Precious Love. Jana Reeds

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Precious Love - Jana Reeds


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Ich hatte in dem Sessel vor dem Schreibtisch gesessen, mein Vater mir gegenüber. In der Hand ein Glas Whiskey, denn es war bereits spät am Abend. Ich hatte auf Alkohol verzichtet, ich musste noch nach Hause fahren.

      Wir redeten zuerst ganz entspannt, doch irgendwann kam das Thema auf meine fehlende Berufswahl. Mein Vater nahm einen Schluck von seinem Whiskey und knallte dann das Glas auf den Tisch.

      „Es wird Zeit, dass du etwas mit deinem Leben anfängst. Verantwortung übernimmst und, verdammt noch mal, arbeitest!“

      Natürlich reagierte ich genervt. Es war nicht das erste Mal, dass wir diese Unterredung führten.

      Ich weiß noch, dass ich „Ja, ja“ murmelte.

      „Nur weil du es finanziell nicht nötig hast, Geld zu verdienen, heißt das noch lange nicht, dass du dein Playboy-Dasein nicht aufgeben solltest“, ereiferte sich mein Vater.

      „Ich denke drüber nach“, entgegnete ich damals ohne wirkliche Überzeugung. Ich wollte ihn nur besänftigen, damit ich mir nicht eine weitere seiner Tiraden anhören musste. Kurz darauf war das Thema beendet und mein Vater frustriert. Er war enttäuscht von mir. Zu diesem Zeitpunkt machte es mir nicht allzu viel aus. Ich hatte geglaubt, noch genügend Zeit zu haben, um ihm zu beweisen, aus welchem Holz ich geschnitzt war. Ich dachte, ich könnte noch ein, zwei Jahre das gute Leben genießen und dann voll ins Berufsleben einsteigen. Ich hatte sogar Pläne dafür gemacht …

      Jetzt war Dad tot. Gestorben in dem Wissen, einen nichtsnutzigen Sohn in die Welt gesetzt zu haben, der außer etlichen Frauengeschichten nichts vorzuweisen hatte.

      Ich umrundete den Schreibtisch und nahm im Schreibtischsessel meines Vaters Platz. Es fühlte sich seltsam an, auf dieser Seite des Tisches zu sitzen. Falsch irgendwie.

      Die Tischplatte glänzte, als sei sie gerade erst poliert worden. Das Holz schimmerte in einem satten Dunkelbraun, durchzogen mit dunklen Rottönen. Der Computerbildschirm befand sich links von mir. Vor mir nur das teure Schreibtischset mit dem goldenen Füllfederhalter und einigen messerscharf gespitzten Bleistiften. Auf der ledernen Schreibtischmatte lag ein schmaler Ordner. Ich öffnete ihn. Hierin fand ich die Unterlagen, die mein Vater mir hatte zeigen wollen. Das Projekt, das ihm laut meiner Mutter so sehr am Herzen gelegen hatte, dass er nächtelang in seinem Arbeitszimmer gesessen und Dokumente studiert hatte.

      Aufmerksam las ich die Schriftstücke, die mein Vater gesammelt hatte. Einige davon in Spanisch verfasst, was mir zum Glück keine Schwierigkeiten bereitete. Ich sprach es fließend – dank einiger Freunde, die meinen Eltern stets ein Dorn im Auge gewesen waren.

      Als ich mit der Durchsicht fertig war, blieb ich auf der letzten Seite hängen. Dad hatte ein Diagramm gemalt. Ein Organisationsschema. Ganz oben erkannte ich meinen Namen, darunter hatte er Leute aufgelistet, die wir brauchen würden, um sein Vorhaben durchzuführen. Meist stand dort die Jobbeschreibung wie Kapitän oder Taucher. Neben einigen dieser Bezeichnungen hatte er handschriftlich bereits Namen eingefügt.

      Ich schloss den Ordner und lehnte mich zurück. Nichts in dem Gespräch mit meiner Mutter hatte mich auf das vorbereitet, was ich gefunden hatte. Aber mein Vater hatte recht, zum ersten Mal in meinem Leben war ich bereit, an einem seiner Projekte teilzunehmen. Und „bereit“ war nicht einmal das richtige Wort dafür, ich konnte es nicht erwarten, mit der Arbeit zu beginnen.

      2

      Lou

      In Momenten wie diesem war mein Leben einfach nur perfekt.

      Ich spürte, wie das Glücksgefühl durch meinen Körper floss, und es fühlte sich an, als wären kleine Blubberblasen in meinem Bauch – ähnlich denen, die vom Mundstück des Sauerstoffgeräts aufstiegen.

      Im schummerigen Halbdunkel schaute ich mich um, prüfte, ob einer der Gruppenteilnehmer meine Hilfe brauchte. Heute war es nur eine kleine Truppe, bloß vier Leute waren mit mir auf Tauchgang, und sie alle konnten bereits jahrelange Erfahrung vorweisen und wussten, was sie hier taten. Ich entdeckte das Pärchen, Sue und Michael aus Atlanta. Die beiden kamen jedes Jahr um diese Zeit auf die Keys, um die Riffs und Wracks zu erforschen. Sie zählten zu den wenigen Stammkunden, die die Tauchschule vorweisen konnte. Wild gestikulierend deutete Sue auf einen Schwarm Doktorfische, der sich an der Heckseite des alten Schiffes tummelte. Sofort zückte ihr Mann die Unterwasserkamera, um Fotos zu schießen.

      Ich schwamm an der Backbordseite der Benwood entlang, ließ meinen Blick über das zerschossene Heck gleiten, das nach den vielen Jahrzehnten, die das Wrack hier unten lag, von Algen und Korallen überwuchert war.

      1942 sank das Schiff vor der Küste Key Largos und diente seitdem als beliebter Ausflugs- und Erkundungspunkt für Taucher. Während ich langsam weiter in Richtung Bug schwamm, entdeckte ich aus dem Augenwinkel eine große Schildkröte. Ich schaute mich um zu diesem wunderschönen Tier. So unbeholfen Schildkröten an Land auch wirkten, im Wasser bewegten sie sich leicht, ja, fast schon majestätisch. Die Schildkröte kam so nah, dass ich nur die Hand auszustrecken brauchte, um sie zu berühren. Die Tiere kannten hier keine Angst vor den Menschen, sie waren an deren Gesellschaft gewöhnt und es herrschte eine Art gegenseitiger Respekt. Wer hier tauchte, dem lag das Wohl der bunten Fische, der Schildkröten und ja, auch der seltener auftauchenden Haie am Herzen. Taucher wussten, sie waren nur zu Gast in dieser einzigartigen Welt. Sie gehörten für eine Weile dazu, doch dann mussten sie diese Welt verlassen und in ihre eigene zurückkehren.

      Meine innere Uhr sagte mir, dass es allmählich Zeit wurde, meine Gruppe wieder an die Oberfläche zu führen. Bereits seit einer Stunde schwammen wir im warmen Wasser und erkundeten das Schiffswrack.

      Während die Schildkröte weiterzog, kehrte ich zurück zu dem Punkt, an dem ich Sue und Michael beim Fotografieren des Fischschwarms zurückgelassen hatte. Kurz nach mir kamen auch Steve und Daniel an unserem Treffpunkt an, und ich erkannte an den strahlenden Augen, dass der Tauchgang für meine Gäste ein voller Erfolg war.

      Ich gab das Zeichen zum Auftauchen und langsam machten wir uns auf den Weg an die Wasseroberfläche.

      Wie jedes Mal, wenn ich einen Tauchgang beendete, schwang ein wenig Wehmut mit. Wehmut darüber, diese Welt, in der ich mich von klein auf zu Hause fühlte, verlassen zu müssen.

      Ich warf einen Blick zurück auf das Wrack der Benwood, auf die unzähligen Fische, die sich dort tummelten. Ich wusste, in wenigen Tagen würde ich wiederkehren und die nächste Gruppe Taucher zu diesem wunderschönen Ort führen. Ich würde ihre Begeisterung durch die Tauchermasken erkennen können und die Faszination, die auch mich jedes Mal erfasste – vollkommen egal, wie oft ich hier herunterkam. Ich kannte die Riffs und Wracks vor Key Largo wie meine Westentasche, sie waren seit meiner Kindheit mein zweites Zuhause. Meine Mom hatte immer gescherzt, dass ich irgendwann mit Kiemen und Schwimmhäuten aufwachen würde. Manchmal tat sie so, als wolle sie kontrollieren, ob ich nicht langsam selbst zum Fisch wurde. Dann kitzelte sie mich am Hals und an den Füßen, bis ich vor Vergnügen kreischte, während sie mir vormachte, nach Kiemen und Schwimmhäuten zu suchen.

      Die Erinnerung an meine Mom ließ meinen Brustkorb eng werden, und ich schloss für eine Sekunde die Augen, um mich wieder zu besinnen. Ich hatte einen Job zu erledigen, ich durfte mich nicht von den Erinnerungen und Gefühlen mitreißen lassen. Nicht jetzt … Nicht, solange ich für meine Tauchgruppe verantwortlich war.

      „Ihr wart ganz schön lange unten“, murmelte Dylan, als er mir die Hand entgegenstreckte, um mir über die Leiter an Bord zu helfen.

      „Ich war genau im Zeitplan“, gab ich zurück, zuckte mit den Schultern und fing an, mich aus dem dünnen Neoprenanzug zu pellen. Ich hörte das aufgeregte Geplapper der Tauchgäste, die sich bereits gegenseitig erzählten, was sie alles im und um das Wrack herum entdeckt hatten.

      Mein Bruder hingegen warf mir nur missmutige Blicke zu. Ich wusste genau, sein Problem war nicht, dass ich zu lange unten gewesen wäre – denn das war ich nicht. Seine Sorge galt einzig und allein mir.

      „Du weißt, ich mag es nicht, wenn du die Zeit so ausreizt.“


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