Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant

Читать онлайн книгу.

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


Скачать книгу
Wetter während der Nacht milder geworden. Die Luft war lau, und die Sonne schien wie im April.

      An diesem Morgen hatten sich alle ständigen Besucher des Bois, der freundlichen Lockung des schönen Wetters folgend, draußen zusammengefunden.

      Duroy ging langsam und sog die leichte, köstliche Luft ein, wie einen Leckerbissen, den der Frühling bot. Am Arc de Triomphe vorüber schritt er die große Allee hinunter, auf der dem Reitweg gegenüberliegenden Seite. Er blickte den vorübertrabenden oder galoppierenden Herren und Damen, den Reichen dieser Erde nach, und beneidete sie eigentlich kaum. Er wußte von beinahe allen die Namen, wußte wie viel Geld sie hatten und kannte die Heimlichkeiten ihres Lebens, da sein Beruf ihn tiefe Blicke hatte thun lassen in das Dasein der Berühmtheiten und in alle Pariser Skandalgeschichten.

      Reiterinnen kamen vorbei, schlank, in dunklen Reitkleidern, mit jenem stolzen, unnahbaren Blick, den viele Frauen zu Pferde haben. Und Duroy machte es Spaß, halblaut, wie die Litanei in der Kirche, Namen, Titel und Eigenschaften der Liebhaber, die sie gehabt hatten, oder die man ihnen nachsagte, für sich aufzuzählen. Und manchmal sogar statt:

      Baron de Tanquelet

       Prinz de la Tour-Enguerrand.

      murmelte er:

      – Fraction »Lesbos«.

      Luise Michot vom Vaudeville

       Rosa Marquetin von der Oper.

      Dies Spiel machte ihm Spaß, als ob er unter dem strengen, äußeren Schein die sich überall wiederholende tiefe Gemeinheit des Menschen erkannt, und als ob ihn das freute, ihn erregte und tröstete.

      Dann sagte er laut: »Heuchlerbande«, und spähte nach den Reitern, über die am meisten erzählt ward.

      Er sah eine Menge, die im Verdacht standen falsch zu spielen, und für die die Clubs die große Geldquelle waren, die einzige Quelle und jedenfalls eine ziemlich verdächtige.

      Dieser bekannte Mann da lebte nur vom Gelde seiner Frau, wie allgemein bekannt. Jener wie man behauptete vom Geld seiner Maitresse. Der da hatte seine Schulden bezahlt – was ja sonst ganz ehrenhaft – ohne daß man je hätte herausbringen können, woher er eigentlich das erforderliche Geld gekriegt hatte.

      Er sah Herren der Groß-Finanz, deren riesiges Vermögen von einem Diebstahl stammte, die man aber überall empfing, auch in den besten Häusern, und dann Männer, die sogar allgemeine Achtung genossen, so daß der kleine Mann, der ihnen begegnete, die Mütze zog, aber deren unverfrorene Finanzoperationen bei großen, nationalen Unternehmungen keinem unbekannt waren, der nur ein wenig tiefer blickte.

      Alle sahen stolz drein, blickten frech um sich, die mit Vollbart, wie die mit Schnurrbart.

      Duroy lächelte vor sich hin und sagte sich: – Eine nette Gesellschaft, verfluchtes Gesindel.

      Da kam ein offener reizender, niedriger Wagen vorüber, im schlanken Trabe von zwei kleinen Schimmeln gezogen, deren Mähne und Schwanz flatterten. Eine junge, blonde Dame kutschierte, eine bekannte Halbweltlerin, zwei Diener saßen hinten auf. Duroy blieb stehen. Er hatte Lust zu grüßen, um diesem Emporkömmling der Liebe, der unverschämt, öffentlich, frech den Luxus, den er sich auf der Matratze verdient, zeigte, seinen Beifall zu bezeugen.

      Vielleicht hatte er ein unbestimmtes Gefühl, als ob zwischen ihnen etwas Gemeinsames wäre, ein natürliches Band, als wären er und sie von der gleichen Art und Rasse, er der seine Erfolge einem ähnlichen dreisten Vorgehen zu verdanken hatte.

      Er kehrte langsam zurück, er fühlte sich befriedigt, und er kam etwas vor der Zeit an das Haus der ehemaligen Geliebten.

      Sie empfing ihn mit einem Kuß, als ob sie nie miteinander gebrochen hätten, und vergaß sogar ein paar Augenblicke die Vorsicht, die sie sonst zu Haus bei ihren Liebkosungen walten ließ. Dann küßte sie die gekräuselten Schnurrbartspitzen und sagte:

      – Nein, denke Dir bloß mal, Herzchen, was mir passiert ist, ich hoffte wir würden einen schönen Honigmond haben, da kommt plötzlich mein Mann auf sechs Wochen. Er hat Urlaub genommen. Aber ich muß Dich sehen in den sechs Wochen, vor allem nach unserem kleinen Zerwürfnis, und da habe ich mir etwas ausgedacht. Du wirst Montag zu Tisch eingeladen, ich habe ihm schon von Dir erzählt. Ich stelle Dich vor.

      Duroy zögerte ein wenig verlegen, denn er hatte noch nie einem Manne gegenüber gestanden, mit dessen Frau er intim verkehrte. Er fürchtete, er möchte sich durch etwas verraten, vielleicht durch Befangenheit, durch einen Blick, durch irgend etwas, und er stammelte:

      – Nein, ich möchte lieber Deinen Mann nicht kennen lernen.

      Sie war sehr erstaunt, blieb aber bei ihrem Wunsch, indem sie sich vor ihn hinstellte und ihn mit großen Augen naiv anblickte:

      – Aber warum denn nicht? Das ist zu albern! Das kommt doch alle Tage vor. Ich hätte Dich nicht für so thöricht gehalten.

      Duroy war beleidigt:

      – Gut, ich komme Montag zum Essen.

      Sie fügte noch hinzu:

      – Damit es nicht auffällt, sollen Forestiers auch da sein. Du weißt, ich liebe es sonst nicht, jemand bei mir zu sehen.

      Duroy dachte bis zum Montag nicht wieder an diese Begegnung; aber als er die Treppe zu Frau von Marelle hinaufstieg, war er doch etwas erregt, nicht etwa, weil er sich schämte die Hand des Gemahls zu nehmen, seinen Wein zu trinken und sein Brot zu essen, sondern er hatte eine unbestimmte Angst vor etwas, er wußte nur nicht wovor.

      Man ließ ihn in den Salon treten und er wartete wie immer.

      Da öffnete sich die Thür des Zimmers, und er erblickte einen großen Herrn mit weißem Bart, ein Ordensbändchen im Knopfloch, sehr würdig, der ihm artig entgegen kam mit den Worten:

      – Meine Frau hat mir oft von Ihnen erzählt und es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.

      Duroy ging ihm entgegen und versuchte sich besonders liebenswürdig zu geben. Er drückte übertrieben heftig die entgegen gestreckte Hand seines Wirtes, dann setzten sie sich, aber er wußte nicht was er sagen sollte.

      Herr von Marelle warf ein Stück Holz ins Feuer des Kamins und fragte:

      – Sind Sie schon lange Journalist?

      Duroy antwortete:

      – Erst seit ein paar Monaten.

      – O, dann haben Sie aber schnell Carrière gemacht.

      – Ja, sehr schnell; – und er redete drauf los ohne weiter zu überlegen, was er eigentlich sprach. Es fielen all die banalen Redensarten, die zwischen zwei Menschen gemacht werden, die sich nicht kennen. Allmählich ward er sicherer und fing an seine Lage ganz spaßhaft zu finden. Er sah das würdige, ernste Gesicht des Herrn von Marelle, und ihn kam die Lust an, zu lachen, indem er dachte: Na, mein Alter, Dir hab’ ich aber tüchtige Horner aufgesetzt. Eine heimliche, niederträchtige Befriedigung durchströmte ihn, wie etwa ein Dieb sich freut, dem sein Diebstahl geglückt ist, ohne daß man ihn in Verdacht hat. Ein köstliche, schurkische Freude! Er empfand plötzlich die Lust, Freund dieses Mannes zu werden, sein Vertrauen zu gewinnen, und ihm allerlei Intimitäten seines Lebens zu entlocken.

      Frau von Marelle trat plötzlich herein, und nachdem sie Duroy lächelnd und undurchdringlich angeblickt, ging sie auf ihn zu, der angesichts des Mannes nicht wagte, ihr die Hand zu küssen, wie er sonst immer that.

      Sie war ruhig und heiter, wie jemand der sich in alles schickt und der diese Begegnung ganz natürlich findet. Die kleine Laura erschien und kam auf Georg zu, um ihm artig wie sonst die Stirn zum Kuß zu bieten. Die Gegenwart des Vaters machte sie befangen. Die Mutter sagte:

      – Nun, nennst Du ihn denn heute nicht mehr Liebling?

      Das Kind ward rot, als wäre der Ausdruck eine große Indiskretion, als hätte die Mutter den Schleier gezogen von einem intimen, und ein wenig strafbaren Geheimnis ihrer Brust.

      Als Forestiers erschienen, war man erschrocken über Karls Aussehen; er war binnen einer Woche entsetzlich


Скачать книгу