Jedem das Seine - Band II. Nataly von Eschstruth

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Jedem das Seine - Band II - Nataly von Eschstruth


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einsam, hungernd und dürstend nach dem Glück, stehen, oder mit dem vollen Kelch des Genusses an den Lippen in das Grab sinken müssen! Ich bin ein starker, kühner und wagehalsiger Mann, der die Hände nach dem Glück ausstreckt und es zu eigen nehmen will und kann!“

      Sie richtete sich ein wenig höher empor, in ihren dunklen Augen blitzte es seltsam auf, — einen Moment sah sie ihn an, als wolle sie auf dem Grund seiner Seele lesen.

      „Ein starker und kühner Mann? — das heisst mit anderen Worten, der rücksichtslos an sich reisst, was sich nicht freiwillig fügt?“

      Er schüttelte aufgeregt den Kopf, die feinen Goldarabesken in der weichen Seide ihres Gewandes rannen irr und wirr vor seinen Blicken ineinander.

      „Nein, Gräfin Iris!“ flüsterte er weich und fasste rasch nach ihrer schlanken Hand, um sie abermals an seine zuckenden Lippen zu ziehen, „ich fordere nicht, sondern ich bitte! ich will mein Glück nicht erzwingen, sondern verdienen! Kein Weib auf Gottes weiter Welt soll heisser und inniger geliebt werden wie Sie, wenn Sie einwilligen, die Meine zu werden! Lassen Sie das grausame Spiel mit den heiligsten Gefühlen zu Ende sein! Es ist und kann nie Ihr Ernst gewesen sein, den schönsten, den naturgemässen Beruf des Weibes von sich zu weisen, um Phantomen nachzujagen, die ja doch nie und nimmer Wahrheit werden und auf die Dauer voll beglücken können! Was verlangen Sie? Alles, was in Menschenkräften steht, werde ich tun, um Ihrem Leben den Inhalt zu geben, welchen Sie verlangen!“

      Ein Flimmern ging durch ihr Auge, ein feines, ungläubiges Spotten zuckte um ihre Lippen. Nun war der Moment gekommen, wo sie schauen und prüfen konnte, ob Mortimer Marken wohl der passende Gatte, — niemals für sie, wohl aber für Bärbel sei!

      Armer, verliebter Knabe, welche Schwäche seufzt aus einem jeden deiner Worte, die noch einmal so verzweifelt darnach ringen, wenigstens den Schein von stolzer Würde zu wahren.

      „Was ich verlange? — das ist viel. Vor allen Dingen fordere ich und verlange ich vollste, unumschränkte Freiheit in allem und jedem, was ich tue! Das Wort ‚Rechenschaft ablegen‘ kenne ich nicht, mich fügen — weder dem Willen meines Gatten noch den Ansprüchen und lächerlichen Etikettenformen von Welt und Gesellschaft — werde ich nie aus Pflichtgefühl oder Gehorsam, sondern lediglich nur dann, wenn es mir einleuchtet und genehm ist. Ich räume dem Manne nicht die mindesten Vormundschaftsrechte über mich ein. Was ihm erlaubt ist, verlange ich ebenfalls für mich. — Nun ... werden Sie damit einverstanden sein?“

      Mortimer hatte die Sprecherin angesehen, in ihr schönes, stolzes, erbarmungsloses Gesicht mit dem feinen Spottlächeln um die Lippen, und ihm war es plötzlich, als stiege ein seltsames Bild vor ihm auf.

      Er sah sich als Knabe in dem kalten, kleinen Mansardenstübchen, vor sich das Märchenbuch aus „Tausend und eine Nacht“ mit dem Bild der schönen, grausamen und lieblosen Prinzessin Kassandane.

      Und mit derselben Stimme, wie soeben Iris, so sprach auch damals das Bild wie in einer Vision zu ihm: „Ich bin nicht Lakmeh, die schwache, liebeskranke Taube, ich bin stark und stolz, und werde leben — weil ich dich nicht liebe!“

      Sein erst so frisches, glühend erregtes Antlitz ward plötzlich blass bis in die Lippen.

      Er hob den Kopf, so hoch und energisch, wie es Iris noch nie zuvor an ihm gesehen.

      „Nein, Gräfin, damit bin ich nicht einverstanden!“ sagte er sehr ruhig.

      „Ach! — und warum nicht? nur aus Widerspruch?“

      „Eine Frau — nach Ihrem Sinne, würde einen Mann nie beglücken, sondern höchstens lächerlich machen; ausserdem widersprechen Ihre Anforderungen vollständig meinen Ansichten über zarte und holde Weiblichkeit. Ein Wesen, wie Sie es als Ihr Ideal schildern, kann ein Mann vielleicht voll Ergebung dulden, — aber niemals lieben!“

      „Das ist das Glaubensbekenntnis eines Tyrannen!“

      „Eines Mannes, der nicht die Achtung vor sich selbst verlieren möchte!“

      „Eine gebildete Frau wird niemals Taktlosigkeiten begehen!“

      „Eine über bildete Frau aber Herzlosigkeiten, die noch schlimmer sind!“

      „In der modernen Ehe soll hauptsächlich die Vernunft, aber nicht das Herz sprechen!“

      „So bewahre mich Gott vor einem Weib, das in seinem Heim nur philosophieren, aber nicht lieben will!“

      Wie hart und fest seine Stimme klang!

      Iris war so überrascht, dass sie einen Augenblick die Lippen fest zusammenpresste und schwieg.

      Dann zog sie finster die Brauen zusammen, und ein trotziger Blick flammte zu dem Sprecher herüber.

      „Sie rechnen mit der Empfindsamkeit nervöser Frauen, die sich einschüchtern lassen und geduldig ihr Joch auf sich nehmen, nur um sich nicht lächerlich zu machen! — Was aber hat das Weib elend und schwach gemacht? Die Unterdrückung! Die Knechtschaft! Binden Sie einen jungen Baum mit Zentnergewichten, und er wird seine Krone hilflos neigen, wird sich über den Boden hinkrümmen, verwachsen und verkümmern zu saft- und kraftlosem Reis, welches keine Früchte mehr zu tragen vermag! — Lösen Sie aber seine Fesseln, so wächst es kraftvoll, frisch und blühend empor! Solch ein neues Wachstum tut unserem schwachen Geschlecht not, dass es eisern werde wie zuvor! Die Kampfmittel des Mannes sind Spott und Verachtung — so wie Sie dieselben soeben ins Treffen geführt! — Sie werden weder Ihnen noch Ihren Gesinnungsgenossen etwas helfen. Ehemals standen die eisernen Jungfrauen nur in der Folterkammer und drückten ihre Widersacher mit ehernen Armen tot, die modernen eisernen Jungfrauen werden auch mit kraftvoller Hand zufassen, und im Kampf um gleiches Recht und gleiches Mass über ihre Unterdrücker siegen!“

      Iris hatte in steigender Aufregung gesprochen.

      Sie erhob sich, die wundervolle, schlanke Gestalt stand wie ein berückendes Märchenbild vor ihm.

      Weich und süss duftete es aus den glänzenden Seidenwogen empor, Gold blitzte und funkelte auf Brust und Armen, wie Mondlicht floss der Schleier um das reizende Haupt, das Mortimer nie so schön, so sinnverwirrend erschienen war wie in dieser Stunde!

      Ja, sie werden siegen, die stolzen, zauberschönen Weiber!

      Mortimer fühlt es, wie Iris in diesem Augenblick auch in seinem Herzen einen Sieg feiert!

      Aufschreien möchte es in wilder Todesqual, in heisser, fiebernder Angst, die Geliebte in dieser Stunde für ewige Zeiten zu verlieren!

      Er sieht, wie ernst es der Sprecherin um ihr Streben ist, er sieht, dass sie nie und nimmer nachgeben wird, und in seinem Innern flüstert eine Stimme: Narr, der du bist! warum mit einem Weibe streiten? Vor einem Weibe knien ist keine Schmach! Auch Herkules ward ein Sklave am Spinnrocken! Warum um einer eitlen kleinen Laune willen dein ganzes süsses Liebesglück opfern! — Wehre dich nicht! Gönne der Reizenden den erträumten Sieg! Wirf dich ihr zu Füssen und versprich alles, alles was sie fordert und will! Reiche gefügig deine kraftvollen Hände dar, dass sie dieselben mit ihrem Schleier binde, sage ihr, dass du ihr Sklave, ihr Werkzeug, ihr Schatten bist — und nimm sie in deine Arme, und küsse dich an den roten, lockenden Lippen der Gebieterin satt! —

      Wie ein unmerkliches Beben schauert es durch Mortimers Glieder.

      Nein! und tausendmal nein!

      Solch ein Leben an ihrer Seite würde kein Glück, sondern ein Elend sein!

      Er liebt sie viel zu tief und innig, um sich in ihren Augen derart zu entwürdigen, er hält sie viel zu hoch und wert, um Zeuge sein zu können, wie sie sich als Trägerin einer kaum begriffenen Lehre, einer Bewegung, von welcher sie nur die oberflächlichste Anschauung hat, vor aller Welt lächerlich macht!

      Es wäre eine Sünde, ein Verbrechen an seiner Liebe, wollte er sie noch in solch unsinniger Laune bestärken.

      Und dass sie ihm zumutet, die Rolle eines geduldeten Ehemannes an ihrer Seite zu spielen, das zeigt ihm, wie wenig, wie gar nicht ihr Herz für ihn spricht!

      Marken richtet sich hoch auf, ein


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