Der staatsgefährliche Kuss. Eine Erzählung um Franziska von Hohenheim.. Utta Keppler

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Der staatsgefährliche Kuss. Eine Erzählung um Franziska von Hohenheim. - Utta Keppler


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Verlust meiner Freiheit gebrochen. Mir thuts leid für den Herzog, daß er so ungerecht gegen mich ist. Diß Zaudern und beständige Hinschmachten nach euch vergällt mir das Leben unaussprechlich, und ich fühle nun den täglichen Seufzer meines seeligen Vaters tief in der Seele: Lieber todt als mißvergnügt. Und ich glaube, die Hofnung einer seeligen Auflösung sei nicht weit mehr entfernt. Meine Kräfte schwinden sichtbar weg. Schwindel, Uebelkeiten aus dem Magen, zusammengeschnürter Odem, Schläfrigkeit, Erschlappung der Nerven und eine fürchterliche Gleichgültigkeit gegen alles was um mich her ist, zeigt mir den Ausgang aus dem Labirinthe des Lebens ganz in der Nähe. Ich habe ein elendes jammervolles Leben gelebt. Heil mir, wenn ich seeliglich vollende! Ein seeliger Tod! ist jetzt mein einziger tiefer aufflammender Seufzer!‹a« Franziska ließ das Briefblatt sinken.

      »Da siehst, wie dem armen Mann alle Zuversicht schwindet!« sagte sie dringlich.

      »Still!« fuhr Karl sie an, »von denen Staatsgeschäften laß die Finger! Ich hab dir’s gleich geschrieben, als ich dir hab meine Hand angetragen, und oft seither gesagt: Das sind meine Sachen, in die du nicht hineinzugucken brauchst!« Sein volles Gesicht wurde purpurn. »Den Phantasten soll ich womöglich noch dekorieren, der mit dem Rousseau sympathisiert? Den zähen Brocken, das derbe Leder? Lang genug, denkst du? Weißt nimmer, was der Zilling geraten hat, der Spezial? ›Man soll ihn traktieren, bis er sich anstinket, moraliter et physice!‹… und hat dabei immer noch Launen, wird mir rapportiert!«

      »Aber die Disziplin habe doch einen guten Effekt gehabt bei ihm, heißt es?« wagte Franziska einzuschieben, »sonst hätt’ man ihm doch keine Festungsfreiheit gegeben!«

      »Effekt? Effekt?« Karl langte an seine Halsbinde, »den Effekt, Franzel, daß er auf den Wällen ambuliert, präludiert und komponiert auf dem Clavizimbel, und denen artigen Damen die Cour schneidet. Und die Tochter ist nicht anders, wirst es schon merken. Tappig und hochnäsig, und jetzt womöglich eine Affär! Die ganze Sippschaft ist sich gleich; und der Alte bleibt hocken, bis mir’s paßt!«

      »Aber der Brief vom Lavater und der Karschin ihrer, der Dichterin? Und der vom Klopstock?«

      »Hörst nicht auf, Franzel? Ich weiß, was ich tu, und ich tu’s, das mußt dir merken. Und wenn zehn Dichter schreiben! Und der Pembroek soll nur hetzen, der König Friedrich ist tot! Was könnte er denn vermelden, als daß des Schubarts Tochter die Tafel gestört und sich unflätig benommen hat? Obwohl ich sie versorgt hab’ in der École und ihren Bruder, den Ludwig, in der Akademie! Soll das zu ihren Gunsten stimmen? Ich laß sie doch noch arretieren!«

      »Tu nur dem Mädle nichts, ich weiß, was sie so aufgeregt hat: Der Brief und …«

      »Laß mich in Ruh, Frau, hast mir wieder das Blut in den Schädel gejagt — und war so friedlich zuerst bei dir!«

      Die Herzogin wurde ernst. »Du hast oft meinen Rat gelobt, Karl, bloß an den Schubart darf ich nicht rühren …«

      Sie ging traurig hinaus.

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