Wahre Verbrechen: Morde am Fließband - Die bekanntesten Kriminalgeschichten aller Länder. Alexis Willibald

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Wahre Verbrechen: Morde am Fließband - Die bekanntesten Kriminalgeschichten aller Länder - Alexis Willibald


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auf dem Spiele.‹ Während Asio von außen eine Öffnung in die Mauer brach, half Benedetta von innen nach. Beide wurden nicht müde, mir vorzureden, welche fürchterlichen Strafen meiner warteten, wenn man durch die Untersuchung dahinterkäme, daß ich dem fleischlichen Umgange einer Nonne mit einem Manne Vorschub geleistet hätte. Sie malten mir solche schreckliche Bilder vor, daß ich mich endlich bereit erklärte, aus dem Kloster zu entweichen, wenn Osio mir versprechen wollte, mich in ein Nonnenkloster nach Bergamo zu bringen. Er versprach mir das, ich kleidete mich darauf wieder an und gelangte zusammen mit Benedetta durch die Öffnung der Mauer ins Freie, Osio geleitete uns an der Stadtmauer entlang, die wir an einer Stelle, wo sie eingestürzt war, überstiegen. Nachdem wir den Fluß Lambro eine kleine Strecke weit verfolgt hatten, kamen wir an die Kirche der Madonna delle Grazie. Ich schlug den andern vor, hier niederzuknieen und die Madonna anzurufen, daß sie uns auf unserem Wege in Gnaden schützen möchte. Mein Vorschlag wurde angenommen; unter der großen Tür der Kirche knieten wir nieder und beteten siebenmal das Salve Regina. Dann setzten wir unsere Wanderung fort und erreichten wiederum den Fluß Lambro. Ich glitt aus und fiel in das Wasser. Es war indes nicht tief, und ich fand bald Grund. Als ich mich an das Ufer arbeitete, zog Osio plötzlich ein Feuerrohr unter seinem Mantel hervor und schlug auf mich ein. Ich rief die heilige Maria von Loretto um Hilfe an, aber er hatte kein Erbarmen, sondern fuhr fort, mich auf den Kopf zu schlagen, ich weiß nicht wie oft. Als er gar den Hahn des Gewehres aufzog, fürchtete ich, daß er mich erschießen würde. Er feuerte jedoch nicht, sondern zerschlug mir die rechte Hand, mit der ich mich aufstützte, um das Ufer zu ersteigen. Schwester Benedetta stand etwas entfernt und bat den Osio, er möchte von mir ablassen. Ich verhielt mich nach den Schlägen auf die Hand ganz still, und Osio mochte deshalb glauben, daß ich tot wäre, und ging mit Benedetta weiter. Ich hatte nicht mehr die Kraft, an das Land zu kommen, das Wasser riß mich fort, aber mit Hilfe der heiligen Jungfrau, die ich bat, sie möchte mich nicht in meinen Sünden umkommen lassen, sondern mir Zeit zum Beichten gönnen, kam ich an eine seichte Stelle, an der man mich später gefunden hat. Ich hatte wohl schon drei Stunden dort gelegen, als endlich der Tag anbrach und ich einen Landmann entdeckte, der vorüberging. Ich rief ihn an und bat ihn, mich in sein Haus aufzunehmen und wenigstens eine Nacht bei sich zu behalten. Er schlug es mir jedoch ab und reichte mir nur einen Stock als Stütze, mit dessen Hilfe ich mich zum Kloster Maria delle Grazie schleppte.«

      An der von der verwundeten Schwester Ottavia bezeichneten Stelle wurde tatsächlich der blutige Schaft eines Feuerrohrs gefunden und dadurch die Erzählung der Nonne bestätigt. Sie wurde am 17. Dezember 1607 gefragt, ob sie bereit sei, ihre Angaben unter der Folter zu wiederholen. Sie bejahte es, setzte aber hinzu, unrichtig sei das eine, daß sie gesagt habe, sie sei in den Fluß Lambro gefallen. Sie sei nicht hineingefallen, sondern Osio habe sie hineingeworfen. Am 26. Dezember 1607 starb sie an ihren Wunden.

      Schon vorher, am 2. Dezember, hatte der Erzpriester Settala dem Kriminalvikar durch einen Eilboten anzeigen lassen, Schwester Benedetta sei in einem Brunnen bei Velate aufgefunden worden, ob tot oder lebendig, habe er nicht in Erfahrung bringen können. Augenblicklich eilten der Kriminalvikar und sein Notar in einer Karosse, begleitet von mehreren berittenen Dienern, an Ort und Stelle. Im Hause des Alberico de Albericis fanden sie eine Frauensperson in einem Bett liegend, deren Haupt mit Tüchern, wie sie Nonnen zu tragen pflegen, umhüllt war. Sie litt offenbar große Schmerzen und brach oft in laute Klagen aus. Auf Befragen sagte sie, daß sie Schwester Benedetta Homati aus dem Kloster Santa Margherita sei. Alberico sagte darüber, wie die Schwester in sein Haus gekommen sei, aus: »Als wir alle in der Kirche versammelt waren, hörten wir eine Stimme rufen: ›Helft mir, ich bin in diesem Brunnen!‹ Wir liefen nun an den einige Dutzend Schritte von der Kirche entfernten Brunnen und sahen, daß unten in der Tiefe ein Weib lag. Es stieg einer hinein und nahm ein Seil mit, mit dem sie herausgebracht wurde. Sie sagte, daß sie schon den vorigen Tag und die ganze Nacht im Brunnen gesteckt habe.« Der Vikar befahl ihr alsbald, aufzustehen und sich anzukleiden, damit sie nach Monza geschafft werden könne. Das geschah; sie wurde in das Kloster di Santa Orsola übergeführt, in dem, wie wir wissen, auch Schwester Ottavia ein Unterkommen erhalten hatte. Am 3. Dezember 1607 konnte Benedetta selbst im Kloster di Santa Arsola verhört werden, und zwar wurde sie als Hauptperson und als Zeugin eidlich abgehört. Ihre Aussage lautete: »Ich habe gewußt, daß Osio vertrauten Umgang mit Schwester Virginia unterhielt, und bin ihnen bei ihren Zusammenkünften behilflich gewesen. Am 29. November fragte Osio brieflich bei mir an, ob es wahr sei, daß Virginia infolge der Krimmaluntersuchung, die über das Kloster verhängt worden, bereits in ein anderes Kloster übergeführt sei. Ich antwortete ihm, das sei richtig, Virginia sei nach Milano gebracht worden, und ich müßte befürchten, ebenfalls in die Untersuchung verwickelt zu werden. Ich wollte deshalb lieber das Kloster heimlich verlassen und mich in ein anderes Kloster begeben, er solle mir dazu Beistand leisten und zu einer Stunde, die ich ihm bestimmte, an der Gartenmauer sein. Osio kam. Ottavia und ich flüchteten uns durch eine Öffnung, die Osio in die Mauer brach; wir verließen alle drei die Stadt Monza und schlugen den Weg nach Bergamo ein. Bald darauf warf Osio die Schwester Ottavia – vermutlich weil er sich einer Mitwisserin seines strafbaren Verhältnisses mit Virginia entledigen wollte – in den Lambro. Ich wollte ihr die Hand reichen und ihr heraushelfen, aber Osio versetzte ihr mit einem Feuerrohr mehrere Schläge auf den Kopf, und wir glaubten beide, daß sie tot sei. Mich zwang er, mit ihm weiterzuwandern. Etwa fünf bis sechs Miglien von Monza entfernt brachte er mich in ein verlassenes einsames Haus und ließ mich dort den Rest der Nacht und am folgenden Tage allein. Er setzte mir Käse und Wein vor, ich traute mich aber nicht, etwas zu genießen, weil ich mich fürchtete und dachte, er würde mich vergiften. In der nächstfolgenden Nacht kehrte Osio zurück und eröffnete mir, wir müßten weitermarschieren. Als wir etwa drei Miglien zurückgelegt hatten, kamen wir in ein Gebüsch, in dem sich ein Brunnen befand. Osio gab mir einen Stoß, daß ich hineinstürzen sollte. Ich fiel jedoch nur auf die Erde, nahm alle meine Kraft zusammen, stand gleich wieder auf und entfloh. Osio folgte mir auf dem Fuße, holte mich ein, schleppte mich mit Gewalt zurück und warf mich kopfüber in den Brunnen. Ich schlug im Fallen gegen mehrere hervorragende Steine und verletzte mich an der linken Seite. Als ich unten lag, warf Osio große Steine hinunter, die mir das rechte Schienbein zerschmetterten, mich aber nicht töteten, weil ich den Kopf dadurch deckte, daß ich mich unter einige Steine duckte, die eine Art von Dach bildeten. Der Brunnen war sehr tief, hatte aber kein Wasser. Es waren Steine drin und Knochen, ein schwarzer Klumpen, der darin lag, hatte das Ansehen eines menschlichen Kopfes. Ich habe eine entsetzliche Nacht und einen ganzen langen Tag in dem Brunnen zugebracht, bis endlich gestern früh mein Hilferuf gehört und ich erlöst wurde. Als ich in das Haus des Alberico getragen wurde, redete mir eine ältere Donna, die mir nach ihrer schwarzen Kleidung eine Witwe zu sein schien, zu, ich sollte doch angeben, daß ich mich selbst in den Brunnen gestürzt hätte. Ich entgegnete ihr aber, ich würde die Wahrheit sagen. Ich habe übrigens nur am Tage um Hilfe gerufen, nicht in der Nacht, weil ich fürchtete, Osio möchte in der Nähe sein, mich hören und mich vollends durch Steinwürfe töten.«

      Als man sie fragte, seit wie langer Zeit und auf welche Weise Osio in das Kloster Santa Margherita gekommen sei, antwortete sie: »Soviel ich weiß, ist Osio seit etwa vier bis fünf Jahren öfters, und zwar immer des Nachts, in das Kloster gekommen. Anfänglich kam er durch die Kirche, deren Tür ihm bald von mir, bald von Schwester Ottavia, bald von Schwester Virginia selbst geöffnet wurde. Später, als der Schlüssel von der Kirchtür abgezogen worden war, führten wir ihn mit Hilfe von Nachschlüsseln in das Kloster, und zwar in die Zelle der Virginia, aus der er sich regelmäßig, ehe der Tag anbrach, wieder entfernte. Aus dem Garten des Osio führte ein unterirdischer Gang in die Zelle der Schwester Ottavia. Diesen benutzte Osio verschiedene Male, um seine Geliebte, die dann in der Zelle der Schwester Ottavia schlief, zu besuchen. Am letzten Allerheiligenfeste gelangte Osio in das Kloster, indem er über die Mauer stieg. Er blieb damals vierzehn Tage im Kloster, teils in der Kammer der Ottavia, teils in der meinigen, die an die der Schwester Virginia stieß. Sogar an dem Abend des Tages, an dem Virginia das Kloster verließ, befand sich Osio in meiner Zelle und verbarg sich hinter den Bettvorhängen.«

      Schwester Benedetta war die erste, die erwähnte, daß auch ein Priester Paolo Arrigone eine Rolle in dem Verkehr zwischen Osio und Virginia gespielt hatte. Anfangs habe, so erzählte sie, Paolo Arrigone für Osio die Korrespondenz mit Schwester Virginia geführt, später aber sei er frech genug gewesen, für sich selbst ihre Gunst


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