Für mich gab's nur Jérôme - Katharina von Württemberg und Jérôme Bonaparte. Utta Keppler
Читать онлайн книгу.und Schwierigkeiten gemacht; Louis war verwirrt und verschattet; und dieser Kleine ließ sich, da er allein nicht stehen konnte, von seiner energischen jungen Frau gängeln, der er verfallen war – und er sollte nur ihm, dem Großen, folgen und dienen, dem allein er Schutz und Schonung und Hilfe verdankte.
Die Mutter nur war für Napoleons Familiensinn Maßstab und Richterin. Vor ihr rechtfertigte er sich, erklärte seine Maßnahmen, denn die strenge Letizia – trotz ihrer Abneigung gegen die »neuenglische Protestantin« – hatte sich für den Jüngsten eingesetzt.
Napoleon schrieb ihr: »Wenn er so weitermacht, muß man ihn verhaften. Ich habe befohlen, daß Mlle. Patterson, wenn sie kommt, nach Amerika zurückgebracht wird mit dem ersten Schiff, das dorthin abgeht. Ich muß diesen jungen Mann streng behandeln, da er sich des Namens wenig würdig erweist, den zu tragen er die Ehre hat. Wenn er nicht imstande ist, die Schande von dem meinen abzuwaschen, die er mir angetan hat, als er seine Fahnen verließ, und das allein für eine schlechte Frau, muß ich ihn verstoßen und vielleicht ein Beispiel an ihm statuieren, damit meine jungen Offiziere die Heiligkeit ihrer Pflicht erkennen lernen und die Ungeheuerlichkeit des Verbrechens, die Fahne wegen einer Frau im Stich zu lassen.«(Napoleons Macht über die Gemüter lag auch in dem Gespür für die Wirkung der Symbole, von denen die Fahne eines der heiligsten war.)
Er verbot den Hafenkommandanten, Jérômes Schiff landen zu lassen, den Kapitänen, ihn mitzunehmen, den Konsuln und Bürgermeistern, die Eintragung der Heiratsakte in ihre Register vorzunehmen, Banken und Kreditinstitute hatten die Zahlung zu sperren. Er drohte dem Bruder Enterbung an, Ausschluß aus der Gemeinschaft der Herrschersippe.
Und – er hatte Jérôme richtig eingeschätzt: Er wehrte sich zwar mit Emphase und Pathos und sicher echt empfundenem Schmerz. Er schrieb an Verwandte und Freunde, Geistliche und Würdenträger, aber Napoleon wußte, der Test für die Reichweite seiner Macht würde so positiv ausfallen, wie er es vorausgesehen hatte.
Auch Elisabeth wehrte sich; sie fühlte, wie labil ihr Gemahl war, sie hatte noch den Elan der Neusiedler, ihre ungebrochene Weltsicherheit empörte sich gegen die Ungerechtigkeiten, ihr Puritanismus (schwer überwunden bei der katholischen Trauung durch einen spanischen Priester) gegen den Schandfleck des Konkubinats: Sie hatte ja vorher das französische Gesetz nicht gekannt, das diese Ziviltrauung mit einem Minderjährigen für ungültig erklärte.
Sie reiste mit Jérôme nach Lissabon, die Überfahrt ging glatt vonstatten. Im Hafen verweigerte ihnen der französische Geschäftsträger die Pässe, das Betreten des Landungsstegs, den Eintritt in ein von Frankreich kontrolliertes Land. Jérôme sei Gast des Gouverneurs, aber ohne die »Dame« … Endlich beschloß Jérôme, allein zum Bruder zu fahren, um ihn umzustimmen. Elisabeth segelte ohne ihn nach Amsterdam, der Abschied glich einem Operndrama, Tränen, Schwüre, Ohnmacht. Aber auch Holland wies die Unglückliche ab.
Statt nach Amerika zurückzukehren, wie man gehofft hatte, fuhr sie nach England. In Camberwell, in der Bannmeile Londons, gab sie einem Söhnchen das Leben, das sie später in Amerika taufen ließ.
Und jetzt, getrennt von der energischen Frau, die ihn durch ihre Schwangerschaft noch stärker gebunden hatte, allein, angewiesen auf den Schatten des Bruders, wurde Jérôme wieder das schwankende Fähnchen, das er jedesmal ohne starken Halt von außen wurde. Er bedingte sich eine Schonzeit aus, er verkroch sich vor dem Donnergrollen des Herrn, er hoffte noch immer, aber endlich, nach zehn Tagen des qualvollen Schwankens, nach liebevollen Briefen an »Elisa«, nach einem Fieber, das ihn nicht nur packte, um Napoleon zu rühren, nach zehn Höllentagen also schrieb Jérôme einen demütigen Unterwerfungsbrief und wurde erbost, aber mit herablassender Gnade wieder aufund angenommen. Schließlich hatte er ja das einzige bewiesen, worauf es ankam: Gehorsam und die Fähigkeit, ein Kind zu zeugen.
Napoleons Antwort war die eines Siegers an den Gesandten einer fremden Macht: »Mon frère, es gibt in meinen Augen keine Verfehlung, die durch echte Reue nicht getilgt werden könnte. Ihre Verbindung mit Mlle. Patterson ist nach kirchlichem wie bürgerlichem Recht ungültig. Schreiben Sie ihr, sie möge nach Amerika zurückkehren. Ich werde der Dame eine lebenslange Rente von 60 000 Francs gewähren, unter der Bedingung, daß sie meinen Namen endgültig ablegt. Sie selbst werden sie wissen lassen, daß Sie die Dinge nicht ändern konnten noch ändern werden, Ihre Ehe wird hiermit ›durch Ihren eigenen Willen‹ für nichtig erklärt.«
Danach wurde die Erwartung ausgesprochen, daß sich der Gemaßregelte in der Armee auszeichne, eine Verdammung und Erhebung, wie sie ein Gott auf einen jammervollen Sünder herunterprasseln läßt, und der »Sünder« war seit dieser Unterwerfung »jeden Charakters beraubt«, wie ein Freund sagte, gebrochen, entnervt, seinen albernen Antrieben ohne Hemmung preisgegeben, sofern sie ihm der gewaltige Donnerer erlaubte. Das war im Sommer 1805.
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