Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
Читать онлайн книгу.haben. Nach dem aber, was wir von der Lebensweise der Thiere wissen, ist diese Ansicht kaum wahrscheinlich, da das Männchen allgemein begierig ist, sich mit irgend einem Weibchen zu paaren. Es ist wahrscheinlicher, daß die, beiden Geschlechtern gemeinsam zukommenden Zierden von einem Geschlechte, und zwar im Allgemeinen dem männlichen, erlangt und dann den Nachkommen beider Geschlechter überliefert wurden. Wenn allerdings während einer langdauernden Periode die Männchen irgend einer Species bedeutend die Weibchen an Zahl überträfen und dann während einer gleichfalls lange andauernden Periode unter verschiedenen Lebensbedingungen das Umgekehrte einträte, so könnte leicht ein doppelter, aber nicht gleichzeitiger Proceß der geschlechtlichen Zuchtwahl in Thätigkeit treten, durch welchen die beiden Geschlechter sehr von einander verschieden gemacht werden könnten.
Wir werden später sehen, daß viele Thiere existieren, bei denen weder das eine noch das andere Geschlecht brillant gefärbt oder mit speciellen Zierathen versehen ist, und bei denen doch die Individuen beider Geschlechter oder nur des einen wahrscheinlich durch geschlechtliche Zuchtwahl einfache Farben, wie weiß oder schwarz, erlangt haben. Die Abwesenheit glänzender Farben oder anderer Zierathen kann das Resultat davon sein, daß Abänderungen der richtigen Art niemals vorgekommen sind oder daß die Thiere selbst einfache Farben, wie schlichtes Schwarz oder Weiß, vorgezogen haben. Düstere Farben sind oft durch natürliche Zuchtwahl zum Zweck des Schutzes erlangt worden, und die Entwicklung auffallender Farben durch geschlechtliche Zuchtwahl scheint durch die damit verbundene Gefahr zuweilen gehemmt worden zu sein. In andern Fällen aber dürften die Männchen wahrscheinlich lange Zeit hindurch mit einander um den Besitz der Weibchen gekämpft haben; und doch wird keine Wirkung erreicht worden sein, wenn nicht von den erfolgreicheren Männchen eine größere Zahl von Nachkommen zur weiteren Vererbung ihrer Superiorität hinterlassen worden ist, als von den weniger erfolgreichen Männchen; und dies hängt, wie früher gezeigt wurde, von verschiedenen complicierten Zufälligkeiten ab.
Geschlechtliche Zuchtwahl wirkt in einer weniger rigorosen Weise als natürliche Zuchtwahl. Die letztere erreicht ihre Wirkungen durch das Leben oder den Tod, auf allen Altersstufen, der mehr oder weniger erfolgreichen Individuen. In der That folgt zwar der Tod auch nicht selten dem Streite rivalisierender Männchen. Aber allgemein gelingt es nur dem weniger erfolgreichen Männchen nicht, sich ein Weibchen zu verschaffen, oder dasselbe erlangt später in der Jahreszeit ein übriggebliebenes und weniger kräftiges Weibchen, oder erlangt, wenn die Art polygam ist, weniger Weibchen, so daß es weniger oder minder kräftige oder gar keine Nachkommen hinterläßt. Was die Structurverhältnisse betrifft, welche durch gewöhnliche oder natürliche Zuchtwahl erlangt werden, so findet sich in den meisten Fällen, solange die Lebensbedingungen dieselben bleiben, eine Grenze, bis zu welcher die vorteilhaften Modificationen in Bezug auf gewisse specielle Zwecke sich steigern können. Was aber die Structurverhältnisse betrifft, welche dazu führen, das eine Männchen über das andere siegreich zu machen, sei es im directen Kampfe oder im Gewinnen des Weibchens durch allerhand Reize, so findet sich für den Betrag vortheilhafter Modificationen keine bestimmte Grenze, so daß die Arbeit der geschlechtlichen Zuchtwahl so lange fortgehen wird, als die gehörigen Abänderungen auftreten. Dieser Umstand kann zum Theil den häufigen und außerordentlichen Betrag von Variabilität erklären, welchen die secundären Geschlechtscharaktere darbieten. Nichtsdestoweniger wird aber die natürliche Zuchtwahl immer entscheiden, daß die siegreichen Männchen keine Charaktere solcher Art erlangen, wenn dieselben für sie in irgend hohem Grade schädlich sein würden, sei es daß zu viel Lebenskraft auf dieselben verwendet würde, oder daß die Thiere dadurch irgend großen Gefahren ausgesetzt würden. Es ist indeß die Entwicklung gewisser solcher Bildungen – z. B. des Geweihes bei manchen Hirscharten – bis zu einem wunderbaren Extreme geführt worden und in manchen Fällen bis zu einem Extreme, welches, soweit die allgemeinen Lebensbedingungen in Betracht kommen, für das Männchen von einem unbedeutenden Nachtheile sein muß. Aus dieser Thatsache lernen wir, daß die Vortheile, welche die begünstigten Männchen aus dem Siege über andere Männchen im Kampfe oder in der Bewerbung erlangt haben, wodurch sie auch in den Stand gesetzt wurden, eine zahlreichere Nachkommenschaft zu hinterlassen, auf die Länge bedeutender gewesen sind als diejenigen, welche aus einer vielleicht etwas vollkommeneren Anpassung an die äußeren Lebensbedingungen resultieren. Wir werden ferner sehen, und dies hätte sich niemals voraus erkennen lassen, daß das Vermögen, das Weibchen durch Reize zu fesseln, in einigen wenigen Fällen von größerer Bedeutung gewesen ist als das Vermögen andere Männchen im Kampf zu besiegen.
Fußnote
443 Über den Gorilla s. Savage und Wyman in: Boston Journ. of Natur. Hist. Vol. V. 1845-47, p. 423. Über Cynocephalus s. Brehm, Illustriertes Thiereben. 2. Aufl. Bd. I. 1876, p. 159. Über Mycetes s. Rengger, Naturgesch. d. Säugethiere von Paraguay. 1830, p. 14, 20. Über Cebus s. Brehm, a. a. O. p. 201.
444 Pallas, Spicilegia zoologica Fascic. XII. 1777, p. 29. Sir Andrew Smith, Illustrations of the Zoology of South Africa. 1849, pl. 29 über den Kobus. Owen giebt in seiner Anatomy of Vertebrates, Vol. III, 1868, p. 633, eine Tabelle, welche unter Anderem auch zeigt, welche Arten von Antilopen in Herden leben.
445 Dr. Campbell in: Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 138. s. auch einen interessanten Aufsatz von Lieutenant Johnstone in: Proceed. Asiatic. Soc. of Bengal, May, 1868.
446 Dr. Gray in: Annals and Mag. of Nat. Hist. 1871. Vol. VII, p. 302.
447 s. Dr. Dobson's vortrefflichen Aufsatz in: Proceed. Zool. Soc. 1872, p. 214
448 The Eared Seals, in: American Naturalist. Vol. IV, Jan. 1871.
449 The Ibis. Vol. III. 1861, p. 133, über den Progne-Wittwenvogel. s. auch über Vidua axillaris ebenda, Vol. II. 1860, p. 211. Über die Polygamie des Auerhahns und der großen Trappe s. L. Lloyd, Game Birds of Sweden. 1867, p. 19 und 182. Montagu und Selby sprechen vom Birkhuhne als einem polygamen, vom Schneehuhne als einem monogamen Vogel.
450 Noel Humphreys, River Gardens, 1857.
451 Kirby and Spence, Introduction to Entomology. Vol. III. 1826, p. 342
452 Ein parasitisches Insect aus der Ordnung der Hymenopteren bietet (vgl. Westwood, Modern Classific. of Insects. Vol. II, p. 160) eine Ausnahme von dieser Regel dar, da das Männchen rudimentäre Flügel hat und niemals die Zelle, in welcher es geboren wurde, verläßt, während das Weibchen gut entwickelte Flügel besitzt. Audouin glaubt, daß die Weibchen dieser Species von den Männchen befruchtet werden, welche mit ihnen in derselben Zelle geboren werden; es ist aber viel wahrscheinlicher, daß die Weibchen andere Zellen besuchen und dadurch nahe Inzucht vermeiden. Wir werden später einigen wenigen exceptionellen Fällen aus verschiedenen Classen begegnen, wo das Weibchen anstatt des Männchens der aufsuchende und werbende Theil ist.
453 Essays and Observations, edited bei Owen. Vol. I. 1861, p. 174.
454 Prof. Sachs (Lehrbuch der Botanik, 1870, p. 633) bemerkt bei der Schilderung der männlichen und weiblichen reproductiven Zellen: »es verhält sich die eine bei der Vereinigung activ, ... die andere erscheint bei der Vereinigung passiv«.