag; ganz im Gegenteil leuchteten sämtliche Farben. Wahrscheinlich war ihr der Nebel deshalb nicht gleich aufgefallen.

      Sie hob den Blick. Auch der Himmel verschwand im Nebel.

      Woher kam dann die Helligkeit? Gerade hatte Anzu geglaubt, im Sonnenlicht zu stehen. Nein, sie hatte es nicht nur geglaubt, sie spürte die Hitze nach wie vor auf der Haut.

      Seit dem Beginn des Re-Transfers vor zwei Tagen bewegte sich die Erde zwar auf unbestimmte Weise von der Sonne weg, doch es war hell geblieben – zumindest tagsüber. Denn sogar der Tag-Nacht-Wechsel blieb, ein deutliches Indiz dafür, dass die Erde auf ihrer Reise eben nicht den Raum, sondern die Grenze zwischen den Hälften des Dyoversums passierte. Es ging nicht um messbare Entfernungen im Normalraum.

      Der Journalist Doran Terfen war mit dem markigen Satz quasi über Nacht berühmt geworden, dass Terra zwar jahrhundertelang verschwunden gewesen war, sich jedoch stets am selben Ort befunden hatte.

      Wissenschaftlich mochte es nicht korrekt ausgedrückt sein, aber auf eine seltsame, verwirrende Art entsprach es der Wahrheit. Dem, was alle fühlten. Die aktuelle Reise ging schließlich vom Solsystem ... zum Solsystem.

      »Faszinierend, nicht wahr?«, fragte Iwa. »In der freien Natur sieht man das Phänomen am besten. Deshalb habe ich dich hergebracht.«

      »Wie weit erstreckt sich der Nebel?«

      »Er ist überall. Auf ganz Terra, und soweit wir wissen, ebenso zwischen Terra und Luna, und auf dem Mond sowieso. Es sind bereits Sonden Richtung Luna unterwegs, und auch NATHAN hat für Aufnahmen und Ortungen Roboteinheiten losgeschickt. Bislang gleicht sich das Ergebnis an jedem Ort. Der Blick geht bis in eine Entfernung von einhundertvier Metern. Außerhalb der Atmosphäre exakt genauso wie innerhalb.«

      »Einhundertvier Meter?«, wiederholte Anzu ungläubig. »Es lässt sich so genau bestimmen?«

      »Wenn wir ein Stück gehen, verschiebt sich für uns auch der frei liegende Bereich. Alles dahinter verschwindet in diesem gräulich-diffusen Etwas. Künstliches Licht ändert nichts daran. Geht in einhundertfünf Metern Entfernung ein Scheinwerfer an, bemerkt man es nicht. Aber trotz dieser rein optischen Barriere sind die Farben im Freiraum frischer und lebendiger.«

      »Perry hatte recht. Das sollte man wirklich mit eigenen Augen sehen. Es ist ...« Sie suchte das richtige Wort.

      »Ja?«, fragte Iwa.

      »Schön«, sagte Anzu.

      »Findest du?«

      »Du nicht?«

      »Es hat etwas Bedrohliches«, urteilte die Mutantin. »Manchmal kommt es mir so vor, als wäre der diffuse Horizont aus der Landschaft der Schmerzensteleportation in die Wirklichkeit geschwappt.«

      »Vielleicht war ich während des Wehgangs deshalb ohnmächtig, weil ich meine Gabe habe verkümmern lassen.« Die Worte rutschten Anzu einfach über die Lippen, ohne dass sie darüber nachdachte.

      »Du hast sie verloren?«, fragte Iwa erschrocken.

      »Wäre das so schlimm?«

      Die Mutantin stand im Gegensatz zu Anzu noch immer, beugte sich aber nun herab und packte sie an der Schulter. »Ja! Es ist deine Gabe! Ein Teil von dir.«

      »Oder ein Geschenk des Staub-Faktotums? Das ich vielleicht gar nicht wollte?«

      »Du wolltest es sehr wohl! Und das Faktotum hat lediglich etwas in dir geweckt, das schon vorher in dir war.« Iwas Finger krallten sich schmerzhaft fest um das Schultergelenk. »Versuch es!«

      »Ich ...«

      »Jetzt!«

      Also gut. Anzu schüttelte den Griff ab, streckte den rechten Arm aus, öffnete die Finger leicht und senkte sie tiefer. Sie konnte durch Materie hindurchgreifen, sobald sie sich darauf konzentrierte. Es erinnerte an die Fähigkeit der legendären Paddler, denen die Menschheit einst in Andromeda begegnet war, und sie hatte diese Gabe eigentlich schulen wollen. Alle waren begeistert von dieser Idee gewesen. Nur Anzu selbst nicht.

      Ihr kleiner Finger stieß zuerst längs auf das Erdreich.

      Und blieb darauf liegen.

      Er drang keinen Millimeter ein.

      Auch nicht, als Anzu Gewalt ausübte und drückte.

      Und noch immer nicht, als sie die Muskeln so fest anspannte, dass sie zitterten.

      *

      Anzus Gabe kehrte nicht zurück.

      Und ebenso wenig verschwand der allgegenwärtige Nebel.

      Weder an diesem Tag noch an den nächsten beiden. Oder am fünften, als der Re-Transfer eigentlich hätte beendet und Terra im Heimatuniversum angekommen sein sollen.

      Am sechsten Tag rückte der Nebel bis auf 86 Meter heran, und am siebenten begannen die Erdbeben.

      2.

      Unterwegs nach Hause

      Persönliches Tagebuch, 27. April 2047 NGZ – Die Tschubai-Chroniken, Folge 534.

      Wir haben das Schwerkraftfeld der Balkenspiralgalaxie NGC 1169 nahezu verlassen und reisen nun weiter nach Hause.


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