Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

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Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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gedrehten Enden seines Schnurrbarts küßte:

      »Du weißt noch gar nicht, mein Liebling, welchen Verdruß ich wieder habe. Ich freute mich schon auf einen wundervollen Honigmonat mit dir, und nun kommt plötzlich mein Mann für sechs Wochen zurück. Er hat Urlaub genommen. Ich kann aber nicht sechs Wochen leben, ohne dich zu sehen, besonders nach unserem kleinen Zwist, und ich habe deshalb die Dinge so arrangiert: Ich lade dich Montag zum Essen ein. Ich habe ihm schon von dir erzählt und werde dich ihm vorstellen.«

      Duroy war etwas überrascht und zauderte; er hatte noch nie mit einem Mann verkehrt, dessen Frau seine Geliebte war. Er fürchtete, irgend etwas, eine gewisse Verlegenheit, ein Blick könnte ihn verraten. Er stammelte:

      »Nein, ich möchte lieber deinen Mann nicht kennenlernen.«

      Sie war sehr erstaunt und tat ihre naiven Augen weit auf, doch sie bestand darauf.

      »Warum denn nicht? Wie kann man bloß so komisch sein? Das kommt doch alle Tage vor! Ich hatte dich wirklich nicht für so einfältig gehalten.«

      Ihre Worte verletzten ihn.

      »Nun gut, meinetwegen,« sagte er, »ich komme Montag zum Essen.«

      Sie setzte hinzu:

      »Damit es natürlicher aussieht, werde ich noch Forestier einladen. Eigentlich macht es mir wenig Spaß, Gäste bei mir zu haben.«

      Die Tage bis zum Montag dachte Duroy nicht mehr an die bevorstehende Bekanntschaft; aber als er die Treppe zu Madame de Marelle hinaufging, fühlte er sich seltsam beunruhigt, nicht weil es ihm widerstrebte, die Hand dieses Mannes zu drücken, oder seine Gastfreundschaft anzunehmen, sondern er fürchtete etwas, worüber er nicht klar war.

      Er wurde in den Salon geführt und er mußte, wie immer, warten. Dann öffnete sich die Tür und er erblickte einen großen Mann mit weißem Vollbart, ernst und sehr korrekt, der auf ihn zukam, und mit peinlicher Höflichkeit sagte:

      »Meine Frau hat öfters von Ihnen gesprochen, und ich bin entzückt, Sie kennenzulernen.«

      Duroy schritt ihm entgegen, versuchte seinem Gesicht einen Ausdruck von Herzlichkeit zu geben und drückte etwas übertrieben energisch die Hand seines Gastgebers. Dann setzten sie sich, aber er wußte nicht, wie er die Unterhaltung beginnen sollte.

      Herr de Marelle legte ein Stück Holz ins Feuer und fragte:

      »Sind Sie schon lange im Journalismus tätig?«

      »Nein, erst ein paar Monate«, antwortete Duroy.

      »Dann sind Sie aber schnell vorwärts gekommen.«

      »Ja, ziemlich schnell.« Und er sprach weiter, was ihm gerade durch den Kopf fuhr, mit allen nichtssagenden Redensarten, die man so oft unter wenig bekannten Leuten anwendet. Er beruhigte sich allmählich und begann, die ganze Situation sehr komisch zu finden. Er betrachtete die ernsthafte und ehrwürdige Gestalt von Herrn de Marelle, und auf seinen Lippen zuckte ein Lächeln, wenn er sich sagte: »Du, ich setze dir Hörner auf, mein Alter, ich setze dir Hörner auf!« Ihn erfüllte eine schadenfrohe, innere Genugtuung, die Befriedigung eines erfolgreichen Diebes, auf den man keinen Verdacht hat, eine spitzbübische, köstliche Freude. Plötzlich hatte er das Verlangen, ein Freund dieses Mannes zu werden, sein Vertrauen zu gewinnen und die Geheimnisse seines Lebens kennenzulernen. In diesem Augenblick trat Madame de Marelle ein, betrachtete beide mit lächelndem, undurchdringlichem Blick und ging dann auf Duroy zu, der ihr in Gegenwart des Mannes nicht die Hand zu küssen wagte, wie er es sonst tat.

      Sie war ruhig und lustig wie eine Frau, die an alles gewöhnt war und die in ihrer angeborenen Verdorbenheit diese Begegnung ganz natürlich und einfach fand. Dann kam Laurine und hielt kühler als sonst Duroy ihre Stirn hin; die Gegenwart ihres Vaters machte sie schüchtern.

      »Nun,« sagte die Mutter, »heute nennst du Herrn Duroy nicht mehr Bel-Ami?«

      Das Kind errötete, als hätte man eine große Indiskretion begangen, etwas verraten, was man nicht sagen darf, ein Geheimnis ihres Herzens ausgeplaudert.

      Als das Ehepaar Forestier kam, war man über das Aussehen von Charles entsetzt. In der letzten Woche war er furchtbar blaß und mager geworden und hustete unaufhörlich. Er erzählte, daß sie auf Anordnung des Arztes nächsten Donnerstag nach Cannes führen.

      Sie gingen frühzeitig nach Hause und kopfschüttelnd sagte Duroy:

      »Es geht ihm sehr schlecht. Ich glaube kaum, daß er noch lange leben wird.«

      »Oh, er ist verloren«, erwiderte Madame de Marelle mit Überzeugung. »Hat er ein Glück gehabt, so eine Frau zu finden!«

      »Hilft sie ihm viel?« fragte Duroy.

      »Und wie! Sie macht alles. Sie ist über alles im Bilde, sie kennt jeden Menschen, und tut dabei so, als sehe sie niemanden. Sie setzt durch, was sie will, wie sie will und wann sie will. Oh, sie ist klug, geschickt und intrigant wie keine! Für einen Mann, der vorwärts kommen will, ist sie ein Schatz.«

      »Sie würde bestimmt bald wieder heiraten«, sagte Georges.

      »Ja,« antwortete Madame de Marelle, »ich wäre gar nicht erstaunt, wenn sie jetzt schon jemanden in Sicht hätte … einen Abgeordneten … vorausgesetzt … daß er nicht nein sagt … denn … denn es gibt schwere Hindernisse … moralischer Art. Übrigens, was weiß ich?«

      Herr de Marelle brummte etwas ungeduldig:

      »Du weißt, ich liebe nicht, wenn du solche Andeutungen machst. Mischen wir uns nie ein in die Angelegenheiten des anderen, es genügt, wenn man selbst ein ruhiges Gewissen bewahrt. Das sollte für jeden ein Gesetz sein.«

      Duroy verabschiedete sich etwas verwirrt, und unklare Kombinationen schwirrten durch seinen Kopf.

      Als er am nächsten Tag Forestiers besuchte, traf er sie beim Packen. Charles lag auf einem Diwan, atmete schwer und wiederholte immer:

      »Ich hätte vor einem Monat reisen sollen.«

      Dann gab er Duroy eine Reihe Aufträge für die Zeitung, obwohl alles schon mit Herrn Walter geregelt und besprochen war. Als Georges ging, drückte er ihm lebhaft die Hand und sagte:

      »Also, auf baldiges Wiedersehen, alter Freund!«

      Madame Forestier begleitete ihn bis zur Tür und er sagte ihr mit plötzlicher Herzlichkeit:

      »Vergessen Sie nicht unsere Vereinbarung. Wir sind Freunde und Verbündete, nicht wahr? Also, wenn Sie mich brauchen, zögern Sie nicht, ein Telegramm oder ein Brief — und ich gehorche.«

      »Danke, ich werde es nicht vergessen«, flüsterte sie.

      Und ihre Augen sagten ihm: »Danke«, mit einem tiefen, innigen Blick.

      Als Duroy die Treppe hinunterging, begegnete er dem Grafen Vaudrec, den er schon einmal bei ihr gesehen hatte, und der langsam die Treppe heraufkam. Der Graf schien traurig zu sein, vielleicht wegen der Abreise.

      Der Journalist wollte sich als Weltmann zeigen und grüßte ihn außerordentlich zuvorkommend.

      Der Graf erwiderte seinen Gruß höflich, aber etwas von oben herab.

      Am Donnerstag abend reiste das Ehepaar Forestier ab.

      VII.

       Inhaltsverzeichnis

      Forestiers Abwesenheit machte die Stellung Duroys in der Redaktion der Vie Française noch einflußreicher. Außer den Lokalberichten unterzeichnete er auch mehrere Leitartikel, denn der Chef verlangte, daß ein jeder die Verantwortung für seine Aufsätze selbst trüge. Er hatte hin und wieder kleine Zeitungsfehden, die er stets geistreich und geschickt durchfocht, und seine fortwährenden Beziehungen zu Staatsmännern bereiteten ihn allmählich darauf vor, ein gewandter und scharfblickender Redakteur zu werden.

      Er sah nur einen dunklen Punkt an seinem Horizont.


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