Seewölfe Paket 35. Fred McMason

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Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


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war schon eindrucksvoll genug, und sein narbenübersätes Gesicht mit dem gewaltigen Rammkinn konnte schreckhafte Naturen das Fürchten lehren, aber der Profoshammer schoß den Vogel ab.

      Genauer gesagt: Der Singhalese wurde von einer ungestümen Kraft in die Höhe gerissen. Jeden Haltes beraubt, überschlug er sich über den Köpfen seiner nachfolgenden Gefährten, denen vor Staunen die Spucke wegblieb, hing flüchtig, mit den Armen rudernd, scheinbar schwerelos in der Luft und flog dann, schneller werdend, in die See zurück.

      Dabei hatte er noch unbeschreibliches Glück, daß er genau eine Mannslänge neben der Pattamar eintauchte, denn er stürzte mit dem Kopf voran. Die Frage, ob das Teakholz des Schiffsrumpfes oder seine Schädelknochen härter waren, blieb unbeantwortet.

      Der zweite Angreifer, der unmittelbar nach dem ersten folgte, vergaß, daß er eigentlich hatte nach oben klettern wollen. Edwin Carberry half seinem Gedächtnis auf die Sprünge, er beugte sich über die Verschanzung, packte den Kerl an den Schultern und hievte ihn hoch.

      Im selben Moment kehrte bei dem Singhalesen wohl die Erinnerung zurück, denn er begann wie verrückt mit Armen und Beinen zu strampeln, als wolle er mit affenartiger Geschicklichkeit aufentern. Leider war er inzwischen jeglichen Haltes beraubt. Während er noch die Aufwärtsbewegung übte, ging es mit ihm schon abwärts, denn der Profos hatte ihn einfach fallen lassen.

      Im Sturz räumte der Mann noch zwei seiner Gesinnungsgenossen ab. Gemeinsam klatschten sie in ihr Schiff zurück – ein ineinander verstricktes Knäuel zuckender Leiber und Gliedmaßen.

      Carberry konnte leider nicht zusehen, da er die Stellung wechseln mußte. Am anderen Tau enterten ebenfalls Singhalesen auf. Der erste stand schon auf dem Handlauf und hielt sich an den Wanten fest. Vergeblich versuchte er, den Profos zu treten. Carberry konnte seine Füße packen und drehte sie herum, bis der Bursche die Wanten losließ.

      Sein Schmerzensschrei erstickte, denn er krachte mit dem Kopf auf den Handlauf und verlor sofort die Besinnung. Seinen wunderschönen Flug, den anderen hinterher, verpaßte er deshalb. Er wachte erst wieder auf, als das Wasser über ihm zusammenschlug, und fragte sich verzweifelt, was denn überhaupt vorgefallen sei.

      Einem donnerte Carberry noch von oben die Faust auf den Schädel, danach entschloß er sich, das Geschehen rigoros abzukürzen, indem er die beiden Taue kappte. Das wütende Geschrei der Angreifer bewies, daß sie endgültig genug hatten. Ohnehin blieb ihre Pattamar jetzt hinter der Schebecke zurück.

      „Alles in Ordnung!“ rief Carberry zum Niedergang hin, wo die anderen Deckswachen erschienen. „Wir hatten lediglich kurzen Besuch.“

      „Was wollten sie?“ fragte Higgy.

      Der Profos zuckte mit den Schultern. „Hab sie nicht gefragt, Leute“, sagte er. „War wohl auch nicht weiter wichtig.“

      Kurz vor dem vierten Doppelschlag der Schiffsglocke, also vier Uhr früh und damit dem Ende von Edwin Carberrys Wache, erschien Dina an Deck. Flüchtig blicke sie sich um, dann ging sie zielstrebig auf den Profos zu. Der Profos fragte sich später, warum ausgerechnet er der Auserwählte gewesen sei, und er erklärte es sich damit, daß die Frau ihn als den stärksten Mann an Bord akzeptierte. Oder als den imposantesten. Aber das blieb sich gleich.

      „In der Kammer ist es fürchterlich schwül“, sagte sie. „Ich kann nicht schlafen.“

      „Das Gewitter ist daran schuld“, erwiderte Carberry. „Außerdem geht bald die Sonne auf. Sie werden nicht mehr viel Schlaf erwischen.“

      „Wäre das so schlimm?“ Dina trat einen Schritt näher und stand nun fast auf Tuchfühlung neben ihm. Ihr langes Haar trug sie offen. Sanft umspielten die Locken ihre Schultern und wehten im Wind. Ein verführerischer Duft lag plötzlich in der Luft.

      Edwin Carberry hatte das Gefühl, als ruhten aller Augen auf ihm. Aber als er sich blitzschnell umwandte, schaute nicht ein einziger zum Achterdeck hinauf. Piet Straaten befaßte sich allerdings auffällig intensiv mit der Ruderpinne.

      „Du bist stark“, girrte Dina. „Ein richtiger Mann. Anders als alle in Tuttukuddi. Dir könnte ich vertrauen.“

      Carberrys Hände verkrampften sich um ein Tau und einen Belegnagel. Er wußte nicht, wie ihm geschah.

      „Leider haben wir nicht die Zeit, uns richtig kennenzulernen.“

      „Ja.“ Carberry nickte bedächtig. „Es ist eine Schande.“

      Wollte ihn die Frau ablenken? Wußte sie von dem versuchten Überfall auf die Schebecke? Aber warum erschien sie dann erst jetzt und hatte nicht schon viel früher eingegriffen?

      Ihre Fingerspitzen berührten seine rechte Hand und tasteten langsam den Arm hinauf bis zur Schulter. Der Profos ließ es geschehen, fragte sich aber, was an Dina anders war als an einer Hafendirne. Die Antwort gab er sich selbst. Sie biederte sich nicht an, sondern alles, was sie sagte oder tat, wirkte wie selbstverständlich.

      „Du hast so starke Arme, Senhor …“

      „Edwin“, sagte Carberry fast gegen seinen Willen.

      Dina schenkte ihm ein Lächeln. „Ein schöner Name“, flüsterte sie, wobei jedes Wort langsam auf ihrer Zunge zerfloß.

      Erneut gingen ihre Hände auf Wanderschaft, doch diesmal schob sie der Profos sanft von sich.

      „Nicht!“ sagte er.

      „Nicht jetzt?“ fragte Dina. „Oder überhaupt nicht?“

      Ihr Körper bebte und übertrug die Erregung auf den Profos, der eine unruhige Wanderung begann. Voraus verbreitete ein Streifen fahler Helligkeit unmittelbar über der Kimm die Ahnung des heraufziehenden Morgens. Bald würden die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne über den Himmel geistern.

      Scheinbar zur Statue erstarrt, verharrte Dina vor der Querbalustrade, den Blick stur nach Osten gerichtet. Erst beim Schlag der Schiffsglocke bewegte sie sich wieder.

      „Gewissensbisse, Mister Profos?“ fragte Piet Straaten grinsend. „Warum eigentlich?“

      Der Profos stieg zur Kuhl hinunter. Dina folgte ihm.

      „Was willst du von mir?“ herrschte er sie an.

      Sie lächelte nur. Ihre Augen waren so sanft, daß Carberry endgültig jeden Vergleich mit einer Hafendirne über Bord warf.

      „Wo können wir allein sein?“ fragte sie. „Uns bleibt so wenig Zeit, bis das Schiff zu neuem Leben erwacht.“

      „Die Vorpiek“, sagte der Profos. Er war schließlich kein Mönch und die Schebecke alles andere als ein Kloster, und Enthaltsamkeit hatte schon gar niemand geschworen.

      Dina folgte ihm, als er mit ausgreifenden Schritten voranging. Die Kuhl, ein Niedergang, die langsam weichende Dunkelheit unter Deck – all diese Eindrücke schrumpften zu einem kurzen Augenblick zusammen. So recht bewußt wurde das Carberry aber erst, als in der muffigen Enge der Vorpiek die Frau hinter ihm das Schott schloß und ihre Lippen stürmisch die seinen suchten.

      Warum? schoß es ihm durch den Sinn. Aber dann dachte er nicht länger darüber nach, sondern gab sich ihren tastenden Händen hin.

      Durch einige Ritzen drang spärliche Helligkeit herein. Sie reichte aus, die Taurollen und Seegrasmatratzen erkennen zu lassen, die in der Vorpiek gestapelt waren. Aber weder Carberry noch die Singhalesin brauchten eine Matratze. Dina schlang die Arme um seinen Nacken und zog sich an ihm hoch, während Eds Pranken ihr wohlgerundetes Heck abtasteten.

      Von draußen erklangen Stimmen. Jemand näherte sich. Carberry wollte etwas sagen, doch ein forderndes Lippenpaar hinderte ihn daran. Und dann dachte er weiß Gott nicht mehr an so banale Dinge, wie sie der enge, am weitesten vorn liegende und spitz zulaufende Raum nun einmal darstellte.

      Dina war wie ein Orkan, stürmisch und unberechenbar, aber auch zärtlich und voll glühender Leidenschaft. Sie entführte den Profos auf einer rosa Wolke, die ihn schneller über die Meere trug als alle Segelschiffe der Welt.

      Später, die Sonne schob


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