Peter der Spielzeugbär. Lise Gast
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Peter der Spielzeugbär
Saga
Peter der Spielzeugbär
© 1952 Lise Gast
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711509852
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
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Peter kommt zur Welt und begibt sich auf die Wanderschaft
Mitten in ihrem Garten, auf den eine heiße, fröhliche Sommersonne herabschien, saß eine junge Frau und nähte. Um sie herum blühte es von dunkelblauem Rittersporn, weißen Margeriten, roten, hängenden Herzen und dicken, gelben Ringelrosen. Und immer wieder guckte sie in die Blütenpracht, und dabei wurden ihre Augen immer vergnügter und ihre Finger immer flinker. Es war ja auch ein Wetter, um fröhlich zu sein!
Sie nähte aber nicht, wie man wohl denken könnte, an einem weißen Hemdchen oder an einer bunten Kinderschürze. Nein, etwas ganz anderes lag auf ihrem Schoß: brauner Stoff, dick und zottig, an manchen Stellen schon ein wenig abgeschabt, an anderen wieder weich und so golden schimmernd, daß sie immer wieder darüber streichen mußte, so schön faßte er sich an. Und sie nähte und nähte und stopfte, was fertig genäht war, mit weichen, puscheligen Wollresten aus. Verschiedene Teile waren auch schon fertig. Ein dicker runder Bauch, zwei Beine mit hellen Ledersohlen, zwei Arme und ein drolliger Kopf mit einer dicken Nase. Rechts und links davon saßen zwei braune Knöpfe, das waren die Augen, unter die Nase kam ein kleines Maul mit einer Zunge aus rotem Tuch, und nun fehlten nur noch die Ohren, innen rosa und außen braun, dreieckig mit einer lustigen Spitze obendrauf. Schließlich war das Ganze fertig zusammengenäht. Und wißt ihr, was es war? Ein Bär, ein drolliger, dicker, brauner Spielzeugbär, ungefähr so groß wie eine handfeste Puppe. Nicht wie die großen, die man in den Schaufenstern sieht oder mit denen man, wenn man sie geschenkt bekommt, oft nicht spielen darf, weil sie leicht entzwei gehen. Nein, so groß wie die von euern Puppen, die alles mitmachen können, die mit essen und mit schlafen, im Garten toben und im Winter rodeln, — so groß war der Bär. Er konnte sitzen und stehen und guckte mit seinen braunen Knopfaugen so lustig in die Welt, als ob er lebendig sei. Vielleicht war er es auch?
Die junge Frau lachte und hielt ihn vor sich hin, sah ihn von allen Seiten an und gab ihm einen Kuß auf die Nase.
„Peter!“ rief sie und war so froh, daß er so hübsch geworden war, daß sie ihn nahm, hoch in die Luft hinaufwarf und wieder auffing. „Peter! Peter!“
Das gefiel dem Bären natürlich. Er drehte sich in der Luft und wedelte mit seinen Ohren, und die Sonne glänzte auf seinem Fell. Und die junge Frau lachte immer noch mehr und tanzte mit ihm herum.
„Was machst du denn da?“ fragte plötzlich eine Stimme. Die Frau blieb stehen, sie war ganz außer Atem, und hielt sich am Zaun fest. „Ach so!“ Es war ihr Mann, der gerade heimkam.
„Peter ist fertig“, sagte sie und streckte ihm den Bären entgegen. „Da, sieh ihn dir an! Ist er nicht ein Prachtkerl?“
„Peter? Das ist Peter?“ fragte der Mann und besah sich den Bären. „Ja, hübsch ist er schon, das ist wahr. Aber —“
„Er ist für das Kind, für den Jungen, für unsern Peter, weißt du?“ sagte die Frau und zupfte ein Fädchen von dem Bärenohr, „Peter muß doch ein Spielzeug haben, wenn er erst da ist. Und deshalb —“
„Ach, das wichtigste! Unser Kind ist noch nicht einmal auf der Welt, da muß es schon ein Spielzeug haben. Dabei braucht es doch erst einmal Windeln, Hemdchen und Jäckchen.“
„Denk mal an“, sagte die Frau, lachte und drückte Peter an sich, „das hab ich ja noch gar nicht gewußt.“
„Und außerdem“, sagte der Mann, indem er das Gartentor öffnete, um einzutreten, „außerdem wird es gar kein Junge sein, sondern ein Mädel, das weiß ich ganz genau.“
„Ein Mädel?“ fragte die Frau und sah ihn an. „Was du nicht alles weißt! Es wird aber doch ein Peter. Wenn es Mai wird, kommt unser Peter!“
„Ein Mädel!“
„Ein Peter!“
„Ein Mädel!“
„Ein Peter! Ein Pe-Pe-Pe-Pe-Peter!“
„Nanu“, dachte Peter, der Bär, „die zanken sich ja. Oder ist das nur Spaß?“
Es war vielleicht zur Hälfte Spaß, zur andern Hälfte aber Ernst. Der Mann hatte braune Augen, die blitzten, und man konnte sich denken, daß man ihm nicht zu widersprechen wagte. Die junge Frau drehte sich um und lief weg, Peter in der Hand, der Mann hinterher. Sie jagten sich ein bißchen um die Beete, dann aber drängte der Mann die Frau auf den kleinen Weg längs des Gartenzauns. Er kam ihr schon sehr nahe, da ließ sie den Peter fallen und rettete sich seitwärts. Peter flog über den niedrigen Zaun auf den Bürgersteig der Straße; er fiel aber nicht auf die Erde, sondern geradenwegs in einen kleinen, hölzernen Wagen mit vier Rädern, den ein Kind hier beim Spielen vergessen haben mochte. Peter sah sich sehr erstaunt um, mußte aber doch lachen.
„Nanu?“
„Du kommst ja beinahe wie vom Himmel gefallen“, sagte es neben ihm, und als er sich umdrehte, sah er einen Hund vor sich stehen, einen nicht allzugroßen, graubraunen Hund mit einem struppigen, gutmütigen Gesicht.
„Bist du erschrocken?“ fragte Peter sich entschuldigend.
„Nein, nein“, beruhigte ihn der andere, „sicher haben Kinder mit dir gespielt. Die Kinder, bei denen ich wohne, haben auch solche Bären, wie du einer bist, und mit denen bin ich gut Freund. Die spielen auch manchmal wilde Spiele.“
„Nein“, sagte Peter, „das Kind, dem ich gehöre, ist noch gar nicht auf der Welt. Es kommt erst im Mai, und es wird auch Peter heißen. Wie heißt du denn?“
„Thomas.“
„Wohnst du hier?“
„Nein, ich mache eben einen Spaziergang.“
„Wohin gehst du denn?“
„In das Haus vor der Stadt, wo wir früher wohnten. Dort heben mir die Leute manchmal Knochen auf, die will ich mir holen.“
„Nimm mich doch mit“, bat Peter. „Geht das nicht? Ich habe doch Zeit, bis mein Spielkamerad da ist. Da möchte ich mich ein bißchen in der Welt umsehen. Nimmst du mich mit?“
„Warum nicht?“ sagte Thomas gutmütig. „Der Wagen ist ja wohl nicht so schwer.“
„Sind die Kinder nett zu dir?“ fragte Peter. „Vertragt ihr euch immer?“
„Oh, großartig“, sagte Thomas. „Die Kinder wissen genau, daß sie mich gut behandeln müssen, und quälen und ärgern mich nie. Sie streicheln mich gern; aber meine Nase dürfen sie nicht anfassen, das mag ich nämlich nicht. Kein Hund mag das. Wenn sie wirklich mal zu nahe drangekommen sind, dann waschen sie sich gleich die Hände. So haben sie es gelernt.“
„Auch die Kleinen?“ fragte Peter, der sich noch nie die Hände gewaschen hatte.
„Den Kleinen waschen sie die Großen“, erklärte Thomas; „überhaupt versorgen sie ihre kleinen Geschwister brav. Und ich passe auf, daß niemand Fremdes ins Haus kommt. Das ist mein Amt.“
„Aber spielen dürfen die Kinder mit dir?“ fragte Peter.
„Nein“, sagte Thomas, „Hunde, und überhaupt Tiere, die lebendig sind, sind kein Kinderspielzeug. Zum Spielen haben die Kinder Puppen oder Bären. Aber wenn es manchmal Wurstzipfel gibt, dann