Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
Читать онлайн книгу.oder Ameisen, welche eine ungeheure Zahl unfruchtbarer und fruchtbarer Weibchen im Verhältnis zu den Männchen erzeugen und für welche dieses Überwiegen von oberster Bedeutung ist, können wir einsehen, daß diejenigen Gemeinden am besten gedeihen, welche Weibchen mit einer starken vererbten Neigung zur Erzeugung immer zahlreicherer Weibchen enthalten, und in derartigen Fällen wird eine ungleiche Neigung zur Geschlechtserzeugung schließlich durch natürliche Zuchtwahl erlangt werden. Bei Thieren, welche in Herden oder Truppen leben, wo die Männchen sich vor die Herde stellen und dieselbe vertheidigen, wie bei dem nordamerikanischen Bison und gewissen Pavianen, ist es wohl begreiflich, wie eine Neigung zur Erzeugung von Männchen durch natürliche Zuchtwahl erlangt werden könnte; denn die Individuen der besser vertheidigten Herden werden eine zahlreichere Nachkommenschaft hinterlassen. Was den Menschen betrifft, so nimmt man an, daß der aus dem Überwiegen der Männer innerhalb eines Stammes herzuleitende Vortheil eine der hauptsächlichsten Ursachen für den Gebrauch des weiblichen Kindesmordes sei.
So weit wir es übersehen können, wird in keinem Falle eine vererbte Neigung, beide Geschlechter in gleichen Zahlen oder das eine Geschlecht im Überschuß zu erzeugen, für gewisse Individuen mehr als für andere von directem Vortheil oder Nachtheil sein; es wird z. B. ein Individuum, welches die Neigung hat mehr Männchen als Weibchen zu producieren, im Kampf um's Leben keinen bessern Erfolg haben als ein Individuum mit der entgegengesetzten Neigung; es kann daher eine Neigung dieser Art nicht durch natürliche Zuchtwahl erlangt werden. Nichtsdestoweniger giebt es gewisse Thiere (so z. B. Fische und Rankenfüßer), bei welchen zwei oder mehr Männchen zur Befruchtung des Weibchens nothwendig zu sein scheinen; dementsprechend überwiegen hier die Männchen bedeutend, es ist aber durchaus nicht augenfällig, wie diese Tendenz zur Erzeugung männlicher Nachkommen erlangt worden sein könnte. Ich glaubte früher, daß, wenn eine Neigung beide Geschlechter in gleichen Zahlen zu erzeugen für die Species von Vortheil sei, dies eine Folge der natürlichen Zuchtwahl sei; ich sehe aber jetzt ein, daß dies ganze Problem so verwickelt ist, daß es sicherer ist, seine Lösung der Zukunft zu überlassen.
Fußnote
527 The Todas, 1873. p. 100, 111, 194, 196.
528 Aboriginal Inhabitants of New-Zealand. Governement Report, 1859, p. 36.
529 Narrative of a Tour through Hawaii. 1826, p. 298.
530 History of the Sandwich-Islands. 1843, p. 93.
531 Dies wird von H. T. Cheever mitgetheilt in: Life in the Sandwich-Islands. 1851, p. 277.
532 Wo Dr. Coulter (Journal R. Geograph. Soc. Vol. V. 1835, p. 67) den Zustand von Californien um das Jahr 1830 beschreibt, sagt er, daß die von den spanischen Missionären bekehrten Eingeborenen fast alle ausgestorben oder am Aussterben sind, trotzdem sie gut behandelt, nicht aus ihrem Geburtslande vertrieben und vom Gebrauche spirituoser Getränke abgehalten werden. Er schreibt dies zum großen Theile der unbezweifelten Thatsache zu, daß die Männer an Zahl bedeutend die Weiber überwiegen, weiß aber nicht, ob dies eine Folge des Ausbleibens weiblicher Nachkommenschaft oder des häufigen Todes der Mädchen im frühen Alter ist. Aller Analogie nach ist die letzte Alternative höchst unwahrscheinlich. Er fügt hinzu, daß »eigentlich so zu nennender Kindesmord nicht gewöhnlich ist, obschon sehr häufig zu Fehlgeburten Zuflucht genommen wird«. Wenn Dr. Coulter in Bezug auf den Kindesmord Recht hat, so kann dieser Fall nicht zur Unterstützung der Ansicht Colonel Marshall's angeführt werden. Nach der rapiden Abnahme der bekehrten Eingeborenen können wir vermuthen, daß ihre Fruchtbarkeit, wie in den früher mitgetheilten Fällen, sich in Folge der veränderten Lebensgewohnheiten vermindert hat. Ich hatte gehofft, etwas Licht über diesen Gegenstand aus der Züchtung der Hunde zu erhalten, insofern bei den meisten Rassen, vielleicht mit Ausnahme der Windspiele, viel mehr weibliche Junge getödtet werden als männliche, gerade so wie bei den Todas. Mr. Cupples versichert mich, daß dies bei schottischen Hirschhunden gewöhnlich der Fall ist. Unglücklicherweise weiß ich über die Verhältniszahlen der beiden Geschlechter von keiner Rasse, die Windspiele ausgenommen, etwas, und hier verhalten sich die männlichen Geburten zu den weiblichen wie 110,1 zu 100. Nach Erkundigungen, die ich von vielen Züchtern eingezogen habe, scheint es, als ob die Weibchen in mancher Beziehung mehr geschätzt würden, trotzdem sie in anderer Weise unbequem sind. Auch geht daraus nicht hervor, daß die weiblichen Jungen der bestgezüchteten Hunde systematisch mehr getödtet werden als die männlichen, wenn schon dies zuweilen in beschränktem Grade eintritt. Ich bin daher nicht im Stande zu entscheiden, ob wir das Überwiegen der männlichen Geburten bei Windspielen nach den oben angeführten Grundsätzen erklären können. Andererseits haben wir gesehen, daß bei Pferden, Rindern und Schafen, welche zu werthvoll sind, um die Jungen irgend eines Geschlechts zu tödten, wenn eine Verschiedenheit stattfindet, die weiblichen Geburten unbedeutend überwiegen.
Neuntes Capitel.
Secundäre Sexualcharaktere in den niederen Classen des Thierreichs
Derartige Charaktere fehlen in den niedersten Classen. – Glänzende Farben. – Mollusken. – Anneliden. – Crustaceen, secundäre Sexualcharaktere hier stark entwickelt; Dimorphismus; Farbe; Merkmale, welche nicht vor der Reife erlangt werden. – Spinnen, Geschlechtsfarben derselben; Stridulation der Männchen. – Myriapoden.
In den niedersten Classen des Thierreichs sind die beiden Geschlechter nicht selten in einem und demselben Individuum vereinigt und in Folge hiervon können natürlich secundäre Sexualcharaktere nicht entwickelt werden. In vielen Fällen, wo die beiden Geschlechter getrennt sind, sind die einzelnen verschiedengeschlechtlichen Individuen an irgend eine Unterlage dauernd befestigt, so daß das eine nicht das andere suchen oder um dasselbe kämpfen kann. Überdies ist es beinahe sicher, daß diese Thiere zu unvollkommene Sinne und viel zu niedrige Geisteskräfte haben, um die Schönheit und andere Anziehungspunkte des andern Geschlechts würdigen, oder Rivalität fühlen zu können.
In so niedrigen Classen wie den Protozoen, Coelenteraten, Echinodermen und niederen Würmern kommen daher secundäre Sexualcharaktere von der Art, wie wir sie zu betrachten haben, nicht vor; und diese Thatsache stimmt zu der Annahme, daß derartige Charaktere in den höheren Classen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind, welche von dem Willen, den Begierden und der Wahl der beiden Geschlechter abhängt. Nichtsdestoweniger kommen dem Anscheine nach einige wenige Ausnahmen vor; so höre ich z. B. von Dr. Baird, daß die Männchen gewisser Eingeweidewürmer von den Weibchen unbedeutend in der Färbung abweichen. Wir haben aber keinen Grund zu der Vermuthung, daß derartige Verschiedenheiten durch geschlechtliche Zuchtwahl gehäuft worden seien. Einrichtungen, mittelst deren das Männchen das Weibchen hält und welche für die Fortpflanzung der Species unentbehrlich sind, sind unabhängig von geschlechtlicher Zuchtwahl und sind durch gewöhnliche Zuchtwahl erlangt worden.
Viele von den niederen Thieren, mögen sie hermaphroditisch oder getrennt geschlechtlich sein, sind mit den glänzendsten Farbtönen geziert oder in einer eleganten Art und Weise schattiert oder gestreift. Dies ist z. B. der Fall bei vielen Corallen und See-Anemonen (Actiniae), bei einigen Quallen (Medusae, Porpita u. s. w.), bei manchen Planarien, Ascidien, zahlreichen Seesternen, Seeigeln u. s. w.; wir können aber aus den bereits angeführten Gründen, nämlich aus der Vereinigung der beiden Geschlechter bei einigen dieser Thiere, dem dauernd festgehefteten Zustande anderer und den niedrigen Geisteskräften aller, schließen, daß solche Farben nicht als geschlechtliche Anziehungsreize dienen und nicht durch geschlechtliche Zuchtwahl