Tiergeschichten vom Ponyhof. Lise Gast
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Tiergeschichten vom Ponyhof
Saga
Tiergeschichten vom Ponyhof
German
© 1988 Lise Gast
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711510094
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
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Pferdehandel
Vor langer Zeit, als wir noch keine Pferde hatten, veröffentlichte ich einmal ein Buch, das hieß „Große Schwester Schimmel“ und erwies sich als richtungweisend für unser weiteres Leben. Denn „Schimmel“ deutet auf eine Pferdefarbe hin. Dieses Buch wurde in der Zeitung besprochen, und direkt darunter befand sich die Kritik eines anderen Buches, mit dem Titel „Dick und Dalli und die Ponys“ von Ursula Bruns. Die Autorin schilderte darin das Leben einer Großmutter mit zwei kleinen Enkelinnen, die Ponys züchteten.
Ponys! Seit eh und je mein Traum und mein größter Wunsch. Schon im allerältesten Adreßbuch, das ich noch heute besitze, steht eine Anschrift „Shetlandponys, Alpen, Niederrhein“. Ich kaufte Ursula Bruns Buch und las es den Kindern vor. Und dabei überlegte ich.
Wir wohnten damals auf einem Gutshof in Westfalen, und der Besitzer hielt seine schützende Hand über uns. Er selbst war kinderlos, aber sehr kinderfreundlich, hatte seinen Spaß an unserer Bande und verzieh immer wieder, wenn Dummheiten angestellt wurden. Auf dem Hof gab es eine alte Ölmühle aus dem Jahr 1879, die leerstand; ein Stall war auch dabei. Der Wunsch, den Kindern ein Pony zu halten und sie reiten zu lassen, war groß. Ich begann also, mich umzuhören. Woher bekam man ein Pony?
Erst versuchte ich es bei einer Autorin, die die Frau eines Zoodirektors war. Ihre Antwort war unmißverständlich: „Lassen Sie die Hände davon. Ponys sind kein Spielzeug.“ Sie ahnte nicht — wie konnte sie auch, ich wußte es selbst ja auch noch nicht —, daß wir im Begriff waren, den ersten Ponyhof der Bundesrepublik zu gründen.
Wir suchten weiter. In dem Ort, in den es uns verschlagen hatte, wohnte auch ein alter Offizier, den wir den „rostigen Baron“ nannten. Ihn fragte ich um Rat. Und er wußte tatsächlich jemanden, der Shetlandponys besaß. Er telefonierte sofort, und dieser Mann bot uns eine kleine Rappstute an, fünfjährig, und trächtig. Ob wir ...
Es war einer meiner Blitzentschlüsse. Ich stammelte „Jajaja!“ und hatte gehandelt, wie der Reiter vor dem Hindernis handeln soll — mein Herz vorangeworfen, um nachzuspringen. Die kleine Rappstute wurde unser erstes Pferd. Ich brachte sie, um die Kinder zum Heiligen Abend zu überraschen, erst einmal bei unserm Dorfkaufmann unter. Natürlich war in unserem kleinen Ort nichts zu verbergen. Die Kinder wußten zur Bescherung längst, daß da ein kleiner Vierbeiner stand, Heu fraß, wieherte und ein Fohlen erwartete. Ich holte sie am Heiligen Abend vor der Christmette ins Haus herüber, der „rostige Baron“ ging mit. Der Ladenbesitzer sah uns nach und rief: „Maria und Josef!“ Dabei sollte Blacky, die eigentlich Adele hieß, den Esel darstellen. Da wir später auch Esel besaßen und sehr liebten, betrachteten wir das nicht als Schimpfwort.
Im Mai fohlte sie. Es wurde ein Stutfohlen, und wir nannten es Appelschnut. Die Kleinen strahlten, wenn sie jetzt von „unseren Pferden“ sprachen, liebten Schnute und begannen nach einiger Zeit, Blacky zu reiten. Der „rostige Baron“ gab ihnen Unterricht. Nun aber fanden die großen Kinder und ich, daß auch wir reiten sollten, und ein größeres Pony mußte her. Diesmal nahmen wir unseren Gutsherrn mit, den wir sehr liebten. Er wußte von einem Schecken, der vielleicht in Frage kam. Der Handel ging schnell, wir hatten ja keine Ahnung, waren blutige Laien. Glücklich brachten wir Schekki heim. Und da der Gutsherr beim Kauf dabei war, nahmen wir das als seine Genehmigung, uns Ponys zu halten. Er gönnte uns den kleine Stall.
Es war wiederum Winter, und wir erwarteten unsere Großen, die in Internaten lebten, der Älteste in Wolfenbüttel, die Töchter in Harzburg. Sie kamen immer alle miteinander in den Weihnachtsferien heim, und wir holten sie ab, obwohl es weit war bis zur Bahnstation. Ackus war krank, hatte Grippe und Fieber, wollte aber das Fest über nicht allein in der Schule bleiben. Margot und Brigitte faßten sie beim Umsteigen unter, und wir warteten am Bahnhof, um Rucksäcke, Koffer, Taschen, Kartons, Skier und was sonst noch wichtig war, heimzuschleppen.
„Wir reiten hin“, hatten wir beschlossen, „da sehen sie die Schecki gleich. Das gibt eine Überraschung!“
Auf Schecki kam natürlich Steffi. Sie hatte ihrem Reitpferd zur Feier des Tages ein Glöckchen um den Hals gebunden, das aber machte Schecki rasend. Sie stieg, buckelte und warf Steffi nach kurzem Zweikampf in eine Pfütze. Es war Nacht und wildes Wetter. Von da an führten wir Schecki lieber und schoben unsere Fahrräder nebenher. So erreichten wir den Bahnhof noch rechtzeitig, denn der Zug hatte Verspätung.
Wir hatten Schecki in die Bahnhofshalle geführt, damit die Ankommenden sie gleich sehen konnten. Ackus, durch Grippe und Fieber leicht getrübt, sah sie nur einen Moment und stöhnte: „Mutter hat eine Kuh gekauft!“
Immer, wenn wir an dieses Pony denken, müssen wir uns an Ackus’ Aufschrei erinnern. Selbst wenn ich — wozu eigentlich? — eine Kuh gekauft hätte, warum wohl hätten wir sie durch Sturm und Schnee auf den Bahnhof zerren sollen?!
Auf dem Rückweg führte Ernst das Pony, und Steffi hatte nichts dagegen. Keiner hatte etwas gegen diesen Kauf einzuwenden, denn nun endlich begann das richtige, das Miteinander-Reiten. Nichts hält Familie und Freunde so zusammen wie ein gemeinsames Hobby. Hobby? Reiten ist mehr als das.
Nun also konnten auch die größeren Geschwister reiten. Wer so viele Kinder in die Welt setzte wie ich, hat keine Reitausbildung genossen, das ist klar. Also nahm ich nun endlich Reitstunden in unserer Kreisstadt, natürlich mit den Kindern zusammen. Daß sie mich binnen kurzem weit überflügelten, wird jeder einsehen. Aber einiges bekam ich doch noch mit, und ich reite ja auch keine Turniere, sondern nur im Gelände.
Kaum saß ich damals einigermaßen sicher im Sattel (oder auf dem blanken Pferderücken, ich reite heute noch gerne ohne Sattel), da lernte ich Ursula Bruns kennen, die damals an dem Film „Die Mädchen vom Immenhof“ mitarbeitete. Er wurde nach dem Buch „Dick und Dalli und die Ponys“ gedreht, und die eigentlichen Hauptdarsteller waren die Pferde, Islandpferde, wohlgemerkt, halbgroße, ausdauernde und gutmütige, für den Film eigens importierte Isländer. Ursula Bruns forderte mich, als ich sie besuchte, sofort zum Reiten auf.
„Ich kann aber gar nicht“, stammelte ich, als sie mir Blessi vorführte. „Rauf! Hier wird nicht die alte Frau markiert!“ kommandierte sie.
Ich gehorchte, was blieb mir anderes übrig. Aber siehe da, man muß nur wollen. Wir ritten an diesem Tag drei Stunden, und als ich dann schließlich absaß, war mein Plan gefaßt. Isländer for ever.
Ursula versprach mir einen Isländer aus dem nächsten Transport. „Wie soll er denn aussehen“, fragte sie.
„Ein Fuchs mit heller Mähne“, bat ich. Im Frühjahr sollten die Pferde kommen, bis dahin würden wir auf eigenem Boden wohnen, so lieb uns unser bisheriges Heim auf dem Klostergut auch war.
„Eigene Pferde, eigenes Land“, sagte unser Gutsherr, und ich gab ihm recht und kaufte einen Grund in Süddeutschland, auch deshalb, weil mein Hauptverlag damals in Stuttgart lag. Vierundvierzig Ar, billig, ein Grundstück am Bach, ringsum von Koppeln und Wald eingeschlossen. Auf dem Land stand noch eine alte Baracke, aus der dann der Ponyhof wurde. Als erstes rief Ursula Bruns an.
„Ihr Pferd ist da.“ Es sollte doch erst im Frühjahr kommen, wenn wir eingerichtet sein würden, es kam aber schon im Herbst.
„Die