Reiterferien mit Anja und Petra. Lise Gast

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Reiterferien mit Anja und Petra - Lise Gast


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hast mal einen Ehrenpreis bekommen, auf einem Turnier? Einen richtigen Silberpokal? Nicht nur Schleifen?“ Anja deutete auf die Reihe von bunten Seidenrosetten mit einem herabhängenden goldgeprägten Ende, die über der Truhe an der Wand hingen.

      „Hab’ ich, jawohl. In grauer Vorzeit, als ich dich noch nicht kannte.“

      „Und wofür?“ fragte Anja ganz gespannt.

      „Für Über-ein-Feuer-Springen. Ja, das klingt großartig, aber so toll war es wahrhaftig nicht. Man muß nur das Pferd danach haben. Ich bekam damals einen Norweger, der sich vor nichts fürchtete. Unter uns gesagt, er war ziemlich pomadig. Die Reiterin, die ihn springen lassen wollte, war bei einer andern Disziplin zu Boden gegangen und konnte also diese Nummer – eine Schaunummer – nicht mehr reiten. Da fragte sie mich. ,Wenn es das Pferd macht, mach’ ich es auch‘, sagte ich und kletterte in den Sattel. Nein, was sind Norweger manchmal pummelig! Es gibt natürlich solche und solche, aber der war speckfett, daher vielleicht auch seine Pomadigkeit. Ich kriegte überhaupt keinen Knieschluß auf ihm, so spreizte mir sein breiter Rücken die Beine auseinander. Na schön, versuchte ich halt, in der Balance zu reiten. Und siehe da, das genügte! Der Gute ging. Man hatte eine etwa sechs Meter lange Blechrinne aufgestellt, dahinein wurde Heizöl gegossen oder Petroleum, ich weiß das nicht so genau, und das zündeten sie an. Es brannte vielleicht einen Viertelmeter hoch und flackerte ein bißchen, das war alles. Und darüber sprang mein Norwegerchen, als wäre es ein dünner Baumstamm, unerregt und gehorsam. Also.“

      „Trotzdem! Es heißt doch immer, Pferde fürchten sich so sehr vor Feuer.“

      „Das tun auch die meisten. Der aber nicht, ich hab’s ja gemerkt.“

      „Und warum hast du den Pokal erst jetzt hier auf die Truhe gestellt? Den hab’ ich doch noch nie gesehen“, sagte Anja. Petra lachte.

      „Weil mein liebes Brüderchen ihn mir geklaut und zweckentfremdet hatte, wie man heute sagt. Werner, du weißt ja. Er hatte die Idee zu beobachten, wie aus Kaulquappen Frösche werden, und brauchte dazu ein Gefäß. Da er den Pokal mit Inhalt hinter seinem Schrank versteckt hatte, fand ich ihn nicht, als ich mich in seiner Bude umsah. Denn immerhin hatte ich schon den Verdacht, daß Werner lange Finger gemacht haben könnte.“

      „Und sind es Frösche geworden?“ fragte Anja.

      „Noch nicht. So etwas braucht Zeit. Inzwischen aber hat Werner ein anderes gläsernes Gefäß aufgetan, in dem man die Quäppchen besser beobachten kann. Diesmal ist Vater der Bestohlene. Ich bin gespannt, wann er merkt, wo sein viereckiger Glaskasten hingekommen ist, in dem er bisher alle möglichen Kostbarkeiten aufbewahrte. Auf jeden Fall habe ich meinen Pokal wieder.“

      Anja hielt ihn in den Händen und drehte ihn um und um, las die Gravierung und putzte mit dem Ärmel an ihm herum.

      „Ob ich auch mal einen bekomme?“

      „Na sicherlich. So was kann einem anfliegen wie ein Schnupfen. Vor Bomben und Preisen ist niemand sicher, sagt mein Vater immer.“

      „Versteh’ ich nicht.“

      „Das werde ich dir gleich verklikkern. Also, sperr die Ohren auf. Werner ist ja ein fürchterlicher Hasenfuß, wenn es ums Reiten geht, das weißt du. Und als er noch kleiner war, erst recht. Einmal hatten wir ihn zu einer Stutenschau mitgenommen, weil er nicht allein zu Hause bleiben sollte. Nur deshalb. Reiten wollte er um nichts in der Welt. Lady und Traute, unsere zwei Stuten, die Vater und Mutter reiten, sollten auch gezeigt werden. Aber Mutter wurde ans Telefon gerufen, gerade als alle einundvierzig Stuten vorgeführt werden sollten, immer vier nebeneinander, als Schlußlicht unsere Lady. Ich ritt Traute, und da Mutter ausfiel, packte der Reitlehrer einfach unseren kleinen Angsthasen Werner unter den Achseln und hob ihn auf Lady, ohne vorher gefragt zu haben. Das hätten Mutter oder ich mal versuchen sollen, das hätte vielleicht ein Geschrei gegeben! Aber da blieb Werner still, er war völlig perplex und dachte nicht daran zu protestieren. So ritt er also allein hinter uns anderen her – im Schritt natürlich, Lady ist sehr zuverlässig – und machte sich erstaunlich gut im Sattel. Das schienen andere auch zu finden, denn plötzlich hieß es: ,Halt. Eine halbe Wendung um die Vorderhand!‘ Und auch das machte Lady, ohne mit der Wimper zu zucken. Die andern vierzig natürlich auch. Und nun stand Werner, der fünfjährige Knirps, mit seinem Pferd als Tete vor lauter Erwachsenen, ein Bild, sag’ ich dir! Er heulte keineswegs, sondern hielt sich aufrecht wie eine kleine Eins. Süß sah er aus, und die Fotoapparate der Zeitungsleute klickten nur so. Sein Bild kam dann in unserem Wurschtblatt ganz groß heraus, so was hatte er sich nie im Leben erträumt. Und wir andern hätten das nicht für möglich gehalten. Wenn Werner, das Nichtreiterlein, also als Tetenreiter der gesamten Stutenschau geehrt und geknipst wurde, warum sollst du nicht auch mal einen Ehrenpreis kriegen?“

      „Na danke. So einen möchte ich lieber nicht“, sagte Anja. „Entweder einen, den ich wirklich verdiene, oder gar keinen.“

      „Da hast du auch wieder recht. Na, dann reite mal schön, eines Tages verdienst du dir einen“, sagte Petra friedlich und steckte das letzte Stück Apfelsinenschnitz in den Mund. „Und jetzt heißt es, unsere Eltern davon zu überzeugen, daß wir in den Osterferien unbedingt zu Stine gehen müssen. Denn glaubst du etwa, ich ließe dich allein dorthin? Da bist du schiefgewickelt, meine Teure. Entweder wir gehen beide oder keine von uns.“

      „Dann schon lieber beide. Ich fürchte nur, deine Eltern sind eher herumzukriegen als meine“, seufzte Anja. „Sie reiten ja beide und deine Schwestern auch.“

      „Trotzdem weiß man nie, wie sie reagieren“, warf Petra ein. „Nun, hoffen wir das Beste. Also dann, übermorgen?“

      „Ja. Übermorgen“, sagte Anja. „Das wäre was!“

      Auf dem Seehof

      „Du, Vater, borgst du dir ein Fahrrad?“ fragte Anja. Sie stand neben seinem Schreibtisch und hatte lange versucht, die Frage zu unterdrücken. Aber der Uhrzeiger rückte immer weiter.

      Vater, der eben dabei war, das letzte Heft des Stapels, der vor ihm lag, zu korrigieren, sah auf. Er versuchte, abzuschalten und auf sie einzugehen. Trotzdem mußte er erst fragen: „Wozu denn?“

      „Wenn wir heute zu Stine fahren.“

      „Heute? Zu Stine? “

      „Ja, zu Stine auf den Seehof! Um uns anzumelden für die Osterferien – oder uns wenigstens zu erkundigen. Du hast es uns doch versprochen!“ Anja erschien es undenkbar, daß man so etwas Wichtiges vergessen könnte. Vater hatte es vielleicht auch nicht vergessen, sondern er tat nur so.

      „Ach ja, richtig, in das Kleinpferdegestüt. Nein, dazu borge ich mir kein Fahrrad.“

      „Aber?“ Anja hatte die letzten beiden Tage an nichts anderes gedacht und versuchte vergeblich, ihre Unruhe zu verbergen. „Aber wir müssen doch hin. Du sagst doch, telefonieren ist nicht so gut.“

      „Wozu denn radeln? Können wir nicht laufen?“ fragte Vater mit Gemütsruhe und strich einen Fehler rot an. Anja trat von einem Fuß auf den anderen.

      „Laufen? So weit?“

      „Warum nicht, geliebte Tochter?“ Vater schlug das Heft nun endlich zu, legte es auf die anderen und sah Anja an. „Es gibt ein Sprichwort, das heißt: ,Zu Fuß ist das vornehmste. Da ist immer eingespannt.‘‘‘

      „Ach so. Es ist aber weit –“

      „Dann laufen wir eben weit.“ Vater stand auf. „Ist deine Freundin Petra schon da? Die wollte doch mit.“

      „Nein, aber sie muß jeden Augenblick kommen. Vater, du könntest dir das Fahrrad von Frau Schubert borgen, sie gibt es dir bestimmt. Außerdem wären wir eher dort und könnten vielleicht noch etwas helfen. Petra kommt bestimmt mit dem Fahrrad.“

      „Ach, weißt du, wir sind so lange nicht marschiert.“

      Im selben Augenblick schrillte draußen eine Fahrradklingel. Anja stürzte ans Fenster.

      „Petra! Ja, da ist sie. Und


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