Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
Читать онлайн книгу.lang.143 Eine der ausgesprochensten Verschiedenheiten bei den verschiedenen Menschenrassen ist die, daß der Schädel bei den einen verlängert, bei den andern abgerundet ist; und hier mag die aus dem Falle mit dem Kaninchen sich ergebende Erklärung zum Theil wohl gelten; denn Welcker findet, daß, »kleine Menschen mehr zur Brachycephalie, große mehr zur Dolichocephalie neigen«144 und große Leute lassen sich wohl mit den größeren Kaninchen mit längerem Kopfe vergleichen, welche sämmtlich verlängerte Schädel haben oder dolichocephal sind.
Nach diesen verschiedenen Thatsachen können wir bis zu einem gewissen Punkte die Mittel erkennen, durch welche der Mensch die beträchtliche Größe und die mehr oder weniger abgerundete Form seines Schädels erlangt hat; und dies sind gerade Merkmale, welche ihm in einer ausgezeichneten Weise, zum Unterschiede von den niederen Thieren, eigen sind.
Eine andere äußerst auffällige Verschiedenheit zwischen dem Menschen und den niederen Thieren ist die Nacktheit seiner Haut. Walfische und Delphine (Cetacea), Dugongs (Sirenia.) und der Hippopotamus sind nackt. Dies mag für dieselben beim Gleiten durch das Wasser von Vortheil sein; auch wird es kaum wegen des Wärmeverlusts von Nachtheil für sie sein, da diejenigen Arten unter ihnen, welche kältere Gegenden bewohnen, von einer dicken Schicht von Thran umgeben sind, welche demselben Zwecke dient, wie der Pelz der Seehunde und Ottern, Elephanten und Rhinocerosse sind fast haarlos, und da gewisse ausgestorbene Arten, welche einstmals unter einem arctischen Klima lebten, mit langen Haaren oder Wolle bedeckt waren, so dürfte es fast scheinen, als wenn die jetzt lebenden Arten beider Gattungen ihre Haarbedeckung dadurch verloren hätten, daß sie lange Zeit der Wärme ausgesetzt waren. Dies erscheint um so wahrscheinlicher, als diejenigen Elephanten in Indien, welche in höher gelegenen und kälteren Districten leben, mehr Haare haben145 als die in den Niederungen lebenden. Dürfen wir dann wohl schließen, daß der Mensch von Haaren entblößt wurde, weil er ursprünglich irgend ein tropisches Land bewohnt hat? Die Thatsache, daß er Haare hauptsächlich im männlichen Geschlecht an der Brust und im Gesicht, und in beiden Geschlechtern an der Verbindung aller vier Gliedmaßen mit dem Rumpfe behalten hat, begünstigt jene Folgerung, allerdings unter der Annahme, daß das Haar verloren wurde, ehe der Mensch die aufrechte Stellung erlangt hatte; denn die Theile, welche jetzt die meisten Haare behalten haben, würden die am meisten gegen die Wärme der Sonne geschützten gewesen sein. Die Schädelhöhe bietet indeß eine merkwürdige Ausnahme dar; denn zu allen Zeiten muß sie einer der am meisten exponierten Theile gewesen sein, und doch ist sie dicht mit Haaren bedeckt. Die Thatsache indessen, daß die andern Glieder der Ordnung der Primaten, zu welcher der Mensch gehört, trotzdem sie verschiedene heiße Gegenden bewohnen, doch mit Haaren, und zwar im Allgemeinen auf der oberen Fläche am dichtesten,146 bekleidet sind, steht mit der Annahme in Widerspruch, daß der Mensch in Folge der Einwirkung der Sonne nackt wurde. Mr. Belt ist der Ansicht,147 daß es innerhalb der Tropen für den Menschen ein Vortheil sei, von Haaren entblößt zu sein, da er dadurch in den Stand gesetzt wird, sich von der Menge Zecken (Acari) und andren Parasiten zu befreien, von denen er oft heimgesucht wird und welche häufig Verschwärungen veranlassen. Ob aber dieses Übel hinreichend groß ist, um zum Nacktwerden des Körpers durch natürliche Zuchtwahl zu führen, dürfte bezweifelt werden, da keines der vielen die Tropen bewohnenden Säugethiere, so viel mir bekannt ist, irgend ein specielles Erleichterungsmittel erlangt hat. Die Ansicht, welche mir die wahrscheinlichste zu sein scheint, ist die, daß der Mensch oder vielmehr ursprünglich die Frau, wie ich in den Capiteln über geschlechtliche Zuchtwahl noch weiter zeigen werde, ihr Haarkleid zu ornamentalen Zwecken verlor; und nach dieser Annahme ist es durchaus nicht überraschend, daß der Mensch in Bezug auf das Behaartsein von allen übrigen Primaten so beträchtlich abweicht. Denn durch die geschlechtliche Zuchtwahl erlangte Charaktere weichen oft bei nahe mit einander verwandten Formen in einem außerordentlichen Grade von einander ab.
Nach einer populären Ansicht ist die Abwesenheit des Schwanzes ein vorwiegend unterscheidendes Merkmal des Menschen; da aber diejenigen Affen, welche dem Menschen am nächsten stehen, gleichfalls dies Organ nicht besitzen, so betrifft dessen Verschwinden nicht den Menschen allein. Seine Länge ist zuweilen bei Species einer und derselben Gattung merkwürdig verschieden; so ist er bei einigen Arten von Macacus länger als der ganze Körper und besteht aus vierundzwanzig Wirbeln; bei anderen existiert er nur als ein kaum sichtbarer Stumpf und enthält nur drei oder vier Wirbel. Bei einigen Arten von Pavianen sind fünfundzwanzig Schwanzwirbel vorhanden, während beim Mandrill nur zehn sehr kleine abgestutzte Wirbel und nach Cuvier's Angabe148 zuweilen nur fünf solche vorhanden sind. Der Schwanz läuft beinahe immer nach dem Ende hin spitz zu, mag er nun kurz oder lang sein, und ich vermuthe, daß dies ein Resultat der durch Nichtgebrauch eintretenden Atrophie der terminalen Muskeln in Verbindung mit der der Arterien und Nerven ist, welche zuletzt zu einer Atrophie der endständigen Knochen führt. Für jetzt kann aber die häufig vorkommende große Verschiedenheit in der Länge des Schwanzes nicht erklärt werden. Es handelt sich indessen hier specieller um das völlige äußerliche Verschwinden des Schwanzes. Prof. Broca hat vor Kurzem gezeigt,149 daß der Schwanz bei allen Säugethieren aus zwei, meist plötzlich von einander abgesetzten Theilen besteht; der basale Theil besteht aus mehr oder weniger vollkommen mit Canälen versehenen und Fortsätze gleich gewöhnlichen Wirbeln besitzenden Wirbeln, während die Wirbel des terminalen Theils keine Canäle haben, beinahe glatt und echten Wirbeln kaum ähnlich sind. Ein, wenn auch nicht äußerlich sichtbarer Schwanz ist beim Menschen und den anthropomorphen Affen wirklich vorhanden und ist bei beiden nach demselben Typus gebaut. Im terminalen Theil sind die das Os coccygis bildenden Wirbel völlig rudimentär, an Größe und Zahl verkümmert. In dem basalen Theil finden sich auch nur wenig Wirbel, sie sind fest mit einander verbunden und in ihrer Entwicklung gehemmt; sie sind aber viel breiter und platter geworden als die entsprechenden Wirbel im Schwanze anderer Thiere; sie bilden das, was Broca die accessorischen Kreuzbeinwirbel nennt. Diese sind von functioneller Bedeutung, sie haben gewisse innere Theile zu stützen, und so fort; ihre Modification steht in directem Zusammenhange mit der aufrechten oder halbaufrechten Stellung des Menschen und der anthropomorphen Affen. Diese Folgerung ist um so vertrauenswürdiger, als Broca früher einer andern Ansicht war, die er jetzt aufgegeben hat. Die Modification der basalen Schwanzwirbel beim Menschen und bei den höheren Affen dürfte daher direct oder indirect durch natürliche Zuchtwahl bewirkt worden sein.
Was sollen wir aber von den rudimentären und variablen Wirbeln des terminalen Theils des Schwanzes sagen, welche das Os coccygis bilden? Eine Idee, welche schon oft lächerlich gemacht worden ist und es ohne Zweifel wieder werden wird, daß nämlich Reibung mit dem Verschwinden des äußeren Theils des Schwanzes etwas zu thun gehabt hat, ist doch nicht so lächerlich, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheint. Dr. Anderson giebt an,150 daß der außerordentlich kurze Schwanz des Macacus brunneus von elf Wirbeln, mit Einschluß der unter die Haut versenkten basalen, gebildet wird. Das Ende ist sehnig und enthält keine Wirbel; auf dies folgen fünf rudimentäre und so kleine Wirbel, daß sie zusammengenommen nur anderthalb Linien lang sind; sie sind beständig in der Form eines Hakens nach einer Seite gebogen. Der nur ein wenig mehr als einen Zoll lange freie Theil des Schwanzes enthält nur vier weitere kleine Wirbel. Dieser kurze Schwanz wird aufrecht getragen; aber ungefähr ein Viertel der Gesammtlänge ist nach links hin auf sich zurückgebogen; dieser terminale Theil, welcher die hakenförmige Partie enthält, dient dazu, »die Lücke zwischen dem obern auseinanderweichenden Theil der Gesäßschwielen auszufüllen«, das Thier sitzt daher auf ihm und macht ihn rauh und schwielig. Dr. Anderson faßt seine Beobachtungen folgendermaßen zusammen: »Diese Thatsachen scheinen mir nur eine Erklärung zuzulassen. Wegen seiner geringen Länge ist dieser Schwanz dem Affen im Wege, wenn er sich niedersetzt, und wird in dieser Stellung häufig unter das Thier gesteckt. Wegen des Umstandes, daß er nicht