Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

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Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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Stoff bezogen; die ganze Einrichtung war von einer wunderbaren Feinheit.

      Georges erkannte in der Menge die Pariser Berühmtheiten, die Herzogin de Terracine, den Grafen und die Gräfin Ravenel, den General Prinz d’Andremont, die bildschöne Marquise des Dunes, und dann alle die Herren und Damen, die man gewöhnlich bei Premieren sieht.

      Plötzlich faßte ihn jemand am Arm und eine junge und frohe Stimme flüsterte ihm ins Ohr:

      »Ah, da sind Sie endlich, böser Bel-Ami. Warum lassen Sie sich denn gar nicht mehr sehen?«

      Es war Suzanne Walter, die ihn mit ihren feinen Emailleaugen unter den krausen, blonden Locken ihres Haares ansah.

      Er war entzückt, sie wieder zu sehen und drückte ihr offenherzig die Hand. Dann entschuldigte er sich.

      »Ich konnte nicht. Ich habe so viel zu tun; seit zwei Monaten bin ich gar nicht ausgegangen.«

      »Das ist gar nicht nett,« sagte sie ernsthaft, »sogar sehr, sehr häßlich, Sie haben uns viel Kummer bereitet, Mama und mir, denn wir lieben Sie beide sehr. Ich kann Sie überhaupt nicht mehr entbehren. Ich langweile mich zu Tode, wenn Sie nicht da sind. Sie sehen, ich sage Ihnen das ganz offen, damit Sie nicht mehr das Recht haben, so von der Oberfläche zu verschwinden. Geben Sie mir Ihren Arm, ich will Ihnen selbst ‘Jesus auf dem Meere schreitend’ zeigen. Das Bild hängt drüben hinter dem Wintergarten. Papa hat extra diesen Platz gewählt, damit man durch alle Räume gehen muß. Es ist direkt erstaunlich, wie Papa mit diesem Hause renommiert.«

      Sie gingen langsam durch die Menge. Man drehte sich um und blickte diesem schönen jungen Mann und dieser entzückenden Puppe nach.

      Ein bekannter Maler meinte:

      »Dieses Paar ist tatsächlich sehr hübsch und reizend.«

      Georges dachte:

      »Wenn ich wirklich stark wäre, müßte ich die heiraten. Es wäre doch möglich. Warum habe ich nie daran gedacht? Wie konnte ich nur die andere nehmen? Wie töricht! Man handelt immer zu schnell und denkt nie genügend nach.«

      Und der Neid, der bittere Neid, fiel tropfenweise in sein Herz wie Galle, die ihm alle seine Freude verdarb und sein ganzes Leben verhaßt machte.

      Suzanne sagte:

      »Oh, kommen Sie recht oft, Bel-Ami, wir können jetzt, wo Papa nun so reich ist, Streiche und Dummheiten unternehmen und uns wie toll amüsieren.«

      Er folgte noch immer seinem Gedankengang und antwortete :

      »Oh, Sie werden jetzt bald heiraten; Sie werden einen schönen, vielleicht etwas ruinierten Prinzen heiraten, und wir werden uns nicht mehr sehen.«

      Sie rief offenherzig aus :

      »O nein, noch nicht. Ich will jemanden, der mir gefällt, den ich sehr gern hätte, den ich sogar lieb hätte. Geld habe ich für beide genug.«

      Er lächelte ironisch und hochmütig und begann die Namen der Vorübergebenden zu nennen, alles sehr vornehme Leute, die ihre verrosteten Adelsschilder an Töchter reicher Finanzleute so gern verkauft hatten, die nun mit ihren Frauen oder auch ohne sie lebten, jedenfalls frei, unverschämt und doch bekannt und geachtet.

      Er fuhr fort:

      »Es vergehen keine sechs Monate und Sie haben auf diesen Köder angebissen. Sie werden Marquise, Herzogin oder Fürstin, und Sie werden dann auf mich von oben herabblicken, mein liebes Fräulein.«

      Entrüstet schlug sie ihm mit dem Fächer auf den Arm und schwor, sie würde nur aus Liebe heiraten.

      Er grinste:

      »Wir werden es sehen. Ich glaube, Sie sind zu reich.«

      Sie sagte:

      »Sie doch auch. Sie haben doch eine Erbschaft angetreten.«

      Er stieß mitleidig ein »Oh« aus.

      »Sprechen wir nicht davon, kaum 20000 im Jahr. Das ist nicht viel heutzutage.«

      »Aber Ihre Frau hat auch geerbt?«

      »Ja, es war eine Million für uns beide. 40000 Francs Einkommen. Wir können uns damit nicht mal eine Equipage leisten.«

      Sie gelangten in den letzten Saal, vor ihnen tat sich ein großer Wintergarten auf, mit hochragenden, tropischen Bäumen und einer Menge seltener Blumen. Über dieses dunkle Grün glitt das Licht in silbernen Wogen und man atmete die laue Frische der feuchten Erde und die verschiedensten Wohlgerüche ein. Man hatte dabei ein seltsames, gesundes; aber angenehmes und bezauberndes Empfinden der künstlichen, reizvollen und entnervten Natur. Man schritt auf Teppichen, die weich wie das Moos waren, zwischen dichten Beeten mit Gebüschen und Blattpflanzen. Plötzlich erblickte Du Roy zur Linken unter einer weiten Wölbung von Palmen ein riesiges Marmorbassin, so groß, daß man darin baden konnte. Am Rande standen vier weiße Delfter Porzellanschwäne, aus deren halbgeöffneten Schnäbeln das Wasser in das Becken floß. Der Boden des Bassins war mit Goldsand bestreut, und man sah im Wasser ein paar große rote Fische schwimmen, seltsame chinesische Ungetüme mit hervorstehenden Augen, mit blau geränderten Schuppen, eine Art Mandarine der Fluten; sie schwammen über den goldenen Grund und sahen wie seltsame lebende Stickereien aus.

      Der Journalist blieb stehen; sein Herz klopfte. Er dachte:

      »Das ist ein Luxus! In solchen Häusern lohnt es zu leben. Anderen ist das gelungen, warum sollte ich es nicht so weit bringen können.«

      Er sann über die Möglichkeit und über die Mittel nach, fand aber keine und ärgerte sich über seine Ohnmacht.

      Seine Begleiterin sprach nicht mehr und blickte nachdenklich vor sich hin. Er betrachtete sie von der Seite und dachte noch einmal: »Es genügt doch, einfach diese lebende Puppe zu heiraten.« Doch Suzanne schien plötzlich aufzuwachen.

      »Passen Sie auf«, sagte sie.

      Sie stieß Georges durch eine Gruppe von Menschen, die ihnen im Wege standen und führte ihn plötzlich nach rechts.

      Mitten in einem Gebüsch von seltsamen Pflanzen, deren zitternde Blätter gespreizten Händen mit langen, dünnen Fingern glichen, sah man einen Mann, der unbeweglich auf dem Meere stand.

      Der Eindruck war überwältigend. Die Ränder des Bildes waren durch das bewegliche Grün verdeckt und so erschien es wie eine dunkle Öffnung, durch die man in der phantastischen märchenhaften Ferne eine ergreifende Gestalt sah.

      Man mußte das Gemälde sehr genau betrachten, um es zu verstehen. Der Rahmen durchschnitt gerade die Mitte des Kahnes, in dem die Apostel saßen. Sie waren nur schwach durch die schrägen Strahlen einer Laterne beleuchtet. Einer von ihnen, der am Rande des Kahnes saß, ließ das helle Licht auf Jesus fallen. Christus näherte sich und trat auf eine Woge; man sah, wie sie sich überschlug und ergeben und zärtlich glättete vor dem göttlichen Fuß, der sie niedertrat. Rings um den Gottessohn war alles dunkel. Nur die Sterne glänzten am Himmel.

      Die Gesichter der Apostel waren unbestimmt beleuchtet durch ein Licht, das der eine in der Hand trug und auf den Heiland zeigte. Sie schienen vor Staunen erstarrt zu sein.

      Das war wirklich das mächtige, unverhoffte Kunstwerk eines Meisters, eine jener Schöpfungen, die uns im Innersten ergreifen und uns jahrelang davon träumen lassen.

      Die Menschen, die dieses Werk betrachteten, blieben zunächst stumm und unbeweglich stehen, dann gingen sie nachdenklich weiter und sprachen nachher nur vom Bild und der wundervollen Malerei.

      Du Roy besah es sich eine Weile und erklärte:

      »Es muß doch hübsch sein, sich solche Kostbarkeiten leisten zu können.«

      Aber die Menge drängte sich um ihn und stieß ihn, um sehen zu können. — Er ging weiter, ohne die Hand Suzannes, die auf seinem Arm ruhte und die er leicht an sich preßte, loszulassen.

      Sie sagte:

      »Nehmen Sie ein Glas Champagner, kommen Sie ans Büfett, wir werden dort sicher Papa treffen.«

      Und


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