Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
Читать онлайн книгу.Fenton kommt, nachdem er im Einzelnen das Ungenügende der verschiedenen, zur Erklärung dieser außerordentlichen Abnahme angeführten Ursachen, wie neue Krankheiten, die Lüderlichkeit der Frauen, Trunkenheit, Kriege u. s. w. nachgewiesen hat, in Folge gewichtiger Gründe zu dem Schluße, daß sie hauptsächlich von der geringen Fruchtbarkeit der Frauen und der außerordentlichen Sterblichkeit der kleinen Kinder abhängt (p. 31. 34). Als Beweis hierfür führt er an (p. 33), daß 1844 ein Nichterwachsener auf je 2,57 Erwachsene kam, während im Jahre 1858 ein Nichterwachsener erst auf 3,27 Erwachsene kam. Auch die Sterblichkeit der Erwachsenen ist groß. Als eine weitere Ursache der Abnahme führt er ferner die Ungleichheit der beiden Geschlechter an: es werden weniger Mädchen als Knaben geboren. Auf diesen letzteren, vielleicht von einer gänzlich verschiedenen Ursache abhängenden Umstand werde ich in einem späteren Capitel zurückkommen. Mr. Fenton vergleicht mit Erstaunen die Abnahme in Neu-Seeland mit der Zunahme in Irland, zwei im Klima nicht sehr unähnlichen Ländern, wo die Einwohner jetzt nahezu ähnliche Lebensweise haben. Die Maoris selbst (p. 35) »schreiben ihre Abnahme »in einem gewissen Maße der Einführung neuer Nahrung und der »Kleidung und der damit in Verbindung stehenden Änderung der »Lebensgewohnheiten zu« und wenn wir den Einfluß veränderter Bedingungen auf die Fruchtbarkeit betrachten werden, wird es sich zeigen, daß sie wahrscheinlich darin Recht haben. Die Verminderung begann zwischen den Jahren 1830 und 1840; Mr. Fenton weist nach (p. 40), daß ungefähr um 1830 die Kunst, fauliges Korn (Mais) durch langes Einweichen in Wasser zuzubereiten, entdeckt und reichlich ausgeübt wurde; und dies zeigt, daß eine Änderung der Lebensgewohnheiten unter den Eingebornen begann, selbst als Neu-Seeland nur dünn von Europäern bewohnt war. Als ich die Bay of Islands 1835 besuchte, waren die Kleidung und Nahrung der Eingebornen bereits sehr modificiert worden; sie bauten Kartoffeln, Mais und andre landwirtschaftliche Erzeugnisse und tauschten dieselben gegen englische Manufacturwaaren und Tabak.
Aus vielen Angaben im Leben des Bischofs Patteson395 geht zur Evidenz hervor, daß die Melanesier der Neuen Hebriden und der benachbarten Archipele in einem ganz außerordentlichen Grade an Krankheiten litten und in großer Zahl umkamen, als sie nach Neu-Seeland, der Norfolk-Insel und andern gesunden Orten gebracht wurden, um zu Missionären erzogen zu werden.
Die Abnahme der eingeborenen Bevölkerung der Sandwich-Inseln ist ebenso notorisch, wie die von Neu-Seeland. Von den eines Urtheils am meisten Fähigen ist nach ungefährer Schätzung angegeben worden, daß, als Cook die Inseln im Jahre 1779 entdeckte, ihre Bevölkerung ungefähr 300 000 betrug. Nach einer oberflächlichen Zählung im Jahre 1823 bestand dieselbe aus 142 050 Seelen. Im Jahre 1832 und in verschiedenen späteren Zeiten wurde eine genaue Volkszählung officiell vorgenommen. Ich bin aber nur im Stande gewesen, die folgenden Resultate zu erhalten.
Jahr | Eingeborne Bevölkerung (mit Ausnahme von 1832 und 1836, wo die wenigen Fremden mit eingerechnet wurden). | Jährliches procentisches Abnahmeverhältnis, unter der Annahme, daß es zwischen zwei auf einander folgenden Zählungen gleich blieb, da diese nach regelmäßigen Zwischenräumen angestellt wurden. |
1832 | 130313 | |
1836 | 108579 | 4,46 |
1853 | 71019 | 2,47 |
1860 | 67084 | 0,81 |
1866 | 58765 | 2,18 |
1872 | 51531 | 2,17 |
Wir sehen hier, daß in dem Zeitraume von vierzig Jahren, zwischen 1832 und 1872, die Bevölkerung um nicht weniger als achtundsechzig Procent abgenommen hat! Dies ist von den meisten Schriftstellern auf die Lüderlichkeit der Frauen, die früheren blutigen Kriege, die schwere, den erorberten Stämmen auferlegte Arbeit und neu eingeführte Krankheiten, welche sich bei verschiedenen Gelegenheiten als äußerst zerstörend erwiesen haben, geschoben worden. Ohne Zweifel sind diese und andre ähnliche Ursachen in hohem Grade wirksam gewesen und können wohl das außerordentliche Abnahmeverhältnis zwischen den Jahren 1832 und 1836 erklären; die wirksamste von allen Ursachen scheint aber die verringerte Fruchtbarkeit zu sein. Einer Angabe des Dr. Ruschenberger, von der Marine der Vereinigten Staaten, zufolge, welcher diese Inseln zwischen 1835 und 1837 besuchte, hatten in einem District von Hawaii nur fünfundzwanzig Männer unter 1134 und in einem andern District nur zehn unter 637 eine Familie mit drei Kindern. Von achtzig verheiratheten Frauen hatten nur neununddreißig überhaupt Kinder geboren, und »der officielle Bericht giebt als Mittel nur ein halbes Kind jedem verheiratheten Paare auf der ganzen Insel«. Dies ist fast genau dieselbe Mittelzahl wie bei den Tasmaniern in Oyster Cove. Jarves, dessen Geschichte 1843 erschien, sagt, daß »Familien, welche drei »Kinder haben, frei von allen Steuern sind; diejenigen, welche mehr »haben, werden durch Geschenke an Land und andere Aufmunterungen »belohnt«. Dies ganz beispiellose Vorgehen der Regierung zeigt klar, wie unfruchtbar die Rasse geworden war. Ein Geistlicher, A. Bishop, erklärte im »Hawaiischen Spectator« 1839, daß eine große Anzahl von Kindern in frühem Alter sterben; und Bischof Staley theilt mir mit, daß dies noch immer der Fall ist, genau wie in Neu-Seeland. Dies ist der Vernachlässigung der Kinder durch die Frauen zugeschrieben worden, ist aber wahrscheinlich zum großen Theile Folge der angebornen Schwäche der Constitution bei den Kindern, die zu der verringerten Fruchtbarkeit der Eltern in Beziehung steht. Es besteht überdies noch eine weitere Ähnlichkeit mit dem Fall von Neu-Seeland, in der Thatsache nämlich, daß ein Überschuß von männlichen über weibliche Geburten statthat. Die Volkszählung von 1872 ergiebt 31 650 männliche auf 25 247 weibliche Individuen jeden Alters, das sind 125,36 männliche auf je 100 weibliche, während in allen civilisierten Ländern die weiblichen Individuen die männlichen überwiegen. Ohne Zweifel mag die Lüderlichkeit der Frauen zum Theil ihre geringe Fruchtbarkeit erklären; aber die Änderung ihrer Lebensgewohnheiten ist eine viel wahrscheinlichere Ursache, welche auch gleichzeitig die vermehrte Sterblichkeit, besonders der Kinder, erklären dürfte. Die Inseln wurden von Cook im Jahre 1779, von Vancouver 1794 und später häufig von Walfischjägern besucht. Im Jahre 1819 kamen Missionäre an und fanden, daß der König den Götzendienst bereits beseitigt und andere Veränderungen bewirkt hatte. Nach dieser Zeit fand eine rapide Veränderung in fast allen Lebensgewohnheiten der Eingebornen statt und sie wurden bald »die civilisiertesten der Inselbewohner des Stillen Oceans«. Einer meiner Gewährsmänner, Mr. Coan, welcher auf den Inseln geboren ist, bemerkt, daß die Eingebornen im Verlaufe von fünfzig Jahren eine größere Veränderung in ihren Lebensgewohnheiten durchgemacht haben, als die Engländer während eines Tausend von Jahren. Aus Mittheilungen, die ich von Bischof Staley erhielt, geht nicht hervor, daß die ärmeren Classen jemals ihre Nahrungsart sehr verändert haben, obschon viele neue Früchte eingeführt worden sind und das Zuckerrohr in ganz allgemeinem Gebrauche ist. In Folge ihrer Leidenschaft, den Europäern nachzuahmen, haben sie indessen schon zu einer frühen Zeit ihre Art sich zu kleiden geändert; auch ist der Gebrauch spirituöser Getränke sehr allgemein geworden. Obgleich diese Veränderungen unbeträchtlich erscheinen, kann ich nach dem, was in Bezug auf Thiere bekannt ist, wohl glauben, daß sie hinreichen dürften, die Fruchtbarkeit der Eingeborenen zu verringern.396
Endlich giebt Mr. Macnamara an,397 daß die niedrigstehenden und herabgekommenen Bewohner der Andaman-Inseln, auf der östlichen Seite des Meerbusens von Bengalen, »für jede Veränderung des Klimas außerordentlich empfindlich sind: in der That, wollte man sie von ihren heimischen Inseln wegnehmen, so würden sie beinahe sicher sterben, und zwar unabhängig von der Nahrung oder äußerlichen Einflüssen«. Er führt ferner an, daß die Bewohner des Thales von Nepaul, welches im Sommer außerordentlich heiß ist, und ebenso die verschiedenen Bergstämme in Indien an Dysenterie