Seewölfe - Piraten der Weltmeere 679. Sean Beaufort

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 679 - Sean Beaufort


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Ich brauche auch nicht mehr an der Kochstelle oder in einer Kombüse die Kessel auszulecken. Mir geht’s gut, Sir.“

      Hasard nahm einen kleinen Schluck von dem Rum. Offensichtlich hatte Mac oder der Kutscher seinen Gesichtsausdruck falsch – oder richtig? – gedeutet und versucht, ihn aufzuheitern. Deswegen dieses wortlose „Geschenk“ seiner Küchenmeister.

      „Sage dem Meisterkoch, daß ich mich herzlich bedanke, und so wollen wir’s auch in Zukunft halten. Geh zu Mister Carberry und laß dir ein paar Knoten beibringen, die du noch nicht kennst.“

      Clint schenkte ihm ein breites, offenes Lächeln, salutierte und stob davon.

      „Das war es, was ich mir immer schon gewünscht habe“, murmelte Hasard und hängte seine Nase in den guten Geruch des Rums, den er kannte, und der immer wieder eine feine Sache war. „Ein schwimmendes Waisenhaus für geschundene und auf die Planken gepreßte englische Kinder. Gott! Die Welt ist voller Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit und schwarzer Monsunwolken.“

      Dan O’Flynn ließ den Moses an sich vorbei, stieg aufs Grätingsdeck und hieb, augenscheinlich auch guter Dinge, dem Rudergänger Higgy auf die Schulter.

      „Deine Karten, Dan“, Hasard blieb gutgelaunt oder zumindest in ausgeglichener Stimmung. „Deine Karten sind auf dem letzten Stand? In London, wenn du einen guten Zeichner findest, kannst du damit steinreich werden.“

      Dan nickte.

      Die Küste, die südlich von der Mündung des Peryar lag, war von einer unübersehbaren Menge von Palmen und anderen, den Seewölfen wenig bekannten Bäumen bestanden. Nur zweimal, bei klarem Wetter, hatten sie die Berge sehen können. Sie waren mindestens fünfundzwanzig Seemeilen weit entfernt. Bis mittags hielt sich entlang dieses Küstenstreifens hartnäckig ein Nebel dicht über den Wellen.

      Dan hatte es alles andere als leicht, wenn er versuchte, genaue Karten mit brauchbaren Angaben, Schilderungen und Maßen anzufertigen. Die Fischer gaben nur wenige richtige oder zuverlässige Schilderungen.

      Die Schebecke segelte in gutem Abstand vom Land, so daß keineswegs jede einzelne Bucht und jedes vorgelagerte Inselchen verzeichnet werden konnte. Niemand sah, ob es ein fingerartig vorgekrümmtes Halbinselchen war oder eine Insel. Zusammen mit anderen, noch namenlose Bächen oder Flüßchen bildete der Peryar ein ausgedehntes, sehr flaches Innengewässer.

      „Ich zeichne Karten, die schildern, was in unserem Kielwasser liegt, Sir“, sagte er und ballte alle Finger der rechten Hand.

      „Willst du dich mit mir prügeln?“ erkundigte sich der Seewolf.

      „Ich kriege sonst einen Krampf, Sir“, erwiderte Dan ernsthaft. „Vor uns liegt, abgesehen von tausend Buchten und zweitausend Untiefen, ein Kaff, das sich Alleppey nennt.“

      „Wo?“ fragte der Seewolf.

      „Voraus. Oder genauer: Backbord voraus. Aber der Nebel ist nicht sonderlich hilfreich beim Anfertigen einer genauen Karte.“

      „Wahr gesprochen“, murmelte Hasard.

      Der Unterschied zwischen Flut und Ebbe schien entlang diesem Küstenabschnitt gering zu sein. Zwei Fuß vielleicht, kaum mehr.

      Hasard trank den nächsten Schluck und sagte: „Was kannst du mir über Alleppey sagen?“

      Dan schielte begierig in die Muck in Hasards Fingern. „Nicht viel. Zwischen Ernakulam und diesem unbeschriebenen Ort liegen noch viele Stunden, Sir.“

      Hasard blickte nach Steuerbord. Zwischen der Schebecke und der Kimm war das Meer ruhig und von den Sonnenstrahlen des späten Vormittags überglänzt. Drei Segel, der Form nach mittelgroße Dhau-Segel, sagten aus, daß die Schiffe nach Norden kreuzten, weit draußen, vor der bewegten Kulisse der Monsunwolken. Es war warm und sonnig, längst hatte die Hitze die letzten Spuren eines sehr kurzen Regengusses aus den Planken gesogen. Es gab so gut wie nichts zu tun. Die drei Segel standen straff und prall, die Schebecke segelte mit achterlichem Wind und lief gute Fahrt.

      Hasard holte gerade Atem, um Dan zu erklären, daß er sich unter Deck verholen könne. Er hatte ohnehin Freiwache. Vermutlich konnte er wieder einmal schlecht einschlafen und sagte sich, es wäre vernünftiger, wenn er schon wach blieb, auch etwas für Logbuch und Karten zu tun und seine gesammelten Erfahrungen und das, was er aus nächster Nähe oder durch das Spektiv gesehen hatte, gleich aufzuzeichnen.

      Von der Back her dröhnte Ed Carberry, laut, rauh und unüberhörbar: „Wahrschau! Steuerbord voraus Schlick und Schlamm in Sicht!“

      „Einen Strich nach Steuerbord abfallen, Higgy“, sagte der Seewolf sofort. Und: „Verstanden, Ed!“

      Zusammen mit Dan war er mit zwei Schritten an Backbord. Die Männer hielten sich am Schanzkleid des Achterdecks fest und schauten ins Wasser.

      Knarrend, knarzend und stampfend änderte die Schebecke ihren südlichen Kurs. Carberrys Stimme hatte warnend, aber keineswegs aufgeregt geklungen.

      „Es sieht nicht gefährlich aus“, sagte der Seewolf. „Dennoch, das Wasser ändert seine Farbe.“

      Higgy stemmte sich gegen die Pinne. Die Segel wurden neu getrimmt. Die Schebecke schien mit dem Bug auf eine seltsam runde, graugelbe Wolke zu zielen, die sich über einer wirklichen oder eingebildeten Insel in den strahlend blauen Himmel erhob.

      „Das ist nicht die erste verdammte Sandbank an dieser Küste“, sagte der Seewolf nach einigen Minuten. Die Schebecke entfernte sich langsam von dem langgezogenen Hindernis unter den Wellen.

      Dan zuckte mit den Schultern und entgegnete: „Eigentlich sollten der Sand und der Schlick vom Wasser glattgespült werden, aber ich sehe schwarzen Schlamm und Pflanzenreste in dem Schlamm, halb eingegraben. Es ist sehr merkwürdig.“

      Er hob den Kopf und blickte vom höchsten Punkt des Grätingsdecks nach Backbord voraus.

      Etwa dort, wo ein Ausläufer der Schlammbank seewärts zu erkennen war, fing eine ruhige Wasserfläche an. Die Wellen, deren Höhe sich bis zur Kimm nicht änderte, wurden an dieser Stelle weicher und niedriger, und schließlich gingen sie in eine schmale Fläche über, die glatt war wie die Oberfläche eines kleinen Sees bei Windstille.

      „Eines der tausend Wunder Indiens“, sagte Hasard. „Kannst du das erklären, Dan?“

      „Nein“, erwiderte Dan O’Flynn und richtete seine Blicke wieder auf die Palmenstämme an Land. „Vielleicht finden wir es später heraus.“

      Hasard blickte die glatte Fläche aus schmalen Augen an. Dann hob er die Hände an die Lippen und rief: „Ein Strich abfallen! Nach Steuerbord!“

      „Aye, aye, Sir“, gab Mac O’Higgins augenblicklich zurück.

      Das Heck der Schebecke schwenkte langsam nach Backbord, und binnen kurzer Zeit hatte sich der Abstand zwischen der Bordwand und dem trügerisch ruhigen Wasser abermals vergrößert.

      Carberry wandte sich an Hasard. „Die Vorräte, Sir, sie sind auch nicht mehr, was sie schon mal waren, sagt der Koch. In den nächsten Stunden wird zwar keiner verdursten oder verhungern, aber wir sollten wirklich bald einen Markt besuchen.“ Er grinste. „Nach Möglichkeit einen Basar direkt am Ufer. Aber ich sehe weit und breit kein Haus, keinen Rauch, nichts.“

      Dan sagte bekümmert: „Der nächste größere Ort, von dem ich weiß, heißt Tiruvanaantapuram. Entweder können wir dort reichlich Proviant übernehmen, oder auch dieses Kaff ist vom Schwarzen Tod überfallen worden. Wir wissen es nicht, bevor wir dort einlaufen.“

      „Stimmt“, sagte Hasard. „Aber zuvor werden wir sehen, was sich hinter dem Namen Alleppey verbirgt.“

      „Wahrscheinlich ein paar schwerbewaffnete Portus“, sagte der Profos. „Diese Affenärsche sind ja überall an dieser Küste.“

      „Kein Wunder, wenn der Pfeffer, den sie hier billig kaufen oder tauschen, in Lisboa das Vierzigfache bringt. Das ist eine Handelsspanne, von der andere Kaufleute nicht mal träumen“, erklärte Dan O’Flynn. Er rechnete nach. „Alleppey erreichen


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