Bleibt uns die Hoffnung. Marie Louise Fischer

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Bleibt uns die Hoffnung - Marie Louise Fischer


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      Marie Louise Fischer

      Bleibt uns die Hoffnung

      SAGA Egmont

      Bleibt uns die Hoffnung

      Bleibt uns die Hoffnung

      Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof A/S

      Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de)

      represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)

      Originally published 1973 by Bertelsmann Verlag, Germany

      All rights reserved

      ISBN: 9788711718438

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      Der Tag war ungewöhnlich warm für Ende Mai. Ein kurzer Regen in der Frühe hatte kaum Abkühlung gebracht. Die Luft war schwül, als stünde noch ein Gewitter bevor.

      Sabine Miller hatte das Fenster des ebenerdigen Schlafzimmers weit geöffnet und sich aufs Fensterbrett geschwungen. Obwohl sie nur einen kurzärmeligen weißen Kittel über Höschen und Büstenhalter trug, war ihr heiß. Sie schüttelte die Sandalen von den Füßen.

      Das Schlafzimmer war immer schon zu eng für die schweren Möbel gewesen, die noch aus den ersten Ehejahren stammten. Millers hatten geplant, es neu einzurichten, sobald die drückendsten Schulden, die sie für den Bau ihres Hauses hatten aufnehmen müssen, getilgt sein würden. Aber so weit war es nie gekommen. Jetzt mußte auch noch ein Kinderbett hier Platz finden.

      Ilona, die zwanzigjährige, unverheiratete Tochter, saß auf der Kante des Ehebetts, die dem Fenster zugewandt war, und gab ihrem Baby das Fläschchen. Sie war vollständig angezogen, trug ein schickes, gelbes Polokleid, Perlonstrümpfe, weiße Pumps und wirkte, als wäre sie nur gerade eben auf einen Sprung hereingekommen.

      Tatsächlich hatte sie den ganzen letzten Monat bei ihren Eltern in Riesberg verbracht. Gleich von der Klinik aus, in der sie ihr Kind zur Welt gebracht hatte, war sie nach Hause gekommen. Inzwischen war ihre Schonzeit abgelaufen, und sie mußte nach München an ihren Arbeitsplatz zurück.

      Das Fläschchen war leer, und Ilona zog ihrem Baby den Sauger aus dem Mund.

      »Wie gut Katja trinkt!« lobte Sabine.

      »Ja, sie ist ein wahrer Schatz. Ich werde sie sehr vermissen.« Ilona legte die Hand unter den Rücken der Kleinen, richtete sie auf und hielt sie hoch. »Mach ein Bäuerchen! Ein schönes Bäuerchen!«

      Katja verzog das Gesicht, als wenn sie sich Mühe gäbe, der mütterlichen Aufforderung nachzukommen.

      »Sieh nur, wie sie sich anstrengt, Mutti!« rief Ilona. »Ist sie nicht süß?«

      Sabine Miller beobachtete die beiden mit Rührung. »Sie kommt ganz nach dir«, behauptete sie, »bis auf die roten Haare und die helle Haut… die hat sie von ihrem Vater!«

      »Hoffentlich hat sie im Leben mehr Glück als ich!« rutschte es Ilona heraus, aber sie verbesserte sich sofort. »Ich hab’s nicht so gemeint, Mutti, wirklich nicht … ich bin ganz und gar nicht verbittert. Schließlich bin ich jung und gesund und habe ein süßes Baby und eine Mutter, die …«

      Sabine fiel ihr ins Wort. »Du solltest dich mit Oswald in Verbindung setzen. Er weiß gar nicht, daß er ein Kind hat … oder doch?«

      »Nein. Und er soll es auch nie erfahren.« Ilonas ebenmäßiges Gesicht verdüsterte sich, als sie die Brauen zusammenzog.

      »Sei mir nicht böse, aber ich finde deinen Standpunkt ziemlich kindisch!«

      »Daß ich mein Kind für mich allein haben will? Daß ich kein Geld von einem Mann möchte, der mich noch vor der Hochzeit betrogen hat?« Ilona warf mit einer heftigen Bewegung ihr tiefschwarzes Haar in den Nacken; ihre Wangen waren von der Frühjahrssonne schon gebräunt, und sie wirkte in ihrer Wildheit fast zigeunerhaft, wenn nicht das Blau ihrer Augen gewesen wäre.

      »Es geht ja gar nicht um dich«, wies Sabine sie zurecht, »sondern um Katja!«

      »Ich kann allein für sie sorgen!«

      »Selbst wenn das so wäre! Denk mal darüber nach, wie scheußlich es für sie werden wird, mit dem Vermerk »Vater unbekannt durchs Leben zu gehen!«

      Ilona klopfte dem kleinen Mädchen sanft auf den Rücken, bis die Luft aus dem Magen kam. »Ich werde ihr später alles erklären.«

      Sabine seufzte. »Du wirst auch noch erfahren, wie wenig man seinen eignen Kindern erklären kann.«

      Ilona gab ihrem Baby einen Kuß auf das Näschen. »Und nun, mein Schatz, muß ich mich fertig machen. Und du läßt dich jetzt lieb und brav von deiner Oma wickeln!«

      Sabine, die schon von der Fensterbank gerutscht war, um das Kind zu übernehmen, gab es einen Stich; sie spürte, daß ihr das Blut in die Wangen schoß.

      Auch Ilona bemerkte es. »Was ist los mit dir? Bist du etwa schon in den Wechseljahren?«

      »Nein. Aber auch bis dahin wird es wohl nicht mehr weit sein. Immerhin bin ich ja schon eine ›Oma‹ geworden.« Unwillkürlich warf Sabine einen Blick in den großen, ovalen Toilettenspiegel; was sie sah, war eine schlanke Frau mit hellen Augen, leicht aufgeblondetem Haar und weicher Haut. »Ich komme mir plötzlich alt vor.«

      »Weil ich Oma «gesagt habe?« Ilona lachte. »Du bist nun mal Großmutter. Wie soll dich Katja denn sonst nennen? Etwa Sabine … oder Biene, wie die Jungens sagen? Ich wußte gar nicht, daß du für so antiautoritäre Erziehung bist!«

      »Ja, lach mich nur aus, aber du hast mir mit deiner ›Oma‹ tatsächlich einen leichten Schock verpaßt… so wie andere Frauen ihn angeblich kriegen, wenn sie das erste graue Haar entdecken!«

      »Wenn es danach ging«, sagte Ilona, »müßte ich mir uralt vorkommen. Ich finde mindestens jeden Tag eins, das ich mir ausreißen muß!«

      Sabine schloß das Fenster, und der Lärm der Vorstadtstraße drang nur noch gedämpft herein. Sie zog das Wickelgestell aus dem Schrankwinkel heraus, baute es auf und legte die vorbereiteten Windeln zurecht. Dann übergab Ilona ihr die kleine Katja.

      Während Sabine das Kind auspackte, es abwusch, eincremte, puderte und wickelte, suchte Ilona noch ein paar Toilettenartikel zusammen, die sie in ihre große Reisetasche steckte, nahm ihre Handschuhe und legte sich den Regenmantel über den Arm.

      Zögernd blieb Ilona nahe der Tür stehen und blickte sich im Zimmer um, als glaubte sie etwas vergessen zu haben. »Ich lauf’ noch mal rauf, ich muß mich noch von Sven verabschieden.«

      Sabine blickte auf. »Ja, tu das! Aber beeil dich, damit du nicht den Bus verpaßt!«

      »Das schaffe ich noch leicht!«

      Ilona verließ das Schlafzimmer, durchquerte die Diele und stieg in den ersten Stock hinauf, in dem früher sie und ihre Brüder ihre Zimmer gehabt hatten. Inzwischen wurde es von Tante Ethel bewohnt, der Schwester ihres Vaters. Sie war mit ihrem Bausparvertrag eingesprungen, als die Familie in eine akute Notlage geraten war.

      Während Ilona die Stufen hinaufeilte, dachte sie mit Dankbarkeit und ohne Bedauern daran. Sie empfand keine Bindung an dieses Haus, das ihre Eltern sich unter großen Opfern gebaut hatten, denn bei ihrem Einzug war sie schon auf dem Sprung gewesen, sich innerlich zu lösen. Sie hatte einen Kreis von Freundinnen und Freunden in Riesberg gehabt und war gerade noch zum Schlafen nach Hause


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