Die beliebtesten Weihnachtsklassiker. Martin Luther

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Die beliebtesten Weihnachtsklassiker - Martin Luther


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Sommer ist der grün mit kleinen Beeren. Alle Vögel essen daran, da freut sich der Turm mit seinem einen Auge. Wenn Fräulein Berger Betten nachsieht, hat er ein kleines, rotes Licht im Kopfe, dann ist er erst lustig anzusehen. Oben im Turm ist eine Stube, heißt die Hexenstube, und man kann die Türe nie zumachen, immer geht sie bei Nacht wieder auf. Von wegen der Hexe. Die ist aber schon lange tot, und es ist alles ein alter Aberglaube.«

      »Dieser Satz wird dem Herrn Kantor ausnehmend gefallen haben,« wirft Harro ein.

      »Ist auch vom Herrn Kantor!« sagt das Seelchen stolz, »und da gehört er herein. Man kann keine fremde Kammerfrau in der Stube schlafen lassen, auch wenn noch so viel Gäste im Schloß sind und man sich nicht zu helfen weiß. Weil die Tür immer wieder aufgeht, mitten in der Nacht. Eine Treppe hat der Turm auch, die geht im Kreise herum, wie alle Treppen in den Türmen. Man nennt sie Wendeltreppe.«

      »Bravo, Herr Kantor!«

      »Die Treppe geht bis mitten in die Erde hinunter. Soll ich weiter erzählen?«

      Das Seelchen blickt etwas besorgt nach Frau von Hardenstein; die hat aber ihren Knäuel weggelegt und sich in ein Buch vertieft, oder tut wenigstens so. Harro nickt ermutigend.

      »Der Turm ist tausend Jahre alt. Mitten in der Erde ist der Turm nicht so freundlich wie oben, wo der Busch sitzt. Vielleicht hat er's vergessen, was unten ist, sonst könnte er nicht mit einem Auge lachen und mit dem Busch nicken, wenn alle Spatzen zum Besuch kommen. Vielleicht weiß er auch nicht, was vor tausend Jahren war, er muß ja Betten hüten. Es ging einmal jemand die Treppe hinunter.«

      »Seelchen, ich fleh dich an, bleib so sitzen, nur einen Augenblick. Herrgott, ist das eine Freud! Kannst du so still sitzen? Und erzähl weiter, war's ein Ritter, ein Kellermeister?«

      Den wundervoll geistig belebten Ausdruck möchte er auf dem Gesichtchen festhalten. Sein Stift fliegt.

      »Weiter, Seelchen!« »Es war kein Ritter – es war sie!« »Eine Frau?« »Ich weiß nicht. Sie hielt ihre Hand vor sich, daß sie nicht an die grauen Steine stieß. Ihre Hand war weiß und ihr Gesicht. Das Haar, wie meine Haare sind, nur viel goldener, fiel ihr bis zu den Knien. Hinter ihr ging jemand, er darf sie aber nicht anrühren, er hat auch Angst davor. Unten ist eine dicke Säule und ein Gang. Es brennt ein kleines Licht, ein gelbes und ein rotes Licht. Die Steine sind schwarz und rauh, und sie steht an der Säule. Dann ist ihr Kleid weiß, vorher war es schwarz. Das ist vom Turm.«

      »Deine Geschichte ist ein bißchen schauerlich, Seelchen, und du bist ganz blaß geworden.« Aber das Seelchen schweigt, und Harro malt mit inbrünstiger Hingabe.

      Und doch möchte er weiter das feine Stimmchen hören. Wenn sie schweigt, sieht sie so leidversenkt aus. Und das kann den Vater nicht freuen, wenn zu viel davon auf das Bild kommt. »Ist das nun alles von ›ihr‹«, fragt er. – »O nein!«

      Das Seelchen ist ihm wieder geöffnet wie im Winterwald.

      Sie beginnt leise. »Es war einmal Nacht, und es war jemand gestorben. Und die Linde hat gelbe Büschelchen. Weil sie nun tot ist, erzählt niemand mehr: Rapunzel, laß dein ellenlanges Haar herunter, – weh', weh' Windchen, nimm Kürdchen sein Hütchen – Brennesselbusch so kleine, was stehst du da alleine? Niemand kämmt mit lieben Händen mein Haar, daß es kein bißchen reißt, und erzählt dazu und kann spinnen, daß die Spindel tanzt am feinen Fädchen. Die Stube ist leer. Es steht ein Kreuz auf dem Kirchhof, daran wächst ein Kräutlein, heißt Herzeleid und eines heißt Nimmerfroh, und singt das Vögelein Niemalswieder. Niemals wieder.«

      Hinter dem vorgehaltenen Buche laufen über das stolze Gesicht langsame Tränen herunter. Die Schultern zucken unter der grauseidenen Bluse.

      »Es gibt nur noch Leute, die über einen seufzen, und Leute, die quälen. Und nie ist man allein, nie, nie. Immer muß man es jemand recht machen, auf französisch und englisch recht machen. Und es kommt gewiß nie besser. Aber man kann durchs Fenster klettern, weil ein Riegel ab ist, das weiß Babette nicht: und da kommt man auf den Lindenstamm. Und der Mond scheint auf die Linde – da weint die auch. Man kann auch einschlafen auf der Rampe, weil es so süß duftet, und im Schlaf herunterfallen. Der liebe Gott würde nicht einmal so sehr zanken, er weiß ja ganz gut, wie es ist. Es ist so schön warm, und die Linde glänzt mit ihren Tränen, daß einem die Augen zufallen, und streichelt einen mit ihrem Duft. Da rauscht es. Ein feines Klingen, und da ist sie. Das Mondlicht ist auf ihrem Kleid, und das ist von Silber. An ihrem Halse hat sie einen Schmuck von hängenden Tropfen. Von ihrem Haar hängt ein weißer Nebel. Und sie sieht einen an. Streng ist sie, sie weiß alles. Sie weiß Weh, Allein, – Niemalswieder. Man ist am frohesten, wenn man am traurigsten ist. Sie ist da, bis man einschläft.«

      Seelchen schweigt. Es ist still, man hört nur Harros eilige Striche. Frau von Hardenstein ist hinausgegangen.

      Dann legt er seinen Pinsel hinweg. »So, für heute kann ich's nur noch verderben. Geh schnell, Seelchen, und sieh nach Frau von Hardenstein, ich möchte sie noch sehen, ehe ich gehe.«

      Das Seelchen geht hinein, kommt aber gleich wieder.

      »Sie ist nicht allein, ich mag jetzt nicht.«

      Harro packt seine Sachen zusammen und verhängt sein Bild und verbietet dem Kind, die Decke aufzuheben. Da kommt Frau von Hardenstein mit einem ganz hellen Glanz in den Augen wieder und sagt: »Warum kommen Sie nicht, Harro, wenn Sie fertig sind, in mein Säulenheim?«

      »Ich wollte nicht stören, Frau Mutter, es war doch jemand bei Ihnen.«

      »O nein, ich war ganz allein.«

      Harro sieht das Seelchen an, das wird dunkelrot. Und Harro eilt heute nach Hause und verabschiedet sich von dem Kinde mit einem ernsten Blick. Da schreit sie mit ihrem allerhöchsten Stimmchen: »Du hast mir dein Wort gegeben, daß du es nie sagst.«

      »Habe ich etwas gesagt, kleine Dame? Das Denken wird doch noch erlaubt sein.« – – –

      »Lieber Harro, kommen Sie doch heute herüber, und wenn's erst am Abend ist. Sie haben gestern ein Unglück angerichtet ...« schreibt ihm Frau von Hardenstein am nächsten Tage. Harro geht im Dämmer hinüber. Es kommt ihm kein Seelchen entgegengestürzt, aber Frau von Hardenstein geht ihm mit sehr roten Wangen entgegen. »Ich kann gleich einpacken, Harro, ich komme mit dem Kinde nicht zurecht. Sie hat nicht einen Bissen angerührt, nicht auf gute, nicht auf ernste Worte. Hat das Kind einen Eigensinn! – In meinem Leben habe ich keine so hartnäckige kleine Person gesehen. Ich habe ihr gedroht, ich ginge, aber sie sagt nur, dann kommt Miß Whart wieder, als wäre ihr das eine so lieb wie das andere. Und ich hatte mir schon eingebildet ...«

      Harro eilt an ihr vorbei, da sitzt das Seelchen in ihrem Stuhl, hält ihr Schneewittchen in den Armen und rührt sich nicht. Graublaß und elend sieht sie aus.

      »Seelchen, warum machst du Frau von Hardenstein Kummer?«

      »Ich habe auch Kummer.«

      »Das sehe ich, und er ist scheint's so überwältigend, daß du deinen Freund nicht begrüßen kannst. Soll ich wieder gehen?«

      »Das kannst du, es hilft ja doch nichts.«

      »Kann ich wirklich ... Ja weißt du denn, ob ich wieder komme?«

      Sie steht auf und stampft mit dem kleinen Fuße. »Ich will auch nicht mehr gehorsam sein, ich tue, was ich will, schlagen dürft ihr mich nicht.«

      »Seelchen, warum beleidigst du uns – Frau von Hardenstein, die dir nur Liebe erwiesen hat, und mich?«

      »Mich beleidigt man!«

      »Wer hat das getan?« »Du. Du hast mich angesehen und gedacht: Lügen!«

      »Wenn du willst, daß man dich wie eine vernünftige kleine Dame behandeln soll, so mußt du dich auch so benehmen. Ich schickte dich zu Frau von Hardenstein, die allein war, und du kommst wieder und sagst, es sei jemand bei ihr.«

      Frau von Hardenstein zog das widerstrebende Kind zu sich her.

      »Seelchen,« sagte sie zum erstenmal sehr sanft und freundlich. »Wer soll es denn gewesen sein?«

      Es


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