Privatdetektiv Joe Barry - Den letzten fressen die Geier. Joe Barry

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Privatdetektiv Joe Barry - Den letzten fressen die Geier - Joe Barry


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Raubüberfälle waren bei ihm an der Tagesordnung. Den letzten vor dem Bankraub hatte er in Somerville begangen. Eine knappe Tatbeschreibung lag bei. Die Geschäftsinhaberin, die er um die Tageseinnahmen brutal erleichtert hatte, hieß Ashland.

      Joe zog den Leutnant auf die Seite und quetschte ihn aus. Der Polizeioffizier hatte den Fall noch im Kopf und sah Joe mißbilligend an.

      „Miß Ashland ist an den Folgen der brutalen Schläge gestorben“, knurrte er. „Vor zwei Wochen. Sie glauben doch nicht, daß einer der Gangster gemeinsame Sache mit ihr gemacht hat, bevor er sie umbrachte?“

      „Ich glaube gar nichts“, sagte Joe. „Hat sie Angehörige?“

      „Keine. Sie liegt auf dem hiesigen Zentralfriedhof. Dritte Reihe, Grab 124.“

      Er ließ Joe stehen, als zweifle er an seiner geistigen Verfassung. Joe nahm es ihm nicht übel. Ihn hatte ein einziger Buchstabe stutzig gemacht, der unter einem Protokoll stand.

      Als er ein Telefonbuch entdeckte, schlug er die Seiten von Somerville auf. Ashlands gab es nur zwei. Die Inhaberin des Geschäftes hieß Suzy Ashland.

      Auf einem Stadtplan von New Brunswick prägte Joe sich die Lage einiger wichtiger Gebäude ein. Langsam fand er seine Idee doch nicht so absonderlich, aber er hütete sich, mit den anderen darüber zu reden.

      Die Farmers Bank lag keine zwei Minuten vom Friedhof entfernt. Was war unauffäliger, als von einem frisch geschaufelten Grab ein paar Handvoll Erde zu entfernen und einen Plastiksack mit Geldscheinen zu verbuddeln? Kein Mensch würde auf die Idee kommen, hier danach zu suchen.

      Unauffällig verdrückte er sich und fuhr zur Farmers Bank. Sie war längst geschlossen, aber ihn interessierte auch nicht der Kassenraum, sondern der mögliche Fluchtweg. Als niemand in der Nähe war, setzte er über den niedrigen Zaun des Nachbargrundstücks, lief über den ungepflegten Rasen und war zwanzig Sekunden später an der Hecke des Friedhofs. Auf allen vieren kriechend untersuchte er sie mit der Taschenlampe, bis er einen Durchschlupf fand. Es war nur ein schmales Loch, aber die Zweige ließen sich zur Seite biegen. Auf einem Kiesweg kam er heraus, der an einer Seite von dichten Birkenreihen gesäumt war. Es war dunkel genug, um ungesehen die Reihen der Gräber entlanggehen zu können.

      Joe fand ohne Mühe das bezeichnete Grab. Er kauerte sich nieder und ließ den Strahl der Lampe über eine der Schleifen wandern.

      Ein Grabstein stand noch nicht, die Erde war noch ziemlich frisch. Ein gutes Dutzend verwelkter Kränze aller Größen lag auf dem Grab. Es würde schwierig sein, die Erlaubnis zu erhalten, hier nach der versteckten Beute zu suchen. In der Bevölkerung war die Erregung über das scheußliche Verbrechen noch nicht abgeklungen, und der Ruf der pietätlosen Grabschändung verbreitete sich rasch.

      Unentschlossen zog Joe sich zurück und versteckte sich hinter den Birken. Wenn seine Theorie stimmte, mußte Little Tupper hier auftauchen. Er hatte bei seiner Flucht keinen einzigen Cent bei sich gehabt, und seine wenigen Habseligkeiten lagen beschlagnahmt im Gefängnis. Nur seinen Staatsanzug hatte er vor Antritt der Fahrt gegen seinen Zivilanzug vertauschen dürfen, der aber gründlich gefilzt worden war. Außer seinem Dietrich besaß er keinen Wertgegenstand mehr.

      Die Chance, daß er zu der versteckten Beute zurückkam, war 50:50. Genausogut konnte er auch irgendwo in der Nähe einen Einbruch begehen und sich das nötige Kleingeld holen. Joe rechnete jedoch damit, daß Little Tupper zu vorsichtig sein würde. Seine Flucht war inzwischen in den Nachrichten der Rundfunk- und Fernsehstationen durchgegeben worden, und die Abendblätter würden die Sache auf der ersten Seite bringen.

      Joe verzichtete auf eine Zigarette und richtete sich auf eine längere Wartezeit ein. Für den Fall, daß seine Theorie falsch war, hatte er nichts gesagt. Außerdem war es zweifelhaft, ob die Cops seiner Theorie folgen würden.

      Plötzlich hörte er ein leises Rascheln in den Büschen. Er holte geräuschlos die Automatic aus der Halfter und packte den Kolben fest. Dann legte er sich platt auf den feuchten Rasen und wartete.

      2. Kapitel

      Der hellgraue Ford, der dem Gefangenentransporter seit seiner Abfahrt gefolgt war, hielt zuerst an der Fluchtstelle. Die drei Insassen beugten sich gleichzeitig nach vorn und bekamen große Augen. Der Mann am Steuer bekam den Mund nicht wieder zu, als er sich fragend umdrehte.

      Shed DeRuyter, ein eleganter Mittvierziger mit grauen Schläfen und buschigen Augenbrauen, fand als erster die Sprache wieder. Er nahm die Karte von seinen Knien hoch und befahl dem Fahrer, den nächsten Feldweg einzuschlagen. Sie schoben sich an dem schräg stehenden Transporter vorbei und kurvten knapp dreißig Meter weiter auf einen Feldweg ein, der schnurgerade durch die Maisfelder führte. Franklin Pocono, der Mann am Steuer, staunte immer noch Bauklötzer. Für ihn war der schöne Plan ins Wasser gefallen, aber Mr. DeRuyter schien schon einen neuen auf Lager zu haben. Er dirigierte ihn kreuz und quer, immer weiter ab von der Hauptstraße, bis sie sich einer Farm näherten. Er ließ den Wagen vor einer dichten Hecke abstellen, so daß er von der Farm aus nicht auf den ersten Blick gesehen werden konnte.

      „Laß den Schlüssel stecken und kurble das Fenster herab!“ befahl De-Ryter in seiner arroganten Art. Franklin gehorchte und stieg anschließend aus. Der dritte Mann, der neben De-Ryter im Fond saß, hatte kleine Schweinsäuglein und war weißblond. Er kaute unentwegt an seinem Gummi und sprach kein Wort. Schweigend beugte er sich nach vorn und schaltete das Autoradio ein. Er drehte den Einstellknopf so, daß der Polizeifunk klar zu hören war, nachdem der Apparat warm geworden war. Sie hörten die einzelnen Meldungen über die erfolglose Suche nach dem entflohenen Untersuchungshäftling.

      „Ihr bleibt hier und wartet auf mich“, sagte De Ryter und stiefelte davon, direkt auf das Bauernhaus zu, vor dem ein verdreckter Traktor stand. Ein paar Minuten später war er vor der Tür, klopfte kurz an und trat ein.

      „Entschuldigen Sie, Madam, darf ich mal telefonieren?“ fragte er die Farmerin, die ihn erst mißtrauisch betrachtete. Mit seinem öligen Lächeln zerstreute er ihre Bedenken, außerdem legte er sofort eine Dollarnote auf den Tisch. „Es ist ein Ferngespräch, und es dauert höchstens eine Minute“, versicherte er.

      Sie zeigte ihm den Apparat, und er stellte sich mit dem Rücken zu ihr in die entfernte Ecke. Siebenmal drehte er die Wählscheibe zurück, dann hörte er einmal das Freizeichen. Sofort legte er auf und wählte die Nummer neu. Diesmal wartete er, bis sich der Teilnehmer meldete.

      Shed DeRuyter tat nichts weiter, als sich einen Wagen zu bestellen. Wie er sagte, hatte der Ford eine Panne und sollte stehenbleiben. Er gab den genauen Ort an, wo er abgeholt werden wollte, und legte auf. Mit ein paar Dankesworten verabschiedete er sich, dann sprang er mit seinen schwarzglänzenden Schuhen über die große Lehmpfütze vor der Haustür. Als er zu seinen Begleitern zurückkehrte, schüttelten sie den Kopf. Das hieß, daß den Meldungen nach Little Tupper entkommen war.

      „Wieviel Sprit ist noch im Tank?“ fragte Shed.

      „Gut zehn Gallonen“, sagte Franklin. „Außerdem haben wir zwei Gallonen im Reservekanister.“

      „Okay, laß den Tank leerlaufen!“ ordnete Shed an.

      „Leer?“ staunte Franklin.

      „Hörst du schlecht“, fauchte der Weißblonde und richtete seine Schweinsaugen auf seinen Begleiter. Der kroch sofort mit einem Schraubenschlüssel unter den Ford und löste die große Mutter am Tankboden. Kurz darauf ergoß sich ein dicker Strahl Benzin auf den weichen Boden und tränkte die fette Erde. Als der letzte Tropfen heraus war, schraubte Franklin wieder zu.

      „Und jetzt kipp den Reservekanister in den Tank!“ forderte DeRuyter auf. Zum zweitenmal an diesem Morgen blieb Franklin der Mund vor Staunen offenstehen. Er kapierte jetzt überhaupt nichts mehr und blickte hilflos von einem zum anderen. Alton Dexter, der Weißblonde, schnippte nur kurz mit den Fingern, und Franklin gehorchte. Widerwillig holte er den Kanister aus dem Kofferraum und setzte ihn an den Tankstutzen.

      „Reicht das, Al?“ fragte Shed.

      „Gut für dreißig Meilen“, bestätigte dieser.

      Franklin


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